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Pizzeria Anarchia: Nach sechs Monaten gibt es noch immer keine Entscheidung darüber, ob der Steuerzahler oder der Hauseigentümer den 870.000 Euro teuren Polizeieinsatz bezahlen muss. Die Grünen wollen nun den Rechnungshof prüfen lassen.
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Wien. Mehr als 1400 Polizisten rückten am 28. Juli 2014 mit Panzer, Hubschrauber und Wasserwerfern in einem zehnstündigen Einsatz gegen 19 Punks in einem besetzten Haus in der Mühlfeldgasse in Leopoldstadt vor. 870.000 Euro kostete der Polizeieinsatz rund um die Räumung der "Pizzeria Anarchia" - die "Wiener Zeitung" hat berichtet.
Der Vorfall löste eine Debatte darüber aus, ob der hohe Personalaufwand angesichts der überschaubaren Anzahl an Aktivisten gerechtfertigt sei. Das wollen die Grünen nun durch eine Prüfung des Rechnungshofs klären lassen. Sechs Monate nach dem Einsatz ist nämlich immer noch nicht klar, ob die Steuerzahler oder die Hauseigentümer für die Kosten aufkommen müssen. "Eine letztgültige Entscheidung steht noch aus", heißt es auf Anfrage der "Wiener Zeitung" im Innenministerium. Wann diese feststehen werde, könne man nicht sagen.
Entscheidung "bewusst verschleppt"
Die Wiener SPÖ hatte nach dem umstrittenen Einsatz gefordert, dass geprüft werden müsse, ob ein Regress gegenüber den Hauseigentümern geltend gemacht werden kann. Schließlich hätten diese sich die Punks selbst ins Haus geholt und sie ein halbes Jahr dort wohnen lassen - in der Hoffnung, sie würden die Altmieter vertreiben, argumentiert Georg Niedermühlbichler, Landesparteisekretär und Präsident der Wiener Mietervereinigung.
"Wenn sie die Situation grob fahrlässig oder vielleicht sogar bewusst herbeigeführt haben, glaube ich schon, dass der Staat sich hier regressieren kann", sagt Niedermühlbichler. "Das ist so, wie wenn ich die Rettung rufe, ohne dass etwas passiert ist." Seines Wissens sei jedoch nie eine Prüfung eingeleitet worden, sondern das Ministerium habe von Anfang an gesagt, dass kein Regress möglich sei.
Innenministerin Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) hatte in der Beantwortung einer parlamentarischen Anfrage des Grünen Abgeordneten Peter Pilz bereits Anfang Oktober erklärt, dass eine "diesbezügliche Prüfung zwischenzeitlich eingeleitet" wurde. Zuständig für die Prüfung ist die Finanzprokuratur, die als Anwalt des Staates fungiert. Dass ein halbes Jahr nach der Räumung immer noch offen ist, ob die beiden Hausbesitzer, denen Spekulationsabsichten vorgeworfen werden, für den kostenintensiven Einsatz aufkommen werden müssen, ist für Pilz nicht nachvollziehbar. "So, wie die Prüfung angelegt wurde, wird sie frühestens nach der übernächsten Nationalratswahl fertig sein. Es ist politischer Wille, das zu verschleppen", sagt Pilz. "Eine ÖVP-Ministerin legt sich grundsätzlich nicht mit Hausbesitzern an." Er werde im nächsten Innenausschuss zur Sprache bringen, warum der Bericht noch nicht vorgelegt wurde.
Prüfung findet "ohne Zeitdruck" statt
Den Vorwurf weist man im Innenministerium zurück: "Es wird einfach seriös und umfassend rechtlich geprüft - ohne Zeitdruck - deshalb ist das noch Gegenstand der Untersuchung", begründet Pressesprecher Karl-Heinz Grundböck die lange Dauer der Prüfung.
Von juristischer Seite wird ein zivilrechtlicher Schadenersatzanspruch bezweifelt. "Es mangelt schon an einem rechtswidrigen Verhalten der Eigentümer", erklärt etwa Lisa-Maria Fidesser von der Rechtsanwaltskanzlei Preslmayr im Interview mit der "Wiener Zeitung".
"Der Eigentümer beantragt die Delogierung, die das Gericht bewilligt. Dann kommt der Gerichtsvollzieher und stößt auf Widerstand, weshalb er um Unterstützung der Polizei ersucht. Allerdings bestimmt nicht der Gerichtsvollzieher den Umfang der Unterstützung, sondern die Polizei selbst. Eine entscheidende Frage ist hier: Was wurde vom Eigentümer selbst kausal verursacht bzw. war der Einsatz der Polizei in diesem Umfang für ihn vorhersehbar?"
Denn laut Fidesser hat der Eigentümer nur eine Delogierung beantragt, nicht aber den Einsatz von 1400 Polizisten. Die Beantragung einer Delogierung sei aber an sich nicht rechtswidrig, unabhängig davon, welche Gründe der Vermieter für den Abschluss des Mietvertrages hatte.
Die Chancen, dass tatsächlich ein Regressanspruch besteht, sehen auch die Grünen eher skeptisch. "Wenn es eine gültige Verordnung auf Exekution gibt, ist die Polizei verpflichtet, das durchzuführen."
"Grundfehler liegt bei der Polizeiführung"
Was den Hauseigentümern möglicherweise in Rechnung gestellt werden könne, ist die Entrümpelung des Hauses, was an und für sich Aufgabe der Eigentümer sei. Für das "überbordende Ausmaß des Einsatzes" sei jedoch nicht der Hauseigentümer verantwortlich. "Der Grundfehler liegt bei der Polizeiführung", sagt Pilz. "Wir werden eine Rechnungshof-Prüfung des Einsatzes durchsetzen." Damit solle eine mögliche Unverhältnismäßigkeit des Polizeiaufgebots geklärt werden. Gabriela Moser, Vorsitzende des Rechnungshofausschusses, werde eine Prüfung anregen. Zudem prüfen die Grünen, ob sie selbst das Recht haben, die Untersuchung zu beantragen.
Wie berichtet, war, das Haus in der Mühlfeldgasse 12 vor der Räumung im vergangenen Sommer zweieinhalb Jahre lang besetzt gewesen. Punks aus der "Pankahyttn", einem von der Stadt zur Verfügung gestellten Wohnhaus im 15. Bezirk, hatten sich in der ehemaligen Pizzeria im Haus einquartiert und sie in "Pizzeria Anarchia" umgetauft. Sie waren eingezogen, nachdem ihnen die Hauseigentümer, die das Haus im Jahr 2011 gekauft hatten, selbst angeboten hatten, hier sechs Monate lang kostenlos zu wohnen. Die vermeintlichen Störenfriede sollten die letzten Mieter des Hauses gewissermaßen hinausekeln, damit die Liegenschaft danach umgebaut und gewinnbringend verwertet werden könne. Doch die Punks solidarisierten sich mit den Stammmietern und blieben nach Ablauf der Halbjahresfrist. Die Hauseigentümer wehrten sich nach dem Einsatz gegen Vorwürfe: Sie hätten die Punks nie dazu aufgefordert, die Mieter zu belästigen. Man habe zudem nicht ahnen können, dass die Punks bleiben würden. Die Sache sei "außer Kontrolle" geraten.