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ÖBB bekommen Finanzvorstand

Von Veronika Gasser

Wirtschaft

Die ÖBB sind für Verkehrsminister Reichhold ein "schwerer Sanierungsfall". Die Bilanzen des Ex-ÖBB-Generals Helmut Draxler hätten das "wahre Ausmaß der Finanzkatastrophe in schönster Manier verschleiert". Trotz Personalreduktion seien die Personalkosten exorbitant angewachsen. Der jüngste ÖBB-Lohnabschluss erfreut weder Finanz- noch Verkehrsminister. Aus diesem Grund wird es im kommenden Jahr einen vierten ÖBB-Vorstand geben. Er muss die Finanzen unter seine Fittiche nehmen und die Personalkosten in den Griff bekommen.


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Die ÖBB sind ein Sanierungsfall, der jährliche Zuschussbedarf des Bundes beträgt 3,64 Mrd. Euro. Doch die Sanierung will Reichhold nicht mehr allein dem dreiköpfigen Vorstand zumuten. Somit wurde beschlossen, dass es einen vierten im Bunde geben muss, der "wie der Finanzminister" über das ÖBB-Budget wacht.

Der Minister, nicht generell mit den Leistungen des ÖBB-Generaldirektors Rüdiger vorm Walde unzufrieden, hält diesen aber offensichtlich für überfordert, die ÖBB-Umstrukturierung und Sanierung alleine zu bewältigen. Allein der jüngste Lohnabschluss bewirkte ein Ansteigen der Personalkosten um insgesamt 5%. Die Anrechnung des "Allgemeinen Nebengebührenpauschales" für die Pensionen, deren tatsächliche Kosten noch gar nicht abschätzbar sind, wurde zum Stolperstein. Die Bestellung eines Finanzvostandes sei sicherlich die Konsequenz des Eklats um das Nebengebührenpauschale, bestätigt Reichhold im Interview mit der "Wiener Zeitung". Überhaupt seien die Personalkosten der härteste Brocken bei den ÖBB. Allein im Bereich der Infrastruktur entfielen auf Sachaufwand und Zinsen knapp mehr als 20% der Kosten, der Rest des Geldes geht im Personal auf.

"Durch die jahrzehntelange Kultur des Verschleierns", die vor allem auf das Konto von Ex-General Draxler gehe, sei das wahre Ausmaß des Finanzdebakels erst so spät ans Licht gekommen. Die Kosten für den Verschub wurden beispielsweise der Infrastruktur zugeschoben. So konnte es geschehen, dass der Schuldenberg im Absatzbereich kontinuierlich abgebaut, aber jener der Infrastruktur in ungleich höherem Ausmaß aufgehäuft wurde. Und obwohl Draxler die Zahl der Mitarbeiter in seiner Ära von 65.000 auf 47.000 schrumpfte, seien die Personalkosten im selben Zeitraum um fast 90 Mill. Euro gestiegen. Die notwendigen Ersatzinvestitionen in die Verbesserung des Wagenparks in Höhe von 40 Mill. Euro wurden indes nicht getätigt. Nichts Gutes kann Reichhold am alten Vorstand erkennen: "Das war eine Schmähpartie, die sich abfeiern ließ." Doch nicht nur die Personalkosten, auch die Infrastruktur, vor allem deren ordnungsgemäße Ausführung und Finanzierung, müsse der Finanzvorstand mit Argusaugen beaufsichtigen. Peinlichkeiten wie die derzeit laufende Rechnungshofprüfung des überdimmensionierten Bahnhofs St. Valentin sollen somit verhindert werden. Aufsichtsratspräsident Franz Rottmeyer erarbeite soeben das Anforderungsprofil, die Ausschreibung werde in den nächsten Wochen erfolgen. Finanzminister Karl- Heinz Grasser habe für einen weiteren ÖBB-Vorstandsposten seinen Sanktus gegeben, die restliche Regierung sei informiert, so Reichhold.

Die Suche nach einem neuen Infrastrukturchef geht in die zweite Runde, bis zum Herbst sei mit einer Entscheidung zu rechnen. Inwieweit die Schieneninfrastrukturfinanzierungsgesellschaft (SCHIG), wie kolportiert wird, in Zukunft ebenfalls mehr Kontrollkompetenzen erhalten soll, lässt Reichhold offen. Die Ministeriumsreform ist in der Endphase: "Sie läuft super". Diese Woche beginnen die Ausschreibungen. Für die Leitung der neuen EU-Sektion, den strategischen Kopf des Ministeriums, suche man eine Person mit Erfahrung im Umgang mit den EU-Institutionen. Lobbying werde eine besonders wichtige Rolle spielen. Auch die Kommunikationsabteilung werde komplett neu aufgebaut.

Ob er nach den Wahlen wieder als Verkehrsminister zur Verfügung stehen wird, weiß er nicht: "Vielleicht geh' ich heim zu meinen Hühnern."