SPÖ-Landesrätin Gerstorfer dämpft Erwartungen in bundesweitem Schulversuch der türkis-grünen Bundesregierung.
Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 4 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.
Wegen der laut Studie drohenden Lücke von rund 75.000 Pflegekräften bis 2030 werden jetzt in ganz Österreich von der türkis-grünen Bundesregierung Anstrengungen unternommen, mehr Menschen für den Pflegeberuf zu gewinnen. In Oberösterreich, dem Heimatbundesland von Sozial- und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne), sind die Bemühungen von Soziallandesrätin Birgit Gerstorfer (SPÖ) um mehr Pflegepersonal schon längst im Laufen.
Oberösterreich setzt dabei, wie Gerstorfer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" erläutert, auf verschiedene Maßnahmen, um die Ausbildung des Nachwuchses im Pflegebereich für Interessierte attraktiver zu gestalten. Besonders will man dabei auch Frauen in Teilzeitbeschäftigung sowie Zielgruppen mit Migrationshintergrund ansprechen.
Deswegen wurde die Ausbildung von Pflegekräften in Oberösterreich auch wesentlich flexibler gestaltet. Sozialminister Anschober hat selbst die Aktivitäten von Landesrätin Gerstorfer in der Vorwoche rund um den Beschluss des neuen Schulversuchs für Pflege, der eine fünfjährige Ausbildung mit Maturaabschluss ab September dieses Jahres ermöglicht, lobend hervorgehoben.
Flexiblere Dauer der Ausbildung - auch mit Blick auf Teilzeit
Konkret wurde in Oberösterreich die Ausbildung im Pflegebereich so umgestaltet, dass statt der vorgesehenen vier Semester das Fach Altenarbeit notfalls auch nach zwei Semestern vorzeitig beendet werden kann. "Wenn jemand nach einem Jahr aussteigt, ist die Ausbildung nicht umsonst", erläutert die Soziallandesrätin. Denn mit zwei Semestern haben Betroffene immerhin die Ausbildung zur Pflegeassistentin in der Tasche. Damit hofft das Land, den Nachwuchs zumindest im Pflegebereich zu halten. Eines der Hauptprobleme ist, dass (teilweise) ausgebildete Pflegekräfte für den Beruf rasch wieder verloren gehen, weil andere Berufsfelder für diesen Personenkreis attraktiver erscheinen.
Eine weitere Maßnahme für eine flexiblere Gestaltung der Pflegeausbildung zielt darauf ab, diese auf 18 Monate zu komprimieren. Das ist ein Zeitraum, in dem die Pflegeausbildung noch zu schaffen ist. Umgekehrt gibt es die Möglichkeit, die Ausbildung auf zweieinhalb Jahre auszudehnen. Mit dieser Variante möchte man insbesondere Teilzeitbeschäftigte, in erster Linie sind das Frauen und Mütter, ansprechen, die aufgrund ihrer privaten Umstände etwas länger Zeit für die Ausbildung brauchen.
Auch damit soll verhindert werden, dass Interessierte vorzeitig für den Pflegeberuf verloren gehen. Weiters werden Migrantinnen und Migranten als spezielle Zielgruppe angesprochen. Für diese gibt es ein besonderes Angebot, damit die Kenntnisse von Begriffen im Fachdeutsch in der Pflege leichter und schneller erlernt werden können und somit ausländische Zuwanderer nach Österreich nicht vorzeitig vom Pflegeberuf durch die Sprachhürde abgeschreckt werden.
Schließlich gibt es in Zusammenarbeit mit den Bezirkshauptmannschaften und den Magistraten in den Städten ein spezielles Angebot zur Kombination von Ausbildung und Anstellung im Pflegesektor im Ausmaß von 20 Stunden pro Woche. Diese werden auf jeweils zehn Stunden Schule und Berufstätigkeit aufgeteilt.
In Oberösterreich wurde im November 2018 auch ein Pilotprojekt "Junge Pflege" in Linz gestartet. Ziel dieses Pilotlehrganges war, die Kluft zwischen dem 15. und dem 17. Lebensjahr, ab dem Jugendliche in Ausbildung auch im Pflegebereich tätig werden dürfen, zu überbrücken. Denn sonst orientieren sich Jugendliche nach dem Abschluss der Pflichtschule in andere berufliche Richtungen und gehen damit im Regelfall für Pflegeberufe verloren. 16 Jugendliche haben den Pilotlehrgang begonnen, zwölf haben in der Zwischenzeit ein Zeugnis erhalten. Zwei weitere Lehrgänge "Junge Pflege" in Ried im Innkreis sowie in Linz sind im Herbst des vergangenen Jahres angelaufen.
"150 sind ein Tropferlauf den heißen Stein"
Gerstorfer begrüßt grundsätzlich, dass unter dem neuen Sozialminister Anschober ein Schulversuch ab dem heurigen September für Pflege beginnen wird. Damit sollen 120 bis 150 Jugendliche bundesweit für die Pflege gewonnen werden. "150 für ganz Österreich sind ein Tropferl auf den heißen Stein", gibt allerdings die SPÖ-Soziallandesrätin zu bedenken. Dem steht gegenüber, dass allein in Oberösterreich bis 2025 insgesamt umgerechnet 1600 Vollzeitkräfte für Pflege zusätzlich gebraucht werden. Das wären rund 2500 Personen, die die Pflegeausbildung beginnen. Denn ein Teil davon will nur Teilzeit arbeiten, der andere bricht die Ausbildung ab.
Darüber hinaus warnt Gerstorfer vor zu hoch gesteckten Erwartungen in eine Pflegeausbildung, die mit der Matura abgeschlossen wird. Es sei "zu befürchten", dass es zu einer ähnlichen Situation wie bei den Kindergartenpädagoginnen komme. Viele würden nach der Matura nicht in den Pflegeberuf gehen, sondern ein Studium an der Universität anschließen. Im Bildungsministerium ist die Ausschreibung für den neuen Schulversuch Pflege angelaufen, damit rasch die Schulstandorte für dieses Projekt gefunden werden.