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Offene Grenzen und ihre Feinde

Von Ernst Hofbauer

Gastkommentare

Seit einem halben Jahrtausend beschleunigen Globalisierungsschübe den Welthandel und fördern den allgemeinen Wohlstand. Der britische Ökonom David Ricardo leitete daraus Ende des 18. Jahrhunderts seine Theorie der komparativen Kosten ab: Der Wohlstand für alle würde wachsen, wenn die Wirtschaftsnationen ihre Güter best- und billigstmöglich über alle Grenzen hinaus verkauften.


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Ricardo sollte Recht behalten. Der Welthandel ist seither auf das Fünfzigfache angeschwollen. Allerdings haben auch einst lokal begrenzte Konjunkturbewegungen globale Ausmaße angenommen, wie etwa die Wirtschaftskrise von 1873, aber auch die erste weltweit spürbare Hochkonjunktur Ende des 19. Jahrhunderts. Als zwischen den beiden Weltkriegen die internationale Arbeitsteilung und der Welthandel erlahmten, brach der Warenaustausch um zwei Drittel ein.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Wirtschaft wieder von kräftigen Globalisierungsschüben erfasst, die letztlich auch die kommunistischen Regime in Europa wie morsche Buden nach einem Tornado zusammenbrechen ließen. Allein in den vergangenen zwei Jahrzehnten haben weltweit eine halbe Milliarde Menschen ihre Einkommen über die Armutsschwelle angehoben.

Dennoch beschwören die Feinde offener Grenzen Horrorszenarien. "Will man verhindern, dass sich die Welt im 21. Jahrhundert endgültig in einen Dschungel verwandelt, wird die Entwaffnung der Finanzmärkte zur ersten Bürgerpflicht", heißt es im kriegerischen Gründungsmanifest der globalisierungskritischen Nichtregierungsorganisation Attac (1998). Auf einem hässlichen Plakat prangert Attac die Zinsknechtschaft der Lohnabhängigen an. Es zeigt die Karikatur eines dicken Kapitalisten, die Melone auf dem Kopf, eine Zigarre im Mund, auf einem Geldsack sitzend. Vor ihm steht ein schlanker, blonder Arbeiter mit nacktem Oberkörper. Auf eine Schaufel gestützt, wischt er sich den Schweiß von der Stirn. Man kennt derlei Darstellungen aus dem Nationalsozialismus und dem Stalinismus.

Wenn Attac die Macht des Finanzkapitals beklagt, ruft das alte Vorurteile wach. Die komplizierten Zusammenhänge der Globalisierung reduziert Attac auf ein Komplott dunkler Mächte. Überall wittern seine Sympathisanten wie der islamistische Paradeintellektuelle Tariq Ramadan, der französische Berufsrebell José Bové oder auch der öffentlich-rechtliche ORF, der Attac-Sprecher Christian Felber vorzugsweise als "Finanzmarktexperten" zu Wort kommen lässt, eine Verschwörung von Finanzspekulanten und deren Marionetten in Regierungen und internationalen Organisationen. Nicht zufällig führen ihre Verschwörungstheorien über den 11. September 2001 geradewegs zum israelischen Geheimdienst. Folgerichtig strahlte der ORF jüngst ein einschlägiges Propagandamachwerk aus: "9/11 - Was steckt dahinter?" Natürlich die US-Regierung und Geheimdienste.

Ernst Hofbauer ist Publizist und Autor von "Inschallah - Österreich, das unheimliche Paradies".