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Obamas Friedensvision gescheitert

Von Georg Friesenbichler

Politik

Einige Forderungen der Hamas erfüllt. | Israel fürchtet Sieg der Islamisten. | Kairo. Vorläufig ist es nur eine Absichtserklärung. Und selbst wenn Palästinenserpräsident Mahmoud Abbas und Hamas-Führer Khaled Mashaal, wie angekündigt, nächste Woche in der ägyptischen Hauptstadt Kairo ihr Versöhnungsabkommen unterzeichnen sollten, ist die Rivalität zwischen den beiden Palästinenser-Fraktionen nicht beendet. Zu viel Spielraum lässt das Abkommen für neuen Streit. Und Experten verweisen darauf, dass in der Vergangenheit ähnliche Vereinbarungen immer wieder gescheitert sind.


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Etwa im Jahr 2006. Da überlebte eine palästinensische Einheitsregierung nur wenige Monate - nicht zuletzt aufgrund des Drucks der internationalen Gemeinschaft, die den Wahlsieg der Hamas in den von Israel besetzten Gebieten nicht anerkennen wollte. 2007 putschte die radikalislamistische Hamas im Gazastreifen gegen die Fatah von Abbas und hat seitdem dort die Macht inne.

Seither sind die Beziehungen zwischen den beiden Gruppen eisig und immer wieder von gegenseitiger Gewalt geprägt. Die längst vorgesehenen Wahlen wurden immer wieder verschoben, weil keine Einigkeit darüber zu erzielen war. Versöhnungsversuche blieben bisher vergeblich - bis den Ägyptern jetzt offenbar ein Durchbruch gelang. Die Hamas konnte dabei einige ihrer Forderungen durchsetzen. Endlich soll sie in die Dachorganstation aller Palästinenser, die PLO, aufgenommen werden. Die Hamas soll auch nicht die Kontrolle über ihre Sicherheitsdienste verlieren, die rivalisierenden Sicherheitskräfte sollen zusammengelegt werden - unklar ist allerdings, wer darüber die Kontrolle erhält.

Israels Ministerpräsident Benjamin Netanyahu kommt daher zu dem Schluss, dass das Abkommen die Schwäche der von Abbas regierten Palästinensischen Autonomiebehörde zeige. Wie er glaubt auch sein ultrarechter Außenminister Avigdor Lieberman, dass die Hamas auch im Westjordanland die Macht übernehmen werde, spätestens mit den Wahlen, die innerhalb eines Jahres abgehalten werden sollen. Lieberman sieht "eine rote Linie überschritten", und Netanyahu sagte, Abbas habe die Wahl "zwischen Frieden mit der Hamas oder Frieden mit Israel".

Ziel ist Souveränität

Abbas ist indessen zu der Überzeugung gekommen, diese Wahl nicht mehr zu haben. Denn die Initiative von US-Präsident Barack Obama für einen Nahost-Frieden scheiterte gleich im ersten Anlauf. Abbas konnte sich nicht damit abfinden, dass Israel auf weiterem Siedlungsbau in Palästinensergebieten beharrte. Gerade wollte die US-Regierung einen neuen Versuch starten, die seit September auf Eis liegenden Gespräche neu zu beleben. Netanyahu wollte im Mai vor dem US-Kongress neue Friedenspläne vorlegen, die eventuell einen Teilabzug israelischer Truppen aus dem Westjordanland vorsehen sollten.

Aber Abbas hat die Obama-Initiative wegen der Siedlungsfrage längst abgeschrieben und einen anderen Kurs zu einer Zwei-Staaten-Lösung angesteuert. Im September soll mit Hilfe der UNO-Hauptversammlung ein eigenständiger Palästinenser-Staat auch ohne vorherige Friedensvereinbarung mit Israel ausgerufen werden. Die Unterstützung der südamerikanischen Staaten hat man bereits. Und die Versöhnung zwischen Hamas und Fatah ist eine wesentliche Voraussetzung für die Souveränität.

Lieberman droht

Israel hat sich stets gegen einen solchen einseitigen Schritt ausgesprochen, und auch jetzt drohte Lieberman sofort mit Gegenmaßnahmen. So könnte die Bewegungsfreiheit von Abbas und seinem Ministerpräsidenten Salam Fayyed eingeschränkt werden - Israel hatte schon Abbas-Vorgänger Yassir Arafat in seinem Hauptquartier in Ramallah de facto eingesperrt. Man könne auch daran denken, die von Israel an die Palästinenser überwiesenen Steuergelder einzufrieren.

Auch die USA werden wohl ihre bisherige Unterstützung für das Westjordanland überdenken. Schon werden im Kongress Stimmen laut, die jährliche Unterstützung von 400 Millionen US-Dollar, die unter anderem der Ausbildung von Sicherheitskräften dienen, zu suspendieren. Die USA betrachten die Hamas weiterhin als terroristische Organisation. Wohl auch deshalb soll die palästinensische Übergangsregierung bis zu den Wahlen nicht aus Parteivertretern, sondern aus unabhängigen Experten gebildet werden.

Als Voraussetzung für die Anerkennung einer neuen Regierung nennt das Nahost-Quartett, bestehend aus USA, Russland, EU und UNO, erneut, dass diese das Existenzrecht Israels anerkennen und der Gewalt abschwören müsse. Diese Forderung sei allerdings nicht Teil des Abkommens, dämpfte ein Hamas-Sprecher gleich entsprechende Hoffnungen.

Diese Zurückweisung lässt auch Liebermans These als wenig einleuchtend erscheinen, dass die Hamas nervös sei, weil das sie unterstützende Regime in Syrien wegen der Revolte in Schwierigkeiten stecke.

Antwort auf Proteste

Mehr Grund zu Nervosität bereiten beiden Palästinenserfraktionen die Unzufriedenheit im eigenen Gebiet. Am 15. März kam es im Westjordanland nach dem Vorbild anderer arabischer Revolutionen zu Demonstrationen, bei denen eine Versöhnung zwischen Hamas und Fatah gefordert wurde, aus dem Gazastreifen sind ähnliche Proteste bekannt. Vertreter beider Seiten nannten nun in Kairo die Proteste und die Veränderungen in der arabischen Welt als "ganz wesentliche Gründe" für das Zustandekommen des Abkommens.