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Obamas Trumpfkarten: Die Botschaft der Hoffnung und die demographische Entwicklung

Von Georg Friesenbichler

Analysen

Es war der Traum der Gründerväter, den Barack Obama in seiner Rede nach dem Wahlsieg beschwor, und er sprach von Amerika als dem Ort, an dem alles möglich ist.


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Einen solchen patriotischen Hinweis kann kaum ein US-Politiker vermeiden. Aber Obamas Traum ist ein anderer als der seines Vorgängers George W. Bush. Der hatte ein Förderprogramm für Einkommensschwache zum fremdfinanzierten Hauserwerb als "Initiative zur Anzahlung auf den amerikanischen Traum" bezeichnet. Der Traum ist ein Albtraum geworden. Finanz- und Wirtschaftskrise machen zunichte, was man Bush als sozialpolitische Maßnahme anrechnen könnte.

Für den künftigen Präsidenten beinhaltet der Traum mehr als den Erwerb eines Eigenheims. Nicht zufällig erinnerten einige Passagen in seiner Rede an die legendären Worte John F. Kennedys: "Fragt nicht, was euer Land tun kann, fragt, was ihr für euer Land tun könnt!" Obama forderte einen neuen Opfergeist, einen neuen Patriotismus und erteilte dem Egoismus eine Absage.

Es ist nicht das Amerika des ausschließlich materiellen Wohlbefindens, das Obama heraufbeschwört. Die Ideale, die er anspricht, beruhen nicht auf der Unterlegenheit anderer. Das bedeutet eine Abkehr von der US-Politik der vergangenen Jahre, und diese Hoffnung auf einen Wechsel macht Obama für die US-Bürger ähnlich charismatisch wie Kennedy, den er bei der Wahlbeteiligung sogar noch hinter sich ließ - Kennedy hatte 1960 nur 63,8 Prozent erreicht, mehr als 64 Prozent beteiligten sich nun, der höchste Wert der letzten hundert Jahre. Obama gelang es, mit seinem Slogan "Change", Menschen an die Wahlurne zu bringen, die sich für Politik bisher nicht interessiert hatten. Vor allem die Jugend, Frauen und Minderheiten vertrauten dem 47-jährigen Afroamerikaner (siehe Seite 9) .

Die Hautfarbe hat dabei - ebensowenig wie die verzweifelten Versuche von republikanischen Hardlinern, Obama als Islamisten-Freund darzustellen - kaum eine Rolle gespielt, bemerkenswert in einem Land, in dem noch vor 50 Jahren ein tief verwurzelter Rassismus herrschte. Obama hat, anders als manche schwarze Politiker der Vergangenheit, auch stets versucht, diese Frage nicht zu einem zentralen Wahlkampfthema zu machen. Dennoch mag bei den Minderheiten der Gedanke eine Rolle gespielt haben, einen der ihren zu wählen.

Dass auch die spanischsprachigen Hispanics, eine ständig wachsende Bevölkerungsgruppe, die 2004 noch mehrheitlich für Bush gestimmt hatte, sich darauf eingelassen haben, verheißt den Republikanern nichts Gutes. Denn die Experten für Bevölkerungsentwicklung sagen voraus, dass in etwa 30 Jahren die Weißen nicht mehr die Mehrheit im Land stellen werden. Obama versuchte dem in seiner Rede den Schrecken zu nehmen: Mit den Worten "Wir sind die Vereinigten Staaten von Amerika" beschwor er das alte Bild vom Schmelztiegel herauf.

Gerade bei jenen, die diesen alten neuen amerikanischen Traum teilen, ist die Erwartungshaltung allerdings hoch. Die Freudentränen bei den Siegesfeiern zeugen davon, dass sich viele eine geradezu katharsische, erlösende Wirkung durch den neuen Präsidenten erhoffen. Klugerweise versuchte Obama gleich nach seiner Wahl, die Ansprüche zu dämpfen und kündigte vorsorglich Rückschläge und falsche Ansätze an.

Auch wenn Obama auf den "New Deal" verwies, mit dem US-Präsident Franklin D. Roosevelt in den 30er-Jahren die Wirtschaftskrise bekämpfte, können inmitten der Rezession, in die die USA geraten sind, keine raschen Erfolge erwartet werden. Auch in der Außenpolitik wirken die Sachzwänge, aber auch der weiter bestehende Führungsanspruch der USA stärker als Wahlversprechen vom einem raschen Rückzug aus dem Irak. Die strikte Ablehnung von Diktatur und Terror, die Unterstützung für Demokratie und Freiheit stellt Obama ebensowenig in Frage wie seine Vorgänger.

Dennoch erhoffen sich Europäer und andere Länder mehr Kooperation und Dialog. Sie erwarten von Obama, dass er weniger Arroganz der Macht als Bush zeigen wird. Auch ihnen ist die Erleichterung über den Wechsel deutlich anzumerken.

analyse@wienerzeitung.at