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OECD bekämpft Steuerdumping

Von Hermann Sileitsch

Wirtschaft

"Völlig antiquierte Regeln": Konzerne reduzieren Steuerlast bis auf fünf Prozent.


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Paris/Wien. Legal, aber unfair: So resümiert die Industriestaatenorganisation OECD jene trickreichen Manöver, mit denen multinational agierende Konzerne ihre Steuerlast auf ein Minimum reduzieren. Während kleinere Unternehmen in ihrem Heimatland bis zu 30 Prozent Steuern bezahlen, könnten globale Player dank vieler Lücken und Nischen die Belastung bis auf 5 Prozent drücken. Das ergibt eine OECD-Studie, die für den nahenden Gipfel der 20 größten Wirtschaftsmächte (G20) beauftragt wurde.

"Diese Strategien mögen zwar im technischen Sinne gesetzeskonform sein. Sie lassen aber die Steuerbasis vieler Länder erodieren und gefährden die Stabilität des internationalen Steuersystems", sagte OECD-Generalsekretär Angel Gurría. "Solange die Regierungen und ihre Bürger kämpfen müssen, um über die Runden zu kommen, ist es entscheidend, dass alle Steuerzahler - Private und Unternehmen - einen fairen Beitrag leisten und auf ein transparentes internationales Steuersystem vertrauen können."

Immer aggressivere Praxis

Einige der Regeln, die eine Mehrfachbesteuerung verhindern sollen, führten dazu, dass oft gar keine Steuern bezahlt würden. Die internationale Steuerarchitektur sei völlig antiquiert, sagte OECD-Direktor Pascal Saint Amans zu Journalisten. Die Leitlinien gingen teils auf das Jahr 1920 zurück und seien völlig ungeeignet für das Zeitalter der Globalisierung und des Online-Handels. Die OECD urgiert bessere internationale Kooperation und will die Regeln auf aktuellen Stand heben.

Im letzten Jahrzehnt sei die Steuervermeidungspraxis nämlich immer aggressiver geworden, stellt die OECD fest. Ein durchaus gängiges Prozedere: Unternehmen gründen Firmenableger an unterschiedlichen Destinationen und verrechnen mit diesen hohe Transferpreise für Dienstleistungen. Oder aber sie lassen sich Urheberrechte - wie die Nutzung von Slogans oder Logos - vergüten, um ihre Gewinne dorthin zu transportieren, wo sie möglichst wenig Steuer zahlen müssen.

Die OECD kritisiert, dass dadurch die Bürger stärker zur Kasse gebeten werden. Ungerecht sei diese legale Steuerflucht zudem gegenüber kleinen, nur in ihrem Heimatland agierenden Unternehmen, welchen unter eklatanten Wettbewerbsnachteilen leiden.

Politische Doppelmoral

Reagieren die Großkonzerne mit ihrer Fluchtstrategie womöglich nur auf eine immer stärkere steuerliche Belastung? Die OECD-Daten zeigen das Gegenteil: Die nominellen Steuersätze auf Unternehmensgewinne seien von 32,6 Prozent (2000) auf 25,4 Prozent (2011) gesenkt worden.

Zuletzt waren in Großbritannien Unternehmen wie Starbucks, Apple, Google und Amazon unter Beschuss geraten, kaum Steuern zu bezahlen. Die vier großen Steuerberater Deloitte, PricewaterhouseCoopers, KPMG und Ernst & Young mussten sich auf Drängen britischer Parlamentarier für etwas rechtfertigen, was an sich zu ihrer Kernkompetenz zählt: im Auftrag von Klienten die Steuerbelastung zu minimieren. Somit offenbart die politische Empörung ein gehöriges Maß Doppelmoral: Schließlich ist es ein beliebtes Mittel der Standortpolitik, Konzerne mit günstigen Steuerkonditionen zu ködern. Das hat auch Großbritannien so praktiziert - was David Cameron aber nicht hindert, den Kampf gegen Steuerflucht und Steuerhinterziehung zum Schwerpunkt der diesjährigen britischen G8-Präsidentschaft zu erklären.

Auch Österreich räumt multinationalen Konzernen steuerliche Optimierungsmöglichkeiten ein, um für Headquarters attraktiver zu werden ("Gruppenbesteuerung"). Das ist wohl einer der Gründe, warum die Einnahmen aus Unternehmenssteuern gemessen an der Wirtschaftsleistung deutlich unter dem OECD-Durchschnitt liegen (siehe Grafik).