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Obamas wohlüberlegte Eskalation

Von David Ignatius

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Der US-Präsident setzt in der Krim-Krise wie schon beim Iran auf eine Kombination aus Sanktionen und Diplomatie.


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Seit Beginn der Ukraine-Krise sprechen Vertreter der Regierung von US-Präsident Barack Obama davon, Russland Richtung Deeskalation zu drängen. Das wäre das beste diplomatische Ergebnis, es erfordert jedoch eine nicht sehr wahrscheinliche öffentliche Umkehr von Russlands Präsident Wladimir Putin. Der vom Weißen Haus gewählte Weg will auf russische Einwände eingehen, ohne die neue ukrainische Regierung zu schwächen.

Wegen Putins Beschwerden über angebliche Misshandlung der russischsprachigen Bevölkerung halten sich internationale Beobachter auf der Krim auf. Russland müsste mit der Übergangsregierung in Kiew zusammenarbeiten und die Wahlen unterstützen, um einen Nachfolger für Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch zu finden. Und schließlich müssten sich die Russen auf ihre Militärbasis auf der Krim zurückziehen. Viel, was Putin schlucken muss, und bisher weigert er sich. Aber sogar er mit seiner Ex-KGB-Bravour scheint nicht wild auf einen großen Krieg zu sein.

Das Weiße Haus hat Visa-Einschränkungen angekündigt und gezielte Sanktionen gegen Russen und ihre Verbündeten, die die Souveränität der Ukraine bedrohen. Auch wenn noch keine konkreten Personen oder Unternehmen genannt wurden, ist die Botschaft an Putin klar: Je mehr er unternimmt, um die Krim zu annektieren, umso mehr wirtschaftlichen Schaden riskiert er für sich, seine Freunde und Russland.

Obama setzt auf Putins rationale Bereitschaft, Kompromisse einzugehen. Das ist ein kühner Versuch. Putin ist ein autokratischer Führer mit einer gefährlichen Nostalgie für das sowjetische Imperium. Obama sieht ihn jedoch als "Transaktions"-Führer, der einen Deal macht, wenn der Preis stimmt. Indem er Putin reale Kosten aufbürdet, drängt er ihn in die Enge - und damit aber auch sich selbst: Obama hat sich öffentlich darauf festgelegt, den russischen Rückzug zu erzwingen.

Obama, vielleicht angestachelt von der Kritik, seine Außenpolitik sei schwach und unschlüssig, greift in dieser Krise zu einer Taktik wohlüberlegter Eskalation. Das Ziel ist, die Sanktionen auf das Handeln Russlands abzustimmen. Die Strategie besteht zum einen aus "Kosten" für die russische Intervention, aus Sanktionen. Es wird davon ausgegangen, dass für Putins Russland, das sich bei den Olympischen Spielen so unübersehbar hungrig nach Geltung zeigte, die Aussicht auf internationale diplomatische und wirtschaftliche Ächtung eine wirkliche Strafe ist.

Zusätzlich haben die USA ihre Nato-Verbündeten mobilisiert, um jede weitere russische Expansion in der Region zu verhindern. Pentagon-Quellen sprechen von mehreren Dutzend Maßnahmen, inklusive Nato-Manövern und US-Besuchen. Die Botschaft ist, dass Putins Aktionen genau das Ergebnis bringen, das er am wenigsten will, nämlich dass Russlands Nachbarn näher an die Nato und die USA rücken.

Diese Kombination aus Sanktionen und Diplomatie half, das vorläufige Atomabkommen mit dem Iran unter Dach und Fach zu bringen. Nun versucht Obama ein ähnliches Manöver.

Übersetzung: Redaktion