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Vor allem die Tschechische Republik äußert Proteste. | EU-Innenminister stimmen die Bedingungen ab. | Brüssel. Geplant war die Erweiterung des grenzenlosen Schengen-Raums eigentlich für Oktober 2007. Die dafür vorgesehene neue gemeinsame Polizeidatenbank SIS II (Schengen-Informationssystem II) wird allerdings weit später fertig, als gedacht. Daher wollen die EU-Innenminister heute, Dienstag, einen Kompromiss auf den Weg bringen, der die Grenzöffnung zumindest im ersten Quartal 2008 erlauben sollte.
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Dafür sollen die neuen Mitgliedsländer an die bereits bestehende Schengen-Datenbank angeschlossen werden - es entstünde "SIS I für alle", wie der Arbeitstitel verheißt. Entgegen dem ursprünglichen Kalkül der EU-Kommission, die Ausweitung wegen "komplexer technischer Probleme" einfach um mindestens ein Jahr zu verschieben, handle es sich um eine "höchst sensible politische Frage", heißt es jetzt in Diplomatenkreisen. Denn die meisten neuen Mitgliedsstaaten im Osten und allen voran die Tschechische Republik liefen Sturm gegen die Verschiebung der anvisierten Grenzöffnung. Die hatte der tschechische EU-Botschafter Jan Kohout im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" als wichtigen Schritt für die "Gleichbehandlung der Bürger verschiedener EU-Länder" bezeichnet. Dennoch dürfte Prag dem Kompromiss jetzt zustimmen können.
Nach übereinstimmenden Aussagen mehrerer Diplomaten beharren aber noch einige alte Mitgliedsstaaten, dass SIS II die oberste Priorität bleiben müsse und nicht weiter verzögert werden dürfe. Nach dem vorliegenden Kompromiss wird die Aktivierung des neuen Systems nicht vor 2009 erwartet.
Technische Feinheiten
Die von der EU-Kommission geschätzte zusätzliche Verzögerung könne bei etwa sechs Monaten liegen. Bis dahin müsste auf "zusätzliche Sicherheitskomponenten" des SIS II, wie die Datensuche anhand biometrischer Daten wie Fingerabdrücken oder schnellerer Datenzugriff verzichtet werden. Weniger schlagend dürften dagegen die angeblich von Frankreich vorgebrachten Bedenken einer Kostenexplosion sein. So werde mit vier bis sechs Millionen Euro Zusatzkosten gerechnet, hieß es. Im Gespräch sei die Nutzung von Mitteln des EU-Außengrenzfonds. Eine Investition von etwa zwei Millionen Euro in die zentrale SIS-Datenbank in Straßburg müsste vorgezogen werden. Das Backup-System für die Schengen-Fahndungsdaten wird künftig im österreichischen "Regierungsbunker" in St. Johann im Pongau untergebracht sein.
Selbst bei Greifen der Übergangslösung, die die meisten Mitgliedsstaaten "grundsätzlich" befürworteten, könne der ursprüngliche Zeitplan nicht eingehalten werden, hieß es. Grund dafür seien notwendige Testphasen des erweiterten alten Systems sowie die Umstellung der Flugpläne der Internationalen Luftverkehrsorganisation IATA jeweils im Oktober und März. Zwar dürfe das weitere Vorgehen nicht von einem Zeitplan gesteuert sein, sondern vielmehr von der Erfüllung aller Sicherheitskriterien. Eine Öffnung der Landgrenzen per 1. Jänner 2008 und der Wegfall der Grenzkontrollen auf den Flughäfen im März 2008 seien aber technisch machbar. Die Fortschritte des "SIS I für alle" müssten demnach im Juli 2007 bewertet und bis Herbst fertig gestellt sein. Sorgen bereiteten aber etwa die mangelnden Vorbereitungen in Polen und der Slowakei, hieß es.
Ursprünglich wollte auch die Schweiz mit dem neuen SIS II dem Schengenraum beitreten. Bern überlegt dem Vernehmen nach derzeit aber noch. Erst müsse klar sein, wie das "SIS I für alle" genau aussehen werde, hieß es.