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Obergrenze in Ungarns Hand

Von Marina Delcheva

Politik

Je nach Ungarns Vorgehen in Asylfrage, erreicht Österreich Obergrenze früher, später oder gar nicht.


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Wien/Budapest. Es ist mehr eine gegenseitige Abhängigkeit, denn herzliche Freundschaft, diese neue österreich-ungarische Beziehung, die Kanzler Christian Kern und der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban am Dienstag in Budapest besiegelt haben. Kern traf Orban bei seinem Antrittsbesuch in Ungarn, um den gemeinsamen Grenzschutz an der serbisch-ungarischen Grenze zu beschließen. Und um sich eine scharf formulierte Abfuhr beim Thema Rückführungen von sogenannten Dublin-Fällen zu holen.

Es ist ein komplizierte, aber in der Flüchtlingsfrage für beide Seiten sehr wichtige Beziehung. Denn mit Ungarns Vorgehen in der Flüchtlingsfrage steht und fällt die in Österreich beschlossene Obergrenze von 37.500 Flüchtlinge, die heuer in Österreich einen Asylantrag stellen dürfen. Oder genauer: Je nachdem, wie gut Ungarn seine EU-Außengrenzen sichert und Flüchtlinge zurücknimmt, wird die Obergrenze heuer eben früher, später oder gar nicht erreicht. Aber der Reihe nach.

9000 Dublin-Fälle in Österreich

Derzeit sind in Österreich laut Innenministerium (BMI) 22.000 Menschen zum Asylverfahren zugelassen. Die Obergrenze wird an der Zahl der zugelassenen Verfahren gemessen. Hinzu kommen allerdings derzeit 9000 sogenannte Dublin-Fälle. Also Schutzsuchende, die in Österreich einen Antrag auf Asyl gestellt haben, die aber schon in einem anderen EU-Land behördlich registriert wurden. Gemäß der EU-Verordnung Dublin III ist eigentlich jenes EU-Land für den Asylantrag zuständig, das ein Schutzsuchender erstmals betreten hat.

6000 dieser Dublin-Fällen werden Ungarn zugerechnet. 3000 von ihnen wurden ausschließlich in Ungarn registriert, der Rest wurde zusätzlich in anderen EU-Ländern wie etwa Griechenland oder Bulgarien behördlich erfasst. Ungarn weigert sich aber, diese Menschen zurückzunehmen. Und ein Umschwenken ist nach Orbans mehr als deutlichen Worten nicht zu erwarten: "Ungarn brauch keinen einzigen Migranten. Migranten sind eine Terrorgefahr. Sie sind kein Geschenk, sondern Gift", wetterte er bei der gemeinsamen Pressekonferenz in Budapest.

Derzeit sind die Dublin-Fälle nicht in der Verfahrensstatistik erfasst, weil ja eigentlich ein anderes Land für sie zuständig ist. Nach sechs Monaten im Land haben die Asylwerber allerdings automatisch Anrecht auf ein Asylverfahren hier.

Und nachdem sich Ungarn weiterhin weigert, Flüchtlinge zurückzunehmen, werden sie nach und nach der Asylverfahrensstatistik zugerechnet, je nachdem, wann genau sie in Österreich angekommen sind. Nichts desto weniger zeigt Ungarns Grenzzaun Wirkung. Die Ankünfte sind heuer deutlich zurückgegangen. Über Ungarn kommen derzeit wöchentlich nicht mehr als 200 Menschen nach Österreich.

Notverordnung in Arbeit

Das Innenressort will bald einen Entwurf für die sogenannte Notstands-Verordnung vorlegen. Zur Erinnerung: Diese soll erlauben, keine Asylanträge nach Erreichen der Obergrenze anzunehmen und Flüchtlinge direkt an der Grenze abzuweisen. Für eine Notstandsverordnung muss allerdings zunächst ein Notstand herrschen, etwa auf dem Arbeitsmarkt, im Integrations- oder Bildungsbereich.

Dem Vernehmen nach haben die betroffenen Ministerien und einige Länder mittlerweile entsprechende Stellungnahmen an das BMI übergeben. Das Justizministerium hat etwa Daten zur Haft- und Deliktsentwicklung vorgelegt, wie aus dem Büro von Justizminister Wolfgang Brandstetter zu hören ist. Das Sozialministerium soll Daten zur Arbeitsmarktintegration von Flüchtlingen liefern. Diese umfassende Darstellung der Situation dient als Grundlage für die Notverordnung, die nach der Begutachtung dann dem Ministerrat und dem Parlament zur Abstimmung vorgelegt wird.

Innenminister Wolfgang Sobotka will die Verordnung lieber früher als später umsetzen. Bundeskanzler Kern wiederum will "keinen Notstand konstruieren" wo keiner sei. Der Verordnungs-Entwurf müsse jedenfalls mit dem geltenden EU-Recht konform sein. Sollte die Verordnung zudem vor der erneuten Präsidentschaftswahl am 2. Oktober erlassen werden, könnte das dem FPÖ-Kandidaten Norbert Hofer in die Finger spielen.

Die Frage, die weiterhin offen bleibt, ist, was nach dem Erreichen der Obergrenze und dem damit erreichten Notstand passiert. Österreichs Nachbarstaaten, allen voran Ungarn, werden sich vermutlich weiterhin weigern, Flüchtlinge zurückzunehmen, deren Zielland auch eigentlich Österreich oder Deutschland war. Wenn Schutzsuchende wiederum von heimischen Behörden, wie im neuen Asylgesetz geplant, an der Grenze abgewiesen oder zur Grenze gebracht werden, könnten improvisierte Lager im Niemandsland entstehen, wie es sie im griechischen Idomeni oder nahe dem serbischen Subotica derzeit gibt. Anderseits hat auch Ungarn kein Interesse daran, dass Österreich die Grenze schließt und es dort zu einem Rückstau kommt.