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Obamania, die letzte

Von WZ-Korrespondent Klaus Stimeder

Politik

An Tag drei der Democratic Convention in Philadelphia mischte sich Begeisterung mit Wehmut.


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Washington D.C./Philadelphia. Das Jahr lautet 2016, aber da war er plötzlich wieder: Jener Slogan, der vor acht Jahren durch ganz Amerika hallte und den ersten afroamerikanischen Präsidenten der US-Geschichte ins Weiße Haus spülte: "Yes, we can"; und wenn sie nur wollen, dann auch diesmal wieder. Am Mittwochabend Ortszeit hielt Barack Hussein Obama die wahrscheinlich letzte große Rede vor seiner Partei und noch einmal bekam man ein Gefühl dafür, wie und warum der Mann so weit gekommen ist in seinem politischen Leben.

Fast eineinhalb Stunden lang redete Obama über seine gewonnenen Kämpfe (viel), seine verlorenen (wenig) und die Lasten, die das höchste Amt im Staat mit sich bringen. Noch viel, viel mehr redete er aber darüber, warum es seines Erachtens nur einen Menschen gibt, dem er zutraut, sein Erbe fortzuführen, und die heißt Hillary Clinton. Obama im O-Ton: "Sie ist qualifizierter für dieses Amt, als ich und Bill es jemals waren." Die Inszenierung hätte perfekter kaum sein können. Am Ende flossen im wie außerhalb des Wells Fargo Center in Downtown Philadelphia die Tränen und gerade als man glaubte, dass es das für heute gewesen sei, trat die erste Frau, die je von einer der großen Parteien in den USA als Kandidatin fürs Weiße Haus nominiert wurde, auf die Bühne und vollendete den historischen Schulterschluss. Obama und Clinton Arm in Arm: Es war der würdige Abschluss eines an Emotionen auch schon vorher nicht eben armen Tages.

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Großkaliber

Am dritten Tag der Democratic National Convention (DNC) hatte die Partei praktisch alle Großkaliber in den Ring geworfen, die sie heute spirituell und ganz real anführen. Dazu ausgewählte hochrangige Gast-Sprecher, was den beabsichtigten Effekt eintreten ließ: Zu behaupten, dass die Arena in Philadelphia an diesem warmen Ostküsten-Sommerabend bebte, wäre eine Untertreibung.

Donald Trump hatte zudem kurz zuvor freiwillige (oder unfreiwillige, das weiß niemand so genau, vermutlich am wenigsten er selbst) Schützenhilfe geliefert, indem er Russland per Tweet bat, sich in die Computer von Hillary Clinton zu hacken: "Wenn Russland oder irgendein anderes Land oder eine Person die 33.000 von ihr illegal gelöschten E-Mails hat, sollte es die vielleicht mit dem FBI teilen." Angesichts des, man kann es angesichts solcher Wortmeldungen seriöserweise nicht mehr anders nennen, offensichtlichen Wahnsinns, der die Republikanische Partei mit der Nominierung des 70-Jährigen ergriffen hat, ließen die Demokraten einen antworten, dessen Expertise auch auf konservativer Seite nicht angezweifelt wird.

Also sprach Mike Bloomberg

Leon Panetta, von 2009 bis 2011 als Chef der Central Intelligence Agency
(CIA) unter anderem für das Aufspüren von Osama bin Laden hauptverantwortlich und dann bis 2013 Verteidigungsminister, warnte im Rahmen seiner Rede vor den Delegierten vor den unabsehbaren Auswirkungen einer Wahl Trumps für die nationale Sicherheit: "Wenn er Präsident wird, wird Amerika nicht mehr so sicher sein wie heute." Punkt. Zweifelte Panetta an der Kompetenz des 70-Jährigen New Yorker Immobilienmagnaten in puncto innerer und äußerer Sicherheit, legte der mit Abstand wohlhabendste Convention-Gast seine Kritik breiter, aber kaum weniger missverständlich an. Also sprach Mike Bloomberg, Multi-Billionär und zwölf Jahre lang Bürgermeister von New York City: "Ich bin New Yorker. Ich merke sofort, wenn mich einer reinlegen will. Donald Trump will Amerika reinlegen. Er ist ein Heuchler." In dieser Tonart ging es weiter, Konklusio: Bloomberg, der als Unabhängiger "weiß Gott seine Probleme mit beiden großen Parteien hat" (denen er freilich beiden in der Vergangenheit angehörte), sehe angesichts der konkret bevorstehenden Wahl keine Alternative zu Clinton, mit der er im übrigen während ihrer Zeit als Senatorin gut zusammen gearbeitet habe: "Alles andere wäre ein Desaster." Das alles kam (bis auf ein paar Pfiffe noch immer frustrierter Bernie-Sanders-Wähler) gut an.

Aber die Leute von den Sitzen riss erst der nächste Redner.
Vizepräsident Joe Biden ist von jeher sowas wie die Geheimwaffe der Demokraten, die, richtig eingesetzt, noch immer Wunder wirken kann. Der ehemalige langjährige Senator von Delaware, der sich trotz einer Unzahl persönlicher Schicksalsschläge – im vorigen Jahr starb sein Sohn Beau im Alter von 46 an einem Hirntumor, Bidens erste Frau und seine Tochter hatte er 1972 bei einem Autounfall verloren – seinen Humor und seine Kampfeslust erhalten hat, zog gegen Trump vom Leder, dass es nur so krachte: "Trump liebt nur sich selbst. Aber wir lieben Amerika!" Das Auditorium dankte es ihm mit stehenden Ovationen und nicht wenige verdrückten mehr als eine Träne ob der Tatsache, dass er es vor einem Jahr nicht selber gewagt hatte, ins Rennen um die Nominierung einzusteigen. Was den mittelbar darauf folgenden Auftritt seines Nachfolgers in spe nicht unbedingt leichter machte. Tim Kaine, bisher Senator von Virginia, dem er auch schon als Gouverneur vorstand, hat viel von den praktischen Kompetenzen Bidens, aber wenig bis nichts von seinem Charisma.

Angesichts dessen, was er an diesem Abend in Philadelphia als Einstandsrede ablieferte, muss sich Hillary Clinton jedenfalls definitiv nicht fürchten, dass er ihr jemals die Show stehlen wird. Nicht dass Kaine, der sichtlich nervös war, seine Sache schlecht machte; aber in der Zeit zwischen zwei politischen wie rhetorischen Ausnahmetalenten wie Biden und Obama sprechen zu müssen, ist eben keine dankbare Aufgabe. Die diesbezüglichen Standards haben sich in den vergangenen acht Jahren extrem erhöht. Hoffentlich nicht zu extrem.