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Das Experiment läuft seit etwas mehr als einer Woche. Knapp vor Sendestart des seit 1. Februar ganztägigen "FM4"-Radios meinte dessen Chefin Monika Eigensperger, dass man bald sehen werde,
ob die Blue-Danube-Hörer, die auf dieser Frequenz zuvor heimisch waren, "so open minded sind, dass ihnen FM4 auch musikalisch taugt". Statt dem IQ wird bei diesem Test also der OM-
Quotient ermittelt, der musikalische Öffnungsgrad des Stammhörerhirns. Ich fürchte, meiner ist niedrig. Gerade vormittags, wo meine Öffnungsbereitschaft am größten wäre, bin ich schon nach kurzer
Hördauer shut minded, vulgo: wie vernagelt. Dabei taugte mir manches sogar: gestern etwa hörte ich die Smashing Pumpkins oder Travis, auch die Stimmen der
altbewährten BDR-Moderatoren wie Stuart Freeman oder Hal Rock (die sogar ihre martialische Ankündigung als Boxer in Ringecken mit einem blauen Auge überstehen) machen mich öffnungsgewogen, aber dann
hämmern mich sogleich wieder Hip-Hop-Gangs, die marodierend durch den Vormittag ziehen, gnadenlos nieder.
Persönliche Ermittlungen haben ergeben, dass im Schnitt jede dritte Scheibe vormittags Hip-Hop oder Techno ist · also jener Stakkato-Rhythmus, der im Zentralnervensystem sofort Alarm auslöst. Eine
Erregung, die ich um diese Tageszeit alles andere als brauchen kann. Es sind die Stalin-Orgeln der Popmusik. Mit diesem akustischen Sperrfeuer betreibt der ORF eine Hörer-Vertreibungspolitik, die ich
beim besten Willen nicht verstehen kann. Aber wahrscheinlich bin ich dafür zu wenig "open minded". Aber wer für alles offen ist, ist sowieso nicht ganz dicht.