Zum Hauptinhalt springen

Obamas große Gesundheitsreform wird mehrheitsfähig

Von WZ Online

Politik

Washington. Die erste allgemeine und staatlich finanzierte Krankenversicherung der USA könnte noch vor Ablauf des ersten Regierungsjahres Obamas im Jänner verabschiedet werden. Die Demokraten sicherten sich am Wochenende im Senat eine Mehrheit für eines der wichtigsten innenpolitischen Projekte von Präsident Barack Obama.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 15 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Der Senat verabschiedete am Samstag mit 88 gegen zehn Stimmen auch ein Budgetgesetz, mit dem die Finanzierung der Truppeneinsätze im Ausland und die weiter Unterstützung für Arbeitslose sichergestellt wird. Damit machte der Senat den Weg frei für die entscheidende Auseinandersetzung über Obamas Gesundheitsreform noch vor Weihnachten.

"Das ist ein großer Schritt für das amerikanische Volk", sagte Obama am Samstag. "Nach einem fast hundertjährigen Kampf stehen wir an der Schwelle dazu, die Gesundheitsreform Realität werden zu lassen." Er rief den Kongress in seiner wöchentlichen Rundfunk- und Internet-Botschaft auf, dem Druck der Versicherungsbranche standzuhalten. Die Unternehmen wollten ein System bewahren, das der Branche mehr diene als dem amerikanischen Volk, erklärte Obama.

An dem Ziel, einer breiten Mehrheit der Amerikaner eine Krankenversicherung zu sichern, war zuletzt Obamas demokratischer Vorgänger Bill Clinton in den 90er Jahren gescheitert. Obama hatte die Reform zu einem seiner großen Wahlkampfthemen gemacht, die Unterstützung für den massiven staatlichen Eingriff in das Gesundheitswesen ist jedoch in den vergangenen Monaten geschwunden.

In Marathonverhandlungen gewannen die Demokraten am Samstag die 60. und damit entscheidende Stimme für die Reform im Senat. Senator Bob Nelson aus Nebraska sicherte sein Votum zu, nachdem er Finanzierungszusagen für seinen Heimatstaat bekam und die Partei eine Finanzierung von Schwangerschaftsabbrüchen über die geplante Versicherung weitgehend ausschloss. Der Punkt hat auch im Repräsentantenhaus für heftige Diskussionen gesorgt und dürfte bei der Angleichung der unterschiedlichen Gesetzesentwürfe aus den beiden Kammern noch einmal eine Rolle spielen. "Ein Wechsel ist niemals einfach, aber Wechsel ist das, was Amerika heute braucht. Ich werde für die Reform stimmen", sagte der Senator.

Im nächsten Schritt muss nun der Senat seinen Entwurf mit den inzwischen ausgehandelten Ergänzungen in mehreren Abstimmungen verabschieden. Das Verfahren soll am Montag beginnen und bis zum Heiligen Abend beendet sein. Dann wäre noch eine Woche Zeit für die Vermittlungsgespräche mit dem Repräsentantenhaus. Beide Häuser des Kongresses müssen schließlich noch einmal dem endgültigen Gesetzestext zustimmen. Dann kann der US-Präsident die Reform durch seine Unterschrift in Kraft setzen. Obama hat die Abgeordneten gebeten, die Reform bis zum Jahresende fertig zu stellen. Am 20. Jänner jährt sich sein mit großen Hoffnungen begleiteter Amtsantritt.

Kern der Reform ist die Aufnahme von gut 30 Millionen bisher unversicherten Amerikanern in die Absicherung. Der Staat wird die Beitragszahlungen von Mitgliedern und kleinerer Unternehmen unterstützen. Zudem ist festgelegt, dass Patienten mit Vorerkrankungen nicht mehr wie bisher üblich von der Krankenversicherung ausgeschlossen sind. In den monatelangen Diskussionen kippten die Abgeordneten allerdings unter anderem das von Obama vorgeschlagene staatliche Versicherungsangebot. Stattdessen soll die Bundesregierung nun Verträge mit zwei Unternehmen abschließen, die auf nationaler Ebene oder zumindest über mehrere US-Staaten hinweg eine Versicherung anbieten.

Dabei macht der Staat Vorgaben für Verwaltung und Organisation der neuen Programme. So müssen die Unternehmen von jedem Dollar Beitrag mindestens 80 beziehungsweise 85 Cent in medizinische Anwendungen stecken und dürfen nur den Rest für die interne Abwicklung verwenden. Über neue Steuern auf höhere Einkommen, Sonnenstudios oder medizinische Geräte will der Staat Geld für die Programme einnehmen.

Die nun im Senat zur Abstimmung vorliegende Reform kostet offiziellen Berechnungen zufolge 871 Milliarden Dollar (608 Mrd. Euro) in den ersten zehn Jahren. Der Aufwand wird durch Ausgabenersparnisse in Höhe von 483 Mrd. Dollar und erwartete Umsätze von 498 Mrd. Dollar mehr als ausgeglichen. Das Rekord-Defizit der USA soll durch das Programm im selben Zeitraum um 132 Mrd. Dollar abschmelzen.