Transsibirische Eisenbahn auf russischer Breitspur soll von Kosice bis Wien verlängert werden.
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Wien. Von Wien nach Wladiwostok und zurück, direkt, also gut 11.000 Kilometer, ohne Umsteigen, ohne Umladen. Diese Vision wollen die Bahnchefs von Russland, der Ukraine, der Slowakei und Österreichs auf ihre Machbarkeit hin abklopfen. Konkret müsste dazu die russische Breitspurstrecke von Kosice in der Slowakei bis in die Gegend von Wien verlängert werden und auf einem erst zu findenden Gelände bei Wien würde ein Umschlagterminal gebaut. Wo genau, das ist eine der Fragen, die in einer am Freitag von den vier Bahnchefs beschlossenen Machbarkeitsstudie beantwortet werden soll.
Nach vorliegenden Schätzungen sollen die rund 500 Kilometer neuer Breitspurbahn von Kosice nach Wien etwa sechs Milliarden Euro kosten, der Terminal soll auf weitere 800 Millionen Euro kommen. Dort sollen die Frachtcontainer von der 1520-Millimeter-Breitspur auf die europäische 1435-Millimeter-Normalspur umgeschlagen und auf andere europäische Strecken verteilt werden.
Drehscheibe Wien
Warum Wien? Wien bildet - so die ÖBB - den Knotenpunkt von drei wichtigen europäischen Fernverbindungen, die in den Transeuropäischen Netzen (TEN) definiert sind. Es sind dies die Strecken von Athen über Wien nach Nürnberg, von Danzig über Wien nach Triest und von Paris über Wien nach Budapest. Aus Ostasien ankommende Güter sollen per Bahn auf diesen Netzen weiter befördert werden. Diese Güter sollen nicht nur aus Russland, sondern auch aus China nach Westeuropa transportiert werden. Die Transportdauer - auf dem Seeweg derzeit rund 30 Tage - würde sich auf die Hälfte verkürzen. Insgesamt würden mit der durchgehende Breitspurbahn 33 Länder verbunden.
ÖBB-Chef Christian Kern sieht durch das Projekt rund 3000 Arbeitsplätze in Österreich entstehen sowie 120 Millionen Euro jährlicher Wertschöpfung. Dazu käme die Beschäftigung während der Bauzeit. Antwort soll die Machbarkeitsstudie, die europaweit ausgeschrieben wird, auch auf Fragen der Rentabilität geben. Derzeit sind die Frachtraten konjunkturbedingt im Keller, ein Container aus Asien kostet nicht mehr als 700 Euro. Aber auch wenn sich die Frachtraten erholen: Auf der bis Wien verlängerten transsibirischen Eisenbahn würde sich eher der Transport höherwertiger Güter wie zum Beispiel Computer rentieren. Auch teure Rohstoffe aus Mittelasien könnten per Bahn kommen, Massengüter blieben dem Seeweg vorbehalten.
Neuer Anlauf
Die Pläne, die russische Breitspurbahn bis nach Mitteleuropa und in die EU zu verlängern, sind nicht neu. Bereits 2007 unterzeichneten Russland und die Slowakei eine Absichtserklärung, die Breitspur bis Bratislava zu verlängern. Ein Jahr später wurde eine Breitspurplanungsgesellschaft gegründet, der sich neben der russischen und der slowakischen Bahn auch die ukrainische Bahngesellschaft und die ÖBB anschlossen. Zwei Jahre später erschien dann die erste Machbarkeitsstudie von Roland Berger Strategy Consultants. Auf diese Studie gehen auch die Freitag präsentierten Schätzungen zurück, wobei die Kosten noch deutlich niedriger angesetzt waren. Im selben Jahr jedoch hat sich die Slowakei aus dem Projekt zurückgezogen.
Der nächste Anlauf wurde dann 2011 genommen, und zwar anlässlich eines Staatsbesuches von Bundespräsident Heinz Fischer in Russland. Verkehrsministerin Bures unterzeichnete mit den Russen einen sogenannt Zwischenvertrag zu diesem Projekt. Inzwischen konnten auch wieder die Ukraine und die Slowakei mit in den Zug geholt werden.
Diese erste grobe strategische Studie von Roland Berger ist die Basis für die neue Machbarkeitsstudie, die dann zu Bauplanungen führen soll. Wenn alles schnell geht, könnten die Bauarbeiten 2015 beginnen und 2025 oder 2030 beendet sein.