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O’Donnell, Kirchenmaus auf Senatskurs

Von Alexander U. Mathé

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Christine O’Donnell. Foto: ap

Christine O’Donnell kandidiert bei den republikanischen Vorwahlen zum Senatssitz des US-Bundesstaates Delaware. Hinter ihr steht die Tea-Party-Bewegung.


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Christine O’Donnell fehlt es seit jeher an Geld. In Armut geboren, hat sie sich stets bemüht, trotzdem erfolgreich zu sein. Nun will sie Senatorin des US-Bundesstaates Delaware werden. Das ist nicht irgendein Sitz, sondern der, den Joe Biden viele Jahre lang innehatte, bevor er Vizepräsident wurde. Bei den letzten Wahlen unterlegen, hat die 41-Jährige diesmal gute Chancen.

Bei den republikanischen Vorwahlen in zwei Wochen genießt sie den Rückhalt der radikal-konservativen Tea-Party-Bewegung, mit deren Unterstützung schon andere Kandidaten überraschend ihre eingesessenen Rivalen ausgestochen haben. Die überzeugte Katholikin hat klare Positionen: Gegen Abtreibung, gegen außerehelichen Sex, gegen Pornografie - allerdings auch für Waffen und Militär. Ihr ärmlicher Hintergrund macht sie für krisengebeutelte Amerikaner besonders glaubhaft.

Von Geburt an waren Geldsorgen der stete Begleiter von Christine O’Donnell. Sie ist eines von sechs Kindern eines irischstämmigen Amerikaners und einer italienischstämmigen Mutter in New Jersey. Als ob es gestern gewesen wäre, erinnert sich O’Donnell heute, wie sie sich ein Zimmer mit ihren vier Schwestern geteilt hat, während ihr Vater drei Jobs gleichzeitig verrichtete, um die Familie durchzubringen. "Das Leben kann hart sein, aber harte Arbeit macht das Leben besser", hat dieser sie schon als Mädchen gelehrt.

Später studierte sie Englisch und Kommunikationswissenschaft an der Fairleigh Dickinson University. Hier machten sich ihre Geldnöte wieder bemerkbar. Obwohl sie alle Prüfungen erfolgreich abgelegt hatte, blieb ihr der Abschluss des Studiums verwehrt: Weil sie die Restsumme über 5000 Dollar ihres Bildungskredits nicht zurückzahlen konnte, verweigerte ihr die Universität den akademischen Titel. Erst Jahre später beglich sie ihre Schulden.

Nach dem Studium ging sie als Beraterin für die republikanische Bundespartei nach Washington. 2003 übersiedelte O’Donnell nach Delaware, wo sie für den konservativen Verlag Intercollegiate Studies Institute arbeitete. Sie wurde gefeuert, nachdem sie eine Klage wegen Diskriminierung am Arbeitsplatz eingebracht hatte. Sie zog deswegen vor Gericht, musste aber nach Jahren des Streits aufgeben: Sie konnte sich den Anwalt nicht mehr leisten.

Heute hängen ihr Schulden und ausständige Steuerzahlungen vom letzten Wahlkampf nach. Durch diese kam sie auch in Verzug mit der Rückzahlung ihres Wohnkredits. Die Pfändung ihres Hauses konnte sie in letzter Sekunde durch den Verkauf an einen Freund verhindern. Ihr Konkurrent um die republikanische Kandidatur, Michael Castle, legt ihr das als Unfähigkeit zu wirtschaften aus. Sie hingegen betont, dass sie schon von Kindesbeinen an gelernt habe, "das Meiste aus jedem Dollar zu machen".

Dieses Wissen hat sie auch nötig, denn während sich in ihrer Wahlkampf-Kassa derzeit gerade einmal 70.000 Dollar befinden, verfügt Castle über gut zweieinhalb Millionen. Und tatsächlich: In Umfragen sind die beiden gleichauf. Gewinnt O’Donnell, hat sie beste Aussichten, Senatorin zu werden, denn alle Umfragen rechnen mit einem republikanischen Sieg bei den Senatswahlen im November. Dann könnten die Tage ihrer Geldnot endlich zu Ende sein.