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Obama wirbt in London gegen Brexit

Von WZ-Korrespondent Peter Nonnenmacher

Politik

Anti-EU-Lager zeigt sich empört über die Einmischung von außen.


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London. Einen Wendepunkt in der gegenwärtigen bitteren "Referendumsschlacht" auf den Britischen Inseln erhoffen sich EU-Befürworter vom London-Besuch von US-Präsident Barack Obama an diesem Wochenende. Obama hat bereits im Vorfeld zu erkennen gegeben, dass er den britischen Verbündeten nachdrücklich zum Verbleib in der Europäischen Union raten will.

Bisher ist der Ausgang des Referendums am 23. Juni den Umfragen zufolge völlig offen. In den letzten Wochen hatten die EU-Gegner - die Befürworter eines Austritts aus der EU, eines Brexit - an Unterstützung deutlich dazu gewonnen. In Downing Street Nummer 10 rechnet man aber damit, dass nach einem Eintreten Obamas für eine "starke EU" unter Einschluss Grossbritanniens die Stimmung im Lande gegen einen Brexit umschlagen wird.

Obama und seine Frau Michelle werden am Freitagmittag an einem Geburtstags-Lunch zu Ehren von Königin Elizabeth II. in Schloss Windsor teilnehmen. Danach will der US-Präsident in der britischen Regierungszentrale an der Seite von Premierminister David Cameron seine Argumente für den Verbleib Großbritanniens in der EU darlegen. Die diplomatische Offensive ist von Cameron und anderen Repräsentanten des Pro-EU-Lagers ausgesprochen dankbar aufgenommen worden. Im Brexit-Camp hat sie dagegen zornige Reaktionen ausgelöst.

Johnson: "Scheinheilig"

Der Londoner Bürgermeister Boris Johnson etwa, zur Zeit aussichtsreichster Kandidat für die Nachfolge Camerons als Premierminister, hat den scheidenden US-Präsidenten "empörender und enormer Scheinheiligkeit" geziehen. "Kein anderes Land der Welt", sagte Johnson, "verteidigt seine Souveränität mit solch hysterischer Wachsamkeit wie die Vereinigten Staaten."

Camerons ehemaliger Verteidigungsminister Liam Fox fügte hinzu, die Ansichten Barack Obamas "hätten etwas mehr Gewicht, wenn die USA eine offene Grenze mit Mexiko und einen Obersten Gerichtshof in Toronto hätten, und wenn der US-Haushalt von einem panamerikanischen Ausschuss festgelegt würde". Im März schon hatte Fox einen Protestbrief gegen alle "Einmischung" Obamas in britische Angelegenheiten initiiert, der von hundert Unterhaus-Abgeordneten unterzeichnet wurde und an die Londoner US-Botschaft ging.

Nigel Farage, der Vorsitzende der rechtspopulistischen Unabhängigkeits-Partei (Ukip), nannte Obama vor dessen Anreise sogar "den amerikanischen Präsidenten mit den stärksten anti-britischen Neigungen" in der US-Geschichte. "Glücklicherweise" sei dieser Präsident "nicht mehr sehr lange im Amt". Etwas höflicher suchte sich Brexit-Tory Chris Grayling auszudrücken, der immerhin Minister für parlamentarische Angelegenheiten in der Cameron-Regierung ist. Er könne sich nur vorstellen, sagte Grayling, dass Obama "die jüngsten Machtverschiebungen zwischen dem Vereinigten Königreich und Brüssel nicht ganz versteht".

"Entscheidung der Bürger"

Ministerpräsident Cameron baut wiederum darauf, dass "ein paar vorsichtige" Worte Obamas von den meisten Briten nicht als Einmischung empfunden, sondern beherzigt werden - und dem Pro-EU-Camp etwas Luft verschaffen. Natürlich sei die Entscheidung über die Zukunft Großbritanniens "eine Entscheidung einzig und allein für die britische Bevölkerung", versichert Cameron. "Ich persönlich finde aber, dass wir allen Ratschlägen Gehör schenken sollten."

Am Freitagabend sind Barack und Michelle Obama beim Herzog und bei der Herzogin von Cambridge, William und Catherine, im Kensington-Palast zu Gast, am Samstag tritt Obama zu einer Debatte mit jungen Briten bei einem Londoner "Rathaus-Treff" auf. Am Sonntag fliegt der US-Präsident weiter nach Deutschland.