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Gratisfahren für Bahnmitarbeiter war vor Reform 2005 rechtlich in Ordnung. | Pöchhacker fordert höheren Beitrag privater Bahnen für Infrastruktur. | "Wiener Zeitung": Sie haben kürzlich zum Mitarbeiterabbau bei der Bahn gesagt, dass es in einigen Jahren rund 5000 Beschäftigte weniger sein werden, also nur mehr rund 38.000 ÖBB-Mitarbeiter. War die Zahl so gemeint, dass das schon der Endwert aus Zu- und Abgängen ist? | Horst Pöchhacker: Im Prinzip hat die Bahn pro Jahr ein Potenzial von 1500 bis 2000 Abgängen, und die angestrebte Personalreduktion liegt in Summe ungefähr bei den 5000.
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Insofern ist das, wenn man den natürlichen Abgang nicht vollständig ersetzt, in einigen Jahren ohne große Belastungen der ÖBB-Mannschaft möglich. Wenn man zum Beispiel in fünf Jahren pro Jahr 1000 verliert, geht sich das aus. Aber es hängt natürlich auch von der Konjunktur ab: Wenn sich die Wirtschaftslage bessert, braucht man in Zukunft vielleicht mehr Mitarbeiter. Auf jeden Fall gibt es keinen Aufnahmestopp bei der Bahn. Der Sinn des Ganzen besteht darin, dass man die Abläufe bei der Bahn vereinfacht. Es ist kein Spiel mit Personen.
Die Deutsche Bahn hat derzeit einen Mitarbeiterstand von rund 250.000, wobei Deutschland von der Bevölkerung her 10 Mal so groß ist wie Österreich. Müsste man insofern nicht erwarten, dass die ÖBB als Zielgröße 25.000 Beschäftigte anpeilt?
Das ist zu simpel, das sage ich Ihnen gleich. Da muss man die Anzahl der Stationen und die Streckenkilometer nehmen und diese Werte dann vergleichen. Den Faktor 10 gibt es hier nicht. Zudem haben wir eine starke Güterverkehrstochter, die viel mit Südosteuropa macht. Die schon erwähnten 38.000 Beschäftigten werden wir jedenfalls brauchen.
Die Bahn will einen neuen internen Arbeitsmarkt innerhalb des Konzerns schaffen. Damit soll ermöglicht werden, dass drei Viertel der offenen Jobs intern und nur ein viertel extern besetzt wird.
Das kann man nicht auf lauter solche Formeln reduzieren, das ist ja fließend. Aber die Überlegung ist: Wir haben einen Boom in der Infrastruktur mit den meisten Investitionen seit Jahrzehnten. Man kann Mitarbeiter, die in anderen Bereichen frei werden, in der Infrastruktur-Tochter einsetzen, wo Züge Baumaterial befördern oder Langsamfahrstellen saniert werden.
Die rumänische Staatsbahn soll wieder zu haben sein. Was halten Sie generell von den Auslandsengagements der Bahn?
Das Management muss entscheiden, ob es etwas zukaufen will. Rumänien als Markt ist durchaus interessant. Es steht nirgends geschrieben, dass man jetzt etwas zukauft. Also es ist nichts beschlossen.
Manche werden sagen, dass man sich jetzt in der Krise stärker auf Österreich konzentrieren soll.
Das ist überhaupt nicht der Fall. Die Auslandsexpansion ist seit langem im Gange, gerade die Cargo (Rail Cargo Austria, Anm.) war da sehr erfolgreich. Auch der Personenverkehr ist im Ausland tätig. Ich denke etwa an den Railjet in der Schweiz oder an das Gemeinschaftsprojekt mit der Deutschen Bahn in Oberitalien und am Brenner. Die Teilnahme am Wettbewerb in den angrenzenden Ländern ist auch eine Antwort darauf, dass im Inland mehr Konkurrenz durch neue Mitbewerber entsteht. Wenn wir uns auf Österreich allein konzentrieren und plötzlich starke Ausländer hereinkommen, dann haben wir weniger Geschäft. Das kann es nicht sein. Außerdem kann die Krise auch eine Chance sein, zu einem günstigeren Preis einzusteigen.
Zum sogenannten Steuerproblem der Bahn mit den Freifahrten für Beschäftigte und Angehörige: Ist hier eine Lösung in Sicht, so dass keine Steuer abgeführt werden muss?
Das Ganze ist ja ein Problem Republik-Republik und deshalb nur halb so aufregend. Wenn die Republik hier glaubt, Steuern eintreiben zu müssen, dann nimmt sie bei der Bahn was weg, aber das Geld hat am Schluss dieselbe Republik. Das ist ja kein Verlust für die Republik, also hier gehe ich von einer guten Einigung zwischen Verkehrsministerium und Finanzministerium aus. Die Sache ist hochgespielt worden. In diesem Fall von Herrn Lopatka (Reinhold Lopatka, Finanzstaatssekretär, Anm.). Indem man simuliert: Wenn die Bahnbeschäftigten nicht fahren würden, dann gäbe es mehr neue zahlende Kunden. Dabei sitzen die ÖBBler in der Regel auf sonst leeren Plätzen. Die Züge sind ja nicht alle voll. Das heißt, die Bahn verliert aus dem Titel überhaupt kein Geld. Die Debatte ist ja nur wegen der Reform 2005 entstanden: Nachdem man die Bahn in viele Betriebe zerteilt und zerschlagen hat, sagt jetzt das Finanzamt, dass gewisse ÖBB-Gesellschaften keine Verkehrsunternehmen sind. Dabei hat sich in Summe nicht geändert, es ist nur anders eingeteilt.
Zur Datenaffäre aus dem Jahr 2009: Wird es noch einen Endbericht geben?
Das ist hundert Mal begutachtet und endlos hochgespielt worden. Da hat es überhaupt nichts Menschenverachtendes gegeben. Die paar Datenschutzverstöße, die da waren, die aber überhaupt keine Brisanz hatten, die sind längst bereinigt. Und es redet eh kein Mensch mehr darüber. Auf jeden Fall ist die Sache damals nicht zufällig hochgespielt worden. Prinzipiell ist das ein Zustand gewesen, von dem alle gewusst haben: alle Gewerkschafter, alle Betriebsräte, alle Manager. Das ist ja seit Anfang 2000 so gewesen. Und dass das Management die Pflicht hat, überproportionale Krankenstände zu verfolgen, ist auch unbestritten. Also die Affäre noch einmal hochzuspielen bringt nichts. Es gibt eben Leute, die Skandale brauchen und dann solche erzeugen. Diese Sache ist erledigt. Zudem war es ja gar kein Skandal, es war ein ganz normaler Vorgang, bei dem es im Datenschutz, der ja sehr weitgehend ist, gewisse Unschärfen gibt. Es gibt nichts mehr dazu zu sagen.
Und wer hat die Sache Ihrer Meinung nach hochgespielt?
Ich weiß, wer es war. Aber es bringt nichts, wenn die Namen in der Zeitung stehen.
Ein anderes Thema: Wann beginnt der Schuldenabbau der Bahn?
Die Darstellung etwa von Frau Moser (Gabriela Moser, Verkehrssprecherin der Grünen, Anm.), bei der Bahn handle es sich um ein Fass ohne Boden, ist falsch. Die Bahn wird nicht an ihren Schulden ersticken. Im Gegenteil: Die Refinanzierung der Infrastruktur ist durch Vereinbarungen zwischen ÖBB und Republik gesichert.
Was heißt das genau?
Der Peak des Schuldenaufbaus war ursprünglich für ungefähr 2020 vorgesehen, durch die Krise verschiebt sich das, aber wenn die Konjunktur wieder dauerhaft anspringt, kann geht die Reise wieder in die andere Richtung. Das sind immer nur Momentaufnahmen, die stark von der aktuellen Wirtschaftslage abhängig sind. Überhaupt sollte eher von Investitionen gesprochen werden, anstatt sich an der Schuldenthematik festzubeißen. Das heißt, für die ganze Volkswirtschaft sind die ÖBB und die Asfinag unabdingbar. Die Infrastrukturinvestitionen müssen gemacht werden, sonst sind wir gegenüber anderen Ländern nicht wettbewerbsfähig. Und der Staat, der hier investiert, hat zweimal einen Return. Das erste Mal einen Return aus der Bahn, wenn die dann nachhaltig Gewinne abwirft, aber auch einen Return aus jenen Branchen, die von der Infrastruktur profitieren.
Man hört, dass manche im Bahnbereich mit den Bilanzierungsregeln nach IFRS nicht ganz glücklich sein sollen.
Die Belastungen in der total verhagelten Bilanz 2008 waren die Spekulationen aus 2005/2006, die wir jetzt bereinigt haben. Zudem gab es noch die Rückstellungen, die die Impairments, also die IFRS-Spielregeln, verursachen. Wobei IFRS ein bisschen problematisch ist, dem alten UGB und HGB (Die Bilanzbewertungen erfolgen nach den Anschaffungskosten, nicht nach dem Zeitwert wie bei IFRS, Anm.) weinen wir durchaus nach, denn das war viel mehr auf Nachhaltigkeit aufgebaut. Die ganze geplatzte Immobilienblase war ja IFRS-getrieben, denn in dem Maße, wie man kurzfristig enorm aufwerten konnte, gab es anschließend den Gegenpart, dass man enorm abwerten musste. Weil man dann davon ausging, dass sich die hohen Investitionen nicht mehr rechnen. Wenn man immer nur auf die Quartalsergebnisse schielt, geht man ein hohes Risiko ein.
Wie meinen Sie das?
Diese Exzesse an der Börse, die hatten viel damit zu tun, dass die Nachhaltigkeit eigentlich mit Füßen getreten wurde. Es gibt ja in einem gewissen Sinn kein nachhaltigeres Unternehmen als die ÖBB, die ihre Infrastruktur bilanziell auf Jahrzehnte abschreiben muss. Was mir wichtig ist: Wir müssen die Sondereinflüsse stark von der betrieblichen Entwicklung trennen. Der Personenverkehr macht trotz Krise Gewinne. Die Cargo zwar Verluste, aber die sind im Vergleich zu Mitbewerbern gering. Der Güterverkehr hat von 500 Millionen Euro Umsatzeinbruch 400 Millionen Euro durch Umschichtungen und Einsparungen kompensiert. Wir haben mit der Rail Cargo Austria eine der besten Güterbahnen in Europa.
In Zukunft werden Privatbahnen den ÖBB viel mehr Konkurrenz machen als bisher. Was für ein Szenario erwarten Sie hier?
Die Konkurrenz ist gar nicht in Frage zu stellen, die ist sinnvoll. Eigenartig erscheint, dass die Privaten sich die Rosinen herauspicken. Der Herr Wehinger (Stefan Wehinger, Chef des Unternehmens Westbahn, Anm.) zum Beispiel wird nur zwischen Wien und Salzburg fahren. Die ÖBB wiederum dürfen auch die Peripherie und die Fläche bedienen. Das heißt, dass man das in Zukunft über das Infrastrukturbenutzungsentgelt steuern müsste. Wenn einer dort, wo es Geschäft gibt, was macht, muss er mehr zahlen als in dem anderen Fall, wo er in der Peripherie fährt, die ja nicht vernachlässigt werden darf. Ich glaube, das Wichtigste ist, dass man zwischen den Privaten und dem Ex-Monopol einen Ausgleich findet. Nämlich so, dass nicht die einen die Rosinen picken und die ÖBB alles nicht Lukrative machen müssen.
Das hieße, dass das Infrastrukturbenutzungsentgelt differenzierter gestaltet werden müsste?
Ja, genau.
Bei den Bonuszahlungen der Bahnführungskräfte kam vor einiger Zeit die Idee auf, der eine oder andere Manager könnte auf seine Boni aus dem Jahr 2008 verzichten. Was ist daraus geworden?
Ja, bei Klugar (Bahn-Chef Peter Klugar, Anm.) war das der Fall.
Bei anderen auch?
Es waren mehrere Manager, die freiwillig verzichtet haben.
Zur PersonHorst Pöchhacker wurde im Mai 2007 vom damaligen Infrastrukturminister Werner Faymann zum Aufsichtsratspräsident der Österreichischen Bundesbahnen (ÖBB) bestellt. Um die Abstimmung der Bahn mit der Autobahnfinanzierungsgesellschaft Asfinag zu verbessern, zog der langjährige Baumanager auch als Vize-Präsident in den Asfinag-Aufsichtsrat ein. Zuvor hatte er seinen Chefposten beim heimischen Bauunternehmen Porr zurückgelegt. Pochhacker (Jahrgang 1938) maturierte 1956 und trat nach einem Studium an der TU Wien bei Porr als Bauleiter ein. Der Wiener war von seit 1976 im Vorstand und seit 1982 Generaldirektor von Porr. Unter seiner Ägide entwickelte sich das Unternehmen rasant und hatte bei seinem Abschied 11.000 Mitarbeiter. Von 1992 bis 2007 fungierte Pöchhacker zudem als Präsident der VIBÖ (Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen Österreichs).