US-Präsident Barack Obama erlebt dieser Tage die Schattenseite seines außenpolitischen Multilateralismus. Ausgerechnet er, der seinen Bürgern gelobte, die Soloaktionen seines ungeliebten Vorgängers George W. Bush hinter sich zu lassen, musste die USA mit der "Odyssey Dawn" genannten Intervention in Libyen in einen weiteren Krieg führen.
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Es ist dies - nach Irak und Afghanistan - bereits der dritte Krieg seit dem Jahr 2000. Und allesamt richten sie sich gegen islamische Länder. Was dies für das Bild der USA in den Straßen der arabischen Welt bedeutet, ist Washington nur zu klar. Dass diese Mission nicht als Einsatz für die Freiheit der unterdrückten arabischen Massen im Gedächtnis zurückbleibt, dafür werden schon die islamistischen Propagandisten sorgen, in deren Augen der Westen stets und überall des Teufels ist.
Die USA müssen sich im Fall Libyens stärker militärisch engagieren, als sie eigentlich wollen. Tatsächlich zählt Nordafrika zum ureigensten Interessenbereich - um den belasteten Begriff Hinterhof zu vermeiden - der Europäischen Union. Doch diese ist einmal mehr nicht bereit, an einem Strang zu ziehen. Und sie nimmt sogar - quasi im Vorbeigehen - in Kauf, dass die Reputation der Nato mit Füßen getreten wird.
In Obamas Ohren muss das einstige Gejammer der Europäer über die unilaterale Außenpolitik Bushs angesichts ihres jetzigen Widerwillens, gemeinsam zu handeln, wie eine Verhöhnung klingen: Europa will zwar überall mitreden, aber die Dinge eigenständig in die Hand zu nehmen, davon ist der größte Wirtschaftsraum weit entfernt.
Obamas Bereitschaft zum aufgeklärten Multilateralismus macht den US-Präsidenten zu Hause politisch angreifbar - vor allem, wenn die eigenen Bürger erkennen müssen, dass ihr Land nichts davon hat: Warum anderen überhaupt Mitsprache gewähren, wenn man am Ende ohnehin das Gros der Lasten selbst zu schultern hat? Warum überhaupt für die Europäer die Schmutzarbeit erledigen?
Momentan tut Europa ziemlich wenig, die Wiederwahl seines liebsten US-Präsidenten aller Zeiten im kommenden Jahr zumindest indirekt zu unterstützen. Im Gegenteil sogar: Mit solchen Freunden braucht Obama gar keine Feinde mehr. Erst, wenn ein anderer, rauerer Ton aus Washington bläst, wird das Wehklagen wieder groß sein.