Was ist am Unabhängigkeitsplatz wirklich geschehen? Ina Kirsch über die vielen Fehler, die zu der schweren Ukraine-Krise führten.
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"Wiener Zeitung": Frau Kirsch, wie konnte es dazu kommen, dass der Streit um ein Assoziierungsabkommen zwischen der Ukraine und der Europäischen Union zu einem brandgefährlichen Ost-West-Konflikt führte, der in der Ostukraine immer noch Tote fordert?<p>Ina Kirsch: Da muss man an den Anfang zurückgehen. Im Jahr 2007, als Julia Timoschenko Premierministerin wurde, hatten die EU und die Ukraine ein Partnerschaftsabkommen unterzeichnet. Timoschenko wollte damals gleich den Antrag auf einen EU-Beitritt stellen. In Brüssel war man nicht begeistert. Man wollte keine neuen Beitritte. Irgendwas wollte die EU der Ukraine dann aber doch anbieten - daraus ist die Idee der Assoziierung entstanden, als eine Art Vorstufe zu einem EU-Beitritt ohne vollzogenen Beitritt. Es war ein Kompromiss zwischen den Bedenken der europäischen Bevölkerungen gegenüber weiteren Beitrittsrunden und dem Willen, den Nachbarschaftsländern, die das möchten, eine weitgehende EU-Integration anzubieten. Mit einem umgesetzten Assoziierungsabkommen wäre die ukrainische Wirtschaft zu 90 Prozent in den EU-Binnenmarkt integriert.
<p>Warum ist diese EU-Integration der Ukraine für Russland ein Problem? Russland strebte nach Auskunft von Präsident Wladimir Putin ja selbst einen Wirtschaftsraum von Lissabon bis Wladiwostok und eine enge Kooperation mit der EU an.<p>Ja, in Putins ersten Jahren, als Gerhard Schröder deutscher Kanzler war, gab es da eine gewisse Euphorie: Russland und Europa sollten sich zusammentun gegen die Herausforderungen durch die asiatischen Tigerstaaten, hieß es. Das ist in der Praxis aber schnell gescheitert. Man konnte sich nicht einmal auf technische Standards einigen. Die EU wollte, dass Russland ihre Standards übernimmt, die Russen wollten darüber verhandeln. Es ist versandet. Putin sagte sich nach diesem Scheitern, ich mache mein eigenes Projekt, wir bedienen den asiatischen Raum. Das kann Russland aber nur machen, wenn die Ukraine mitmacht. Ohne die Ukraine ist Russland nicht auf dem technischen Stand, den es braucht, um einen neuen, konkurrenzfähigen Wirtschaftsraum aufbauen zu können.<p>Warum?<p>Weil die beiden Volkswirtschaften eng verflochten sind. Beispielsweise ist das russische Militär von ukrainischer Forschung und Entwicklung abhängig, wenn man nur an die Raketenantriebe aus Dnipropetrowsk denkt. Es gibt eine ganze Reihe von russischen Bedenken. Zwischen Russland und der Ukraine besteht eine Freihandelszone. Putin hat bis dato durch hohe Zölle beispielsweise Autofirmen gezwungen, in Russland zu produzieren. Wäre das Assoziierungsabkommen ganz umgesetzt, würden die wohl in die Ukraine übersiedeln - Russland und die Ukraine sind für westliche Firmen durch die GUS-Freihandelszone ein Markt. Außerdem befürchtet Moskau, dass, wenn westliche Produkte den ukrainischen Markt fluten, ukrainische den russischen Markt fluten könnten. Und dann spielt die Ukraine auch geostrategisch als Tor nach Asien eine wichtige Rolle.<p>Das klingt aber noch nicht wahnsinnig dramatisch. Reichen diese wirtschaftlichen Probleme wirklich für solch eine Krise aus? Manche verweisen darauf, dass im Assoziierungsabkommen auch von militärischer Zusammenarbeit die Rede ist.<p>Nein, das ist irrelevant. Auch die Nato-Osterweiterung hat keine Rolle gespielt. Das begann erst nach dem Machtwechsel in Kiew mit der Aneignung der Halbinsel Krim. Moskau fürchtete, den Hafen Sewastopol und damit weiteres Terrain an die Nato zu verlieren.<p>Wollte Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch das Assoziierungsabkommen eigentlich unterzeichnen?<p>Er hat seit seinem Amtsantritt 2010 hin und her manövriert und gezögert. Am liebsten hätte Janukowitsch wohl seinen neutralen Status zwischen den beiden Blöcken behalten. In seiner Umgebung gab es vor allem zwei Leute, die die EU-Annäherung betrieben haben, den stellvertretenden Vizepremier Andrij Kljujew und Kurzzeit-Außenminister Leonid Koschara. Die anderen, etwa die Oligarchen Rinat Achmetow und Wiktor Pintschuk, haben laviert. Sie wollten ihre Geschäfte mit den Russen nicht gefährden. Kljujew hat dann in der Ostukraine diese großen Kampagnen organisiert, hat für die EU-Assoziierung geworben. Ich war mit den europäischen Sozialdemokraten bei solchen Touren selbst dabei. Das war nicht immer leicht: Die Leute dort - nicht nur in Donezk, auch in Charkiw oder Dnipropetrowsk - haben immer stark gezweifelt, weil deren Absatzmarkt Russland war.<p>Was hat dann dazu geführt, dass das Abkommen nicht unterzeichnet wurde?<p>Im Herbst 2013, vor dem Gipfel in Vilnius, auf dem das Assoziierungsabkommen unterzeichnet werden sollte, zeichnete sich die Zahlungsunfähigkeit der Ukraine ab. Die Ukraine brauchte einen Kredit vom IWF. Der forderte aber unter anderem, dass die Gaspreise für Privathaushalte erhöht werden sollten, was Janukowitsch nicht akzeptieren wollte: Er wollte schließlich 2015 wiedergewählt werden. Dennoch kam es beinahe zu einer Einigung. Aber eben nur beinahe. Der IWF stellte nämlich zusätzliche Forderungen, etwa das Einfrieren von Renten, oder dass die Stipendien nicht erhöht werden dürften und Ähnliches. An dem Punkt haben die Ukrainer gesagt: Stopp. Wir kriegen kein Geld, sollen Sachen erfüllen, die nicht erfüllbar sind, die Russen üben bereits seit dem Sommer in Handelsfragen Druck auf uns aus, unsere Unternehmen leiden. Da sagte Premier Mykola Asarow: Legen wir das Ganze auf Eis. Gebt uns mehr Zeit. Er sagte nicht, wir unterschreiben nicht, er sagte, wir unterschreiben jetzt nicht. Kiew wollte binnen eines halben Jahres unterzeichnen, hat die EU förmlich angebettelt, bei den anstehenden Verhandlungen mit Russland in Gas- und Handelsfragen zu helfen. Brüssel hat sich taub gestellt.<p>Bei den prowestlichen Ukrainern wurde die Nichtunterzeichnung aber als Absage an Europa interpretiert.
<p>Ja, es gab eine extreme Enttäuschung. Die Leute wollten wirklich nach Europa, daran haben sie geglaubt. Die Regierung fährt eine Kampagne, erklärt mehr als ein Jahr, Europa ist unsere einzige Perspektive, unsere Zukunft, und dann zieht man den Leuten diese Vision komplett weg. Und so hat sich dann alles verschärft, in mehreren Wellen, bis zur totalen Eskalation im Februar.<p>Was sich auf dem Maidan vor einem Jahr abgespielt hat, ist bis heute nicht ganz geklärt. Erst kürzlich erschienen in der BBC und im "Spiegel" Berichte, die die offizielle Version, wonach allein Janukowitschs Spezialeinheit "Berkut" an dem Massaker schuld war, bezweifeln. Sie waren in dieser Zeit in Kiew. Wie haben Sie die dramatischen Tage erlebt?<p>Ich bin am 18. Februar nach Kiew gereist. An dem Tag gab es einen Marsch aufs Parlament, die Lage eskalierte. Protestler warfen Brandsätze aufs Büro der regierenden Partei der Regionen, es gab dort zwei Tote. Die Demonstranten wurden auf den Maidan zurückgedrängt, es kam zu Schießereien und Toten.<p>Wie haben Sie den ominösen 20. Februar erlebt, den Tag, an dem das Blutbad stattfand, das zum Umsturz führte?<p>Es war eine eigenartige Stimmung. Seit November waren immer Berkut-Leute vor unserem Hotel. Die waren am Morgen des 20. Februar plötzlich weg. Ich wollte dann ins Hotel "Ukraina" auf den Maidan hinunter und lief regelrecht in die Berkut-Polizisten hinein, die sich Schießgefechte mit den Maidan-Leuten lieferten.<p>Auf welcher Seite standen Sie?<p>Ich kam aus der Richtung der Präsidialadministration, stand also auf der Seite der Berkut. Geschossen haben beide Seiten. Von wem es ausgegangen ist, konnte in diesem Moment niemand sagen. Auch die Polizisten von Berkut wussten nicht, woher die Schüsse kamen. Das geht aus deren Kommunikation hervor. Die mussten das erst einmal feststellen und suchten nach Scharfschützen. Andrij Schewtschenko, ein Abgeordneter der Partei Timoschenkos, der auf dem Maidan eine führende Rolle gespielt hat, hat sehr klar gesagt, die Polizisten seien damals zu ihm gekommen und hätten gesagt: Jemand schießt auf uns, mach doch was!<p>Wenn es so war, dass nicht allein Berkut verantwortlich war, sondern andere Scharfschützen: Wer könnten diese Schützen gewesen sein?<p>Es gibt einen Untersuchungsbericht. Der wird aber nicht veröffentlicht, weil darin Unangenehmes über Andrij Parubi, den nationalistischen Kommandanten des Maidan, stehen könnte. Das würde sich auch mit dem decken, was die BBC jetzt veröffentlicht hat: Dass nämlich die Schüsse aus dem Konservatorium und dem Hotel Ukraina gekommen sind. Das Konservatorium aber war unter vollständiger Kontrolle des Maidan. Und im Ukraina, das am 20. Februar zu einem Maidan-Lazarett wurde, nächtigten die westlichen Journalisten. Niemand kam ins Ukraina, ohne dass die Maidan-Leute das bemerkt hätten.<p>Soll das heißen, dass die Verantwortlichen für das Massaker nicht die Leute von Janukowitsch waren?<p>Zumindest nicht am Beginn. In den Medien war nach den Ereignissen von Snipern der Janukowitsch-Regierung die Rede, die von der Nationalbank aus geschossen hätten. Das war auch der Fall, aber erst am Nachmittag. Die Schießereien gingen aber schon am frühen Vormittag los. Die Ukrainer fragen, wenn etwas passiert, immer nach dem möglichen Nutznießer einer Situation. Das war nicht Janukowitsch.<p>Gibt es Indizien für andere Täter?<p>Es gibt mittlerweile genug Untersuchungsberichte, es tauchen viele Fragen auf. Warum sägt man beispielsweise Bäume ab, an denen man sehen kann, dass die Einschusslöcher aus einer anderen Richtung kamen? Es gibt Berichte amerikanischer ballistischer Experten, die sich die Einschusswinkel angesehen haben, auch auf den Schilden der Maidan-Kämpfer. Es wurde in deren Rücken geschossen. Dort waren allerdings keine Berkut-Einheiten. Wer geschossen hat, kann man nicht sagen, ich weiß es auch nicht. Aber es muss jemand gewesen sein, der ein klares Interesse an einer Eskalation hatte. Also nicht Janukowitsch, der sich ja nicht selbst stürzen wollte.<p>Wenn es nicht Janukowitsch war, wer war es dann? Russland, die ukrainische Opposition, die USA? Im Internet kursieren seit einiger Zeit Gerüchte, der Westen hätte bei dem Machtwechsel seine Hände im Spiel gehabt.<p>Nein, das halte ich für ausgeschlossen. Das war nicht der Fall. Es gibt allerdings Leute wie den US-Milliardär George Soros, die Revolutionen finanzieren. Soros hat auch den Maidan unterstützt, hat dort Leute bezahlt - die haben in zwei Wochen auf dem Maidan mehr verdient als während vier Arbeitswochen in der Westukraine. Was allerdings nicht heißt, dass der Maidan als Ganzer gekauft war, die Empörung nach der Nichtunterzeichnung des Assoziierungsabkommens war natürlich echt. Aber man soll sich da nichts vormachen: Es gibt genügend Belege dafür, dass sowohl auf dem Maidan als auch auf der Gegenveranstaltung, dem "Antimaidan", Leute bezahlt wurden. Es gab Preise für jede Leistung. Ich kenne Leute, die haben morgens auf dem Antimaidan bei der Gegendemo abkassiert, sind dann rüber auf den Maidan und haben dort nochmals kassiert. Das ist in der Ukraine ja nichts Ungewöhnliches. Die pittoresken alten Frauen, die immer für Julia Timoschenko demonstriert haben, hatte man ja auch erst kurz vor der Demonstration an einem Treffpunkt eingesammelt, ausstaffiert und losgeschickt. Jedenfalls: Es wurde, wie es aussieht, eine Revolution wie aus dem Bilderbuch gemacht. Und eine echte Revolution gibt es, wie Maidan-Aktivist Mustafa Najem sagte, nur mit Blut.<p>Es ist nun ein Jahr vergangen, in der Ukraine herrscht Krieg. Wie beurteilen Sie die gegenwärtige Lage?<p>Es sieht leider gar nicht gut aus für die Ukraine. Das Problem an der gegenwärtigen Führung ist, dass sie nicht strategisch denken kann. Kiew weigert sich, die alten Eliten - ich meine nicht die Hardliner-Fraktion, sondern die im proeuropäischen Sinn Kooperationswilligen - zu integrieren. Das sind aber jene Politiker, die im Osten des Landes gut vernetzt sind. Deren Hilfe könnte man, wenn man schlau wäre, nutzen, um im Osten aufzuräumen. Das macht man aber nicht. Man setzt diese Leute unter Druck. Es gibt ziemlich willkürliche Hausdurchsuchungen und Verhaftungen. Man droht Leuten mit Strafe, die im Süden und Osten wichtige Arbeitgeber sind, führt einen Wirtschaftskrieg gegen diese Leute.<p>Das heißt, es gelingt Poroschenko nicht, das Land zu einen?<p>Niemand in der Ukraine glaubt daran, dass sich Poroschenko die ganze Amtszeit halten wird. Seine Koalition im Parlament gibt es de facto bereits nicht mehr. Ohne die Stimmen der Opposition hätte Poroschenko viele Gesetze gar nicht durchgebracht. Die eigenen Leute stimmen nicht immer mit. Poroschenko ist ein Getriebener. Die Frage lautet heute, wann lässt Premier Arseni Jazenjuk Poroschenko fallen? Lange kann das nicht mehr dauern.<p>Und was kommt danach?<p>In der Ukraine sagt man, nach einer Februarrevolution kommt eine Oktoberrevolution. Die Bataillonskommandeure im Parlament fordern bereits, dass alles verstaatlicht werden soll, dass man den Oligarchen alles wegnehmen sollte und Ähnliches.<p>Wie denkt man in Brüssel über die Lage in Kiew?<p>In Brüssel redet man intern ganz anders als in den offiziellen Statements. Nach außen wird Kiew nicht kritisiert, intern sehr wohl. Beispielsweise ist die Korruption heute noch schlimmer als unter Janukowitsch. Unter Janukowitsch haben die Unternehmer einmal gezahlt - übrigens im Laufe seiner Amtszeit immer mehr, was auch ein Grund für den steigenden Unmut war. Jetzt zahlen sie, und am nächsten Morgen steht bereits jemand anderer vor der Tür. Da kann man als Unternehmer nicht mehr kalkulieren. Ein weiteres Problem sind die Freiwilligenbataillone. Die werden beispielsweise vom Oligarchen Ihor Kolomojski, dem Gouverneur von Dnipropetrowsk, bezahlt. Die Hauptaufgabe der Bataillone ist aber gar nicht so sehr der Kampf. Sie schützen vielmehr Kolomojskis Unternehmen und führen gewalttätige Übernahmen fremder Firmen durch. Sie stürmen einfach diese Unternehmen und verjagen die Leute dort, nach dem Mafia-Prinzip. Das ist jetzt möglich.<p>Das sieht nicht gerade nach einem investitionsfreundlichen Klima aus.<p>Ganz und gar nicht. Ich kenne niemanden, der jetzt in der Ukraine investieren will. Die geplante große Investorenkonferenz zur Ukraine wird seit September immer wieder verschoben. Es gibt nach wie vor kein Datum, an dem die Konferenz stattfinden wird. Logisch: Es gibt keine Investoren. Und zwar nicht nur, weil in der Ukraine Krieg herrscht, sondern weil das System in Kiew noch korrupter und unberechenbarer geworden ist. Jeder mögliche Investor wird ihnen sagen, ohne glaubhafte Garantien investieren wir dort nicht. Die Ukraine ist durch das, was jetzt passiert ist, um Jahrzehnte zurückgeworfen. Das einzig Positive ist, dass eine Nationsbildung stattgefunden hat. Dafür gibt’s die Ukraine wirtschaftlich als Staat nicht mehr.
Der Weg zur Revolution auf dem Maidan im Februar 2014
21. November 2013: Kiew legt ein Assoziierungsabkommen mit der EU überraschend auf Eis. Tausende demonstrieren.
30. November: Die Spezialeinheit "Berkut" (Steinadler) greift das Lager der protestierenden Studenten an und geht ungewöhnlich hart vor. Der Polizeieinsatz löst in der Bevölkerung großen Unmut aus.
8. Dezember: Bei einem der größten Massenproteste seit Jahren fordern nach Oppositionsangaben eine halbe Million Menschen Neuwahlen.
17. Dezember: Russland gewährt der Ukraine einen Milliardenkredit und senkt die Gaspreise für das krisengeschüttelte Land. Der Eindruck verstärkt sich, dass der Preis dafür eine Orientierung Kiews an Moskau sein wird.
19. Jänner 2014: Hunderte Demonstranten versuchen, das Parlamentsgebäude zu stürmen, 200 Menschen werden verletzt.
22. Jänner 2014: Bei Zusammenstößen werden mindestens drei Demonstranten getötet, zwei durch Schüsse.
25. Jänner: Die Opposition lehnt eine von Janukowitsch angebotene Regierungsbeteiligung ab.
18. Februar: Die Lage eskaliert: Bei neuen Straßenschlachten kommen mindestens 28 Menschen ums Leben. Wohl weit mehr als 1000 werden verletzt.
19. Februar: Janukowitsch verteidigt den Einsatz von Gewalt. Der geschäftsführende Regierungschef Sergej Arbusow wirft der Opposition einen versuchten Staatsstreich vor.
20. Februar: Die Außenminister von Deutschland, Frankreich und Polen treffen Janukowitsch in Kiew zu Vermittlungsgesprächen. Auch Oppositionsführer und ein russischer Vermittler nehmen daran teil. Die EU schlägt einen Fahrplan zur Lösung des Konflikts vor. In Kiew gibt es ein Blutbad mit dutzenden Toten. Scharfschützen feuern gezielt auf Demonstranten. Wer diese Scharfschützen waren, ist bis heute nicht geklärt. Regimegegner und Polizisten liefern sich schwere Kämpfe. Am Abend beschließt das Parlament ein Ende des vom Geheimdienst angekündigten "Anti-Terror-Einsatzes".
21. Februar: Die ukrainische Regierung und die Führer der Opposition unterzeichnen eine Vereinbarung. Es soll eine Übergangsregierung und vorgezogene Präsidentenwahlen bis spätestens Dezember geben. Den Demonstranten auf dem Maidan ist das aber zu wenig: Zehntausende fordern am Abend weiterhin den sofortigen Rücktritt Janukowitschs. Der flieht ins ostukrainische Charkow.
22. Februar: Die Gegner Janukowitschs übernehmen die Macht, Julia Timoschenko kommt frei.
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Ina Kirsch ist Unternehmensberaterin und eine intime Kennerin der Ukraine. Die deutsche Sozialdemokratin, die 13 Jahre lang im Europäischen Parlament arbeitete, war bis zum letzten Jahr Direktorin des European Centre for a Modern Ukraine (ECFMU). Die Organisation, die ihren Sitz in Brüssel hat, wurde 2011 gegründet, um im Zuge der EU-Annäherung der Ukraine für eine Verbesserung der Beziehungen zwischen Kiew und Brüssel zu sorgen.