Ausstellung beleuchtet Deportationen sowie die ÖBB zwischen 1938 und 1945.
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Wien. Lange Zeit war in diese Richtung nichts möglich - der neue ÖBB-Generaldirektor Christian Kern wollte anlässlich des heurigen 175-Jahrjubiläums der Bahn allerdings nicht nur die Erfolge des Unternehmens feiern, sondern auch eine Auseinandersetzung mit der Geschichte der Bahn in der NS-Zeit. Der Zeithistoriker Oliver Rathkolb wurde mit der Aufarbeitung der Rolle der Bahn unter dem NS-Regime beauftragt. Er ist auch wissenschaftlicher Berater für die Schau "Verdrängte Jahre. Bahn und Nationalsozialismus in Österreich 1938 - 1945", die am 12. Juni in der Eingangshalle des ÖBB-Gebäudes am Praterstern ihre Pforten öffnet.
Ein hölzerner Viehwaggon wird dabei symbolisch für das stehen, was man als Erstes assoziiert, wenn man an die Bahn in der NS-Zeit denkt: die Deportationen. Kuratorin Milli Segal hat darin Fotos montiert, aus dem Off erklingt die Stimme der Schauspielerin Dagmar Schwarz. Sie nennt jeden einzelnen der 97 Transporte mit Datum und Zielort, die jeweils 1000 Menschen in eines der hunderten Konzentrationslager verbrachte. In den KZs wurden rund 65.000 österreichische Juden sowie rund 9400 Roma und Sinti und Tausende aus anderen Gründen Verfolgte ermordet.
"Ohne Bahn kein Holocaust"
"Ohne die logistische Kapazität der Bahn wären der systematische Mord an europäische Jüdinnen und Juden, an Sinti und Roma, die Deportationen von Sloweninnen und Slowenen, von Homosexuellen, Zeuginnen und Zeugen Jehovas und politisch Andersdenkende nicht möglich gewesen", schreibt Kern im Vorwort des Ausstellungskatalogs. Eine Karte zeigt in der Schau denn auch die Dimensionen des Schreckens: Hier wurden alle Züge in den Tod eingezeichnet. Wenn man sich darin vertieft, fällt auf, welch weite Strecken hier teils zurückgelegt wurden - meist eben in Viehwaggons, die somit zum Vorhof der Hölle wurden.
2500 Kinder gerettet
Projektkoordinatorin Traude Kogoj und Kuratorin Segal geht es allerdings um viel mehr. Die Ausstellung der ÖBB kommt zwar viel später als jene der Deutschen Bahn, sie beschränkt sich aber nicht wie diese auf den Aspekt der Vernichtung. Die Wiener Schau beleuchtet die gesamte Rolle der ÖBB, die nach dem "Anschluss" innerhalb weniger Tage in die "Deutsche Reichsbahn" eingegliedert worden war.
Kogoj und Segal erzählen hier auch über die 23 Kindertransporte, die an die 2500 Kinder von Wien aus in Sicherheit brachten, über den Zug als Transportmittel in die Emigration. Sie erzählen vom Widerstand und jenen 150 Bahnmitarbeitern, die hingerichtet wurden. Und sie zeigen den Alltag: Da mussten die Bahnbediensteten einen Eid auf Hitler ablegen und ihnen wurde detailreich beschrieben, wie der Hitlergruß korrekt auszuführen ist. Vermittlungstechnisch zeigen sich die ÖBB hier innovativ: Sieben ÖBB-Lehrlinge haben Zeitzeugen interviewt und historische Orte wie die KZ-Gedenkstätte Mauthausen besucht. Daraus ist eine 45-minütige Filmdokumentationen entstanden, die nun Teil der Schau ist. Die Lehrlinge führen auch durch die Ausstellung, die bis 30. September bei freiem Eintritt geöffnet hat.