Heterogene Staatengruppe mit großem wirtschaftlichem Potenzial.
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Rangun/Phnom Penh. Dass sich Barack Obama einmal als ersten "pazifischen Präsidenten" der USA bezeichnete, war kein leeres Wort: Trotz eines Budgetstreits mit den Republikanern zuhause und einer sich mehr und mehr zuspitzenden Krise in Nahost setzt der US-Präsident mit pazifischen Wurzeln seine Ostasien-Reise wie geplant fort. Nach dem Auftakt in Thailand und dem ersten Besuch eines US-Präsidenten in Burma reiste Obama noch am Montag weiter nach Kambodscha. Dort wird der wiedergewählte US-Präsident bis Dienstag am Ostasien-Gipfel in Phnom Penh teilnehmen und unter anderem mit Chinas abtretendem Premier Wen Jiabao zusammentreffen. Auf den hochkarätig besetzten Gipfel sind neben den Regierungschefs der südostasiatischen Staatengruppe Asean nämlich auch China, Russland, Japan, Südkorea, Indien, Australien, Neuseeland und eben die USA vertreten.
Dass Obama so bald nach seiner Wiederwahl nach Südostasien reist, ist kein Zufall. Tom Donilon, der Nationale Sicherheitsberater des Präsidenten, sieht die USA als "Pazifische Macht", deren Interessen eng mit Asiens Wirtschaft und Politik verflochten seien. Kein Wunder: Nicht nur China erlebte in den letzten Dezennien einen fulminanten Wirtschaftsaufschwung, auch der Asean-Gruppe wird eine große Zukunft prophezeit: Bis 2015 wollen die Asean-Mitglieder Thailand, Vietnam, Indonesien, Laos, Malaysia, Myanmar, Singapur, Brunei, Kambodscha und die Philippinen ihre Handelsschranken abbauen oder ganz fallen lassen. 600 Millionen Menschen mit einer heute schon höheren Wirtschaftskraft als Indien - da geraten Experten wie Rajiv Biswas von IHS Global Insight ins Schwärmen: Die Asean-Region werde mit jährlichen Wachstumsraten von zehn Prozent binnen 20 Jahren "zu einem der größten Verbrauchermärkte der Welt werden", wird der Ökonom im "Handelsblatt" zitiert - und damit zu einer "Schlüsselpriorität" für Amerikas Wirtschaft und Politik.
Ob die Asean-Gruppe aber wirklich zu einer asiatischen EU werden kann, ist trotz euphorisch stimmender Wirtschaftsberichte alles andere als sicher. Beispielsweise unterscheiden sich die Mitgliedstaaten stark voneinander - den demokratisch regierten Philippinen, die nicht aus der Krise finden, stehen straff autoritär oder zumindest nominell kommunistisch regierte Staaten wie Vietnam gegenüber; auch in Hinblick auf Religion und Kultur und dem Stand der Wirtschaftsentwicklung sind die Asean-Länder nicht auf einen Nenner zu bringen. Vor allem aber eint die Mitgliedstaaten des heterogenen Bundes ihre Abneigung, Kompetenzen an eine Gemeinschaftsbehörde abzutreten. "Die Souveränität der einzelnen Staaten ist im Asean-Raum ein sehr hohes Gut", sagt die Südostasien-Expertin Melanie Pichler vom Österreichischen Institut für Internationale Politik (OIIP) der "Wiener Zeitung". Zwar würden die einzelnen Staaten bei Großprojekten zusammenarbeiten, nationalstaatliche Kompetenzen an eine Gemeinschaftsorganisation abzugeben, könne man sich aber nicht vorstellen.
Kein Wunder also, dass auch jene Menschenrechtserklärung, die die Asean-Staaten am Sonntag verabschiedet haben, wegen ihrer Wirkungslosigkeit umstritten ist. Zwar war der Wortlaut des Dokuments am Montag noch nicht bekannt, es sickerte aber durch, dass die Erklärung Einschränkungen der Menschenrechte erlaubt, wenn es die nationale Sicherheit verlangen sollte. Menschenrechtler reagierten dann auch empört, "Human Rights Watch" sprach davon, dass die "schlimmsten Befürchtungen eingetroffen" seien.
US-Geopolitik gegen China
Freilich können sich die Asean-Staaten nicht nur beim Thema Menschenrechte nicht einigen: Auch gegenüber China, dem immer dominierender werdenden Rivalen im Norden, verfügt man über keine einheitliche Position - etwa in dem seit Jahren schwelenden Streit einiger Asean-Mitglieder mit Peking um die rohstoffreichen Spratly- und Paracel-Inseln im Südchinesischen Meer. Eine gemeinsame Erklärung scheiterte immer wieder an den divergierenden Interessen der einzelnen Staaten. Und das in einer Zeit, da Peking seine außenpolitische Zurückhaltung, die es noch zur Zeit der Jahrtausendwende geübt hat, zunehmend aufgibt und mit einer ersten und zweiten "Insellinie" dem Hauptrivalen im Pazifik, den USA, den Kampf ansagt.
Dass Obama den Asean-Staaten eine "Schlüsselpriorität" einräumt, hat also auch geostrategische Gründe. Seit Jahren beobachten die USA mit Sorge die Aufrüstung der chinesischen Volksbefreiungsarmee, die sich in den vergangenen Jahren Tarnkappen-Kampfjets, moderne U-Boote und auch einen Flugzeugträger zugelegt hat. Die Tour Obamas durch Südostasien dient dem Zweck, ein Gegengewicht zum Rivalen China zu fördern.