Zum Hauptinhalt springen

Obamas Alptraum

Von Walter Hämmerle

Leitartikel
0

Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 11 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Die Schlinge um Bashar al-Assads Hals zieht sich enger. Die entscheidende Phase im Kampf um sein persönliches Überleben und das seines Regimes scheint gekommen.

Im Westen sind die Warner vor einem militärischen Eingreifen endgültig ins Hintertreffen geraten, die Abteilung Angriff hat die Führung übernommen. Dem kann sich auch US-Präsident Barack Obama nicht länger entziehen. Die Berichte über den Einsatz von Giftgas im syrischen Bürgerkrieg haben die Argumentationskette der Bedenkenträger ins moralische Abseits gestellt. Krieg als gerechte Sache liegt - wieder einmal - in der Luft. Im Moment schaut es nicht danach aus, als ob sich die Spirale der Eskalation in Syrien noch einmal aufhalten ließe.

Assads Gegner haben dazu keinen Grund und der Diktator selbst wohl nicht mehr die Möglichkeit. Es sei denn, Assad macht den Weg frei für eine politische Übergangslösung ohne ihn - oder wird dazu von seinen Generälen gezwungen. Möglich, dass die USA mit ihren Planungen für einen Angriff darauf hinarbeiten. Ob der Bluff, wenn es sich denn um einen handelt, aufgeht, vermag niemand zu sagen.

Die Vereinten Nationen jedenfalls sind aus dem Rennen, wieder soll eine "Koalition der Willigen" zur Tat schreiten. Schon 2003 schloss sich eine Allianz von rund 40 Staaten unter Führung der USA zusammen, um den irakischen Diktator Saddam Hussein zu stürzen. Kritiker brandmarkten die Invasion im Irak als völkerrechtswidrig, weil ohne UN-Mandat erfolgt - und noch dazu, wie sich im Nachhinein herausstellte, unter Vorspiegelung falscher Tatsachen.

Obama ist angetreten, die außenpolitischen Fehler seines glücklosen Vorgängers George W. Bush nicht zu wiederholen. Er wurde gewählt, die GIs aus den zerstörten Ländern Afghanistan und Irak nach Hause zu holen und stattdessen das eigene marode Land zu erneuern. Jetzt ist er dabei, aufs Neue einer "Koalition der Willigen" den Angriffsbefehl zu geben - ohne den Segen der UNO, aber mit der moralischen Rechtfertigung eines Chemiewaffeneinsatzes des Regimes.

Man kann nur hoffen, dass sich Geschichte nicht wiederholt: dass in Syrien auch nach dem Sturz des Diktators das Blut der Bürger in Strömen fließt - und sich im Nachhinein herausstellt: Der Giftgaseinsatz ging auf das Konto der Rebellen. Obama wird in einer ruhigen Stunde dieses Szenario als Alptraum vor Augen haben.