Zum Hauptinhalt springen

"ÖBB bilden für Konkurrenz aus"

Von Franz Steinbauer

Wirtschaft
"Das Wichtigste ist, dass wir unser Service verbessern", so Bahn-Boss Kern. Foto: Newald

Der Austausch von Managern war Kern zufolge notwendig. | 1600 Mitarbeiter müssen in Zukunft umgeschult werden. |
§§"Wiener Zeitung": Im Personalbereich scheint der Verschub bei den ÖBB immer rascher zu laufen. Warum wurden in den vergangenen Monaten so viele Manager ausgetauscht? * | Christian Kern: Grundsätzlich heißt Unternehmensführung, dass man die richtigen Ziele verfolgt und effiziente Strukturen hat. Für die Umsetzung wiederum braucht man geeignete Personen.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 13 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Bei der ÖBB-Güterverkehrstochter Rail Cargo Austria (RCA, Anm.) war es einfach so, dass die Ertragsentwicklung derart enttäuschend war, dass es zum Austausch des Managements keine Alternative gab. Denn wir haben ja gesagt: Es ist wichtig, dass die Manager in Zukunft ihre Verantwortung ernst nehmen.

Was bedeutet das konkret?

Mein Verständnis ist, dass die Manager die Verantwortung zu übernehmen haben. Das heißt aber dann auch, dass man sich nicht herausreden kann, wenn es einmal nicht so gut läuft. Bei der RCA war das ganz krass, aber auch beim Personenverkehr stehen wir vor neuen Herausforderungen, etwa auf der Strecke Wien-Salzburg, wo wir in Kürze dem Mitbewerber WESTbahn GmbH von Haselsteiner (Hans Peter; Strabag-Chef und Gründer der WESTbahn, Anm.) und Wehinger (Stefan; WESTbahn-Geschäftsführer, Anm.) gegenüber stehen.

Die private Bahn WESTbahn startet ungefähr zum Jahresende. Was werden Sie machen? Werden Sie als Reaktion eine eigene Tochtergesellschaft für Wien-Salzburg gründen, um flexibler zu sein?

Das Wichtigste ist zunächst einmal, dass wir unser Service verbessern. Wir arbeiten konsequent an wesentlichen Weichenstellungen. Vorrangig ist die Pünktlichkeit der Züge, beim Railjet (Premium-Zug der ÖBB, Anm.) erwarten das die Kunden. Zweitens wollen wir das Zugerlebnis in den Vordergrund stellen. Eine der Maßnahmen, die daraus folgen, ist die Umwandlung der Bistros in Speisewägen. Die organisatorischen Fragen - also etwa Tochtergesellschaft ja oder nein - halte ich im Moment für nicht so wichtig. Denn die WESTbahn fährt zwölf Züge pro Tag, die ÖBB 4.500.

Welche Details können Sie sonst noch zu dem kommenden Match ÖBB-WESTbahn verraten?

Das echte Match findet nicht zwischen Haselsteiner und uns statt, sondern der wirkliche Mitbewerber ist das Auto. Es ist Platz für uns beide, der Vorteil durch das Auftreten der WESTbahn ist, dass allgemein eine Bewusstseinsbildung in Richtung Bahnfahren entsteht. Wir werden sogar für die Bahn-Konkurrenz - also für Herrn Haselsteiner - Lokführer ausbilden. Denn wir wollen uns nicht nachsagen lassen, dass die ÖBB einen Mitbewerber in irgendeiner Form behindern. Davon abgesehen, bin ich der Überzeugung, dass wir mit dem Railjet einfach den besseren Zug haben. Die WESTbahn bietet zwar offiziell alle Sitzplätze als erste Klasse an, aber in Wahrheit wird man dort nur zweite Klasse bekommen.

Wo stehen Sie im Moment bei der Pünktlichkeit und wo wollen Sie hin?

Die ÖBB sind hier heuer auf einem guten Weg. Wir haben durch organisatorische und strukturelle Verbesserungen Woche für Woche mehr Pünktlichkeit erreicht. In der ersten Jännerhälfte waren wir auf Schweizer Niveau. Im Nahverkehr hatten wir 98 Prozent Züge, die ohne Verspätung ankommen, im Fernverkehr 90 Prozent. Aber trotzdem sollte man jetzt noch nicht in Jubelgeschrei ausbrechen.

Es wird offenbar sehr viel über die Bahn geredet. Warum ist die Bahn so ein Zankapfel? Auch in der Koalitionsregierung?

Das müssen Sie unterscheiden. Erstens: Wir haben 450 Millionen Passagiere jedes Jahr. Innerhalb von sechs Tagen transportieren wir so viele Menschen wie die AUA in einem ganzen Jahr. Wir sind wirklich ein Unternehmen, dass viel Kontakt mit der Wirtschaft und der Bevölkerung hat. Jeder bringt da so seine Erfahrungen mit.

Zweitens: Was die politische Seite betrifft, ist das eine inakzeptable Situation. Das Unternehmen wird von der ÖVP permanent durch den Kakao gezogen. Wir werden, wenn man so will, diffamiert und verleumdet. Ich habe noch nie einen Eigentümer gesehen, der sein Eigentum so schändlich behandelt wie einzelne Vertreter der ÖVP.

Wie viele Mitarbeiter sind derzeit im internen Konzernarbeitsmarkt? Wie viel müssen in den kommenden Jahren umgeschult werden?

Das Potenzial beträgt ungefähr 1600 Mitarbeiter. Wir wollen die bestehende Mannschaft besser auslasten. Einzelne Leistungen wollen wir selber machen, statt fremdvergeben. Die Umschulungen werden zum Beispiel in Richtung Postbus-Lenker, Servicemitarbeiter und Technische Services erfolgen. Aber auch im Catering brauchen wir Leute. Derzeit sind ungefähr 600 im Konzernarbeitsmarkt.

Warum beurteilen Sie das Risiko beim Speditionskartell - eine Strafe in Millionenhöhe steht hier im Raum - so niedrig?

Wir haben sowohl eine rechtliche als auch eine wirtschaftliche Expertise, die für uns spricht. Deshalb sehen die ÖBB dem Ausgang des Verfahrens gelassen entgegen.

Sie haben vor vielen Jahren in Ihrer Diplomarbeit geschrieben, nur die Journalisten wären noch wehleidiger als die Politiker. Wie haben Sie das damals gemeint?

Das war vor fast 20 Jahren. Das kurzatmige Verhältnis von Journalismus und Politik war sehr frustrierend. Jörg Haider hat Absurditäten behauptet, die Politik hat sich darauf gestürzt und die Zeitungen unter dem Deckmantel der Ausgewogenheit brav rapportiert. Kritik daran zu üben, war damals nicht möglich.