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Offene Grenzen auf Bewährung

Von WZ-Korrespondent Wolfgang Tucek

Europaarchiv

Säumigen Mitgliedern droht Ausschluss. | Auslöser Bulgarien und Rumänien. | Brüssel. Der grenzenlose Schengenraum ist offenbar an seine Grenzen gestoßen und soll reformiert werden. Mitgliedsländer, die Schengen-Außengrenzen zu lasch kontrollieren, könnten künftig ausgeschlossen werden.


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Den Anstoß dazu haben die Streitigkeiten über die Beitritte der beiden jüngsten EU-Mitglieder Bulgarien und Rumänien gegeben. Die wurden auf unbestimmte Zeit verschoben, weil die Überwachung der bulgarischen Grenze zur Türkei noch nicht ausreichend funktioniert.

Zudem verlangen Deutschland und Frankreich wesentliche Fortschritte im Kampf gegen Korruption und organisierte Kriminalität, bevor die Grenzkontrollen aufgehoben werden können. Schließlich erfüllen die beiden Länder in diesen Bereichen die EU-Standards auch gut vier Jahre nach dem Beitritt nicht. Rumänien urgiert dennoch einen Beitrittstermin, weil es die technischen Bedingungen dafür erfüllt hat. Rein rechtlich sind nur diese für den Schengen-Beitritt nötig.

Drohung für alle Länder

Beim Treffen der EU-Innenminister vor dem Wochenende hat Berlin laut Österreichs Innenministerin Maria Fekter einen Lösungsvorschlag gemacht: Erstens soll der Abbau der Grenzkontrollen schrittweise erfolgen, etwa zuerst auf den Flughäfen. Zweitens soll ein stufenweiser Aussetzungsmechanismus für den Fall geschaffen werden, wenn ein Mitgliedsland die Standards nicht mehr erfüllt. Im äußersten Fall könnten die Grenzen zu säumigen Schengenmitgliedern wieder hochgezogen, deren Behörden von der gemeinsamen Fahndungsdatenbank Schengen-Informationssystem abgeschnitten werden. Die EU-Kommission soll rasch einen detaillierten Vorschlag ausarbeiten.

Das neue Sanktionsschema würde künftig nicht nur für Bulgarien und Rumänien sondern für alle Länder des Schengenraums gelten; es handle sich um eine "Weiterentwicklung des Systems", erklärte ein Experte. Denn bisher gibt es keine Möglichkeit, Schengen-Mitglieder auszuschließen. Diese können aber in Fällen, in denen sie ihre öffentliche Sicherheit gefährdet sehen, vorübergehend wieder Grenzkontrollen einführen. Ein Beispiel war die Fußball-Europameisterschaft in Österreich 2008, als die Behörden die Anreise großer Gruppen von Fußballrowdys befürchteten.

Gäbe es die Möglichkeit zum Ausschluss von Schengenmitgliedern bereits heute, wäre Griechenland ein heißer Kandidat, hieß es. 90 Prozent der illegalen Migration kämen über die griechische Grenze zur Türkei, sagte Fekter. Seit Herbst greift die EU-Grenzschutzagentur Frontex den völlig überforderten griechischen Behörden unter die Arme.

Ursprünglich hätten Bulgarien und Rumänien bereits im März dem Schengenraum beitreten sollen. Jetzt ist kommenden Monat erst noch eine neuerliche Evaluierungsmission der EU an die geplante Schengen-Außengrenze in Bulgarien angesetzt. Einen neuen Beitrittstermin gibt es bisher nicht. Womöglich könne eine Entscheidung beim Treffen der Staats- und Regierungschefs im Juni getroffen werden.