Zum Hauptinhalt springen

Obamas schonungslos pragmatische Diplomatie

Von David Ignatius

Kommentare

Die US-Außenpolitik erinnert an Henry Kissinger und James A. Baker III - Barack Obama hat dabei viele Türen geöffnet, aber auch Fehler gemacht.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 10 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Nach einem frustrierenden Jahrzehnt der Kriege setzten die USA 2013 wieder auf Diplomatie und zeigten dabei eine schonungslos pragmatische Gangart, die an Außenminister wie Henry Kissinger und James A. Baker III erinnert. Präsident Barack Obama und Außenminister John Kerry öffneten Türen und schufen Möglichkeiten, schwierigen Konflikten beizukommen, aber die Umschwünge der US-Regierung waren, besonders in Nahost, so abrupt und uneinfühlsam, dass selbst Machiavelli erröten würde. Das Atomabkommen mit dem Iran ist das erstaunlichste Beispiel für die Bereitschaft, mit früheren Gegnern zu kooperieren. Interessant ist, wie lange es schon im Dunkeln keimte. Vorgefühlt wurde bereits 2012, als Hillary Clinton US-Außenministerin und Mahmoud Ahmadinejad Präsident des Iran war. Für einen geheimen Kanal sorgte der Sultan von Oman, ein exzentrischer Charakter wie aus einem Spionageroman, der die Kunst geheimer Aktivität von den Meistern, den Briten, lernte. Kerry nahm sich sogar des Rubikwürfels der Diplomatie, des israelisch-palästinensischen Konflikts, an. Seine Argumentation ist gnadenlos sachlich: Beginnt jetzt mit dem Übergang zur palästinensischen Eigenstaatlichkeit oder ihr werdet es später bereuen.

Sich die Drehungen der US-Regierung in Sachen Syrien anzusehen, war weniger ermutigend. Mehr als ein Jahr lang wich Obama einem ernsthaften Programm aus, Syriens gemäßigte Opposition auszubilden und zu bewaffnen. Hätte er schon Mitte 2012 das Richtige getan, könnten die Rebellen heute 10.000 von der CIA ausgebildete Kämpfer haben. Jetzt, wo die gemäßigte Opposition zerschlagen und Al-Kaida groß im Kommen ist, will Obama mit Saudi-Arabien und der Islamischen Front kooperieren, einer nicht ganz djihadistischen Gruppierung, die schaurig an afghanische Warlords erinnert, die die USA in den 1980ern unterstützten.

Auch bei Ägypten werde ich schwindlig, wenn ich mir die US-Politik ansehe. Sie unterstützte die Regierung der Muslimbrüder lange, nachdem die meisten Ägypter sie vorigen Sommer fallen gelassen hatten. Nach monatelangem Schwafeln trafen die USA kürzlich die "realistische" Entscheidung, mit den Freunden Ägyptens in Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammenzuarbeiten, um die ägyptische Wirtschaft zu stabilisieren und, wenn möglich, das Land zu einer zivilen Regierung zurückzubringen.

Die Realpolitik-Tour 2013 setzt sich in den Golf-Königreichen fort. In Saudi-Arabien und den Emiraten war man so aufgebracht über die US-Politik gegenüber Iran und Syrien, dass die Aufkündigung der jahrzehntelangen Allianz angedroht wurde. Obama wählte auch hier den versöhnlichen, diplomatischen Zugang. US-Verteidigungsminister Chuck Hagel war am Wochenende in Bahrain, um den Golf-Arabern zu versichern, wie viel die USA für deren Sicherheit tun.

Nicht alle diplomatischen Manöver waren schön anzusehen. Kritiker sollten aber zugestehen, dass es sich um interessenorientierte Außenpolitik im Rohzustand handelt.

Übersetzung: Redaktion