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Viele scheitern an Formalitäten. | BBG fordert ein vereinfachtes Vergabeverfahren. | Wien. "Viele Klein- und Mittelunternehmen haut es auf die Goschn", wenn sie sich um öffentliche Aufträge bewerben. Der Rechtsanwalt und Vergaberechtsexperte Michael Breitenfeld spricht aus Erfahrung. Seit Jahren beschäftigt sich der Partner bei den Rechtsanwälten Siemer, Siegl, Füreder & Partner mit der öffentlichen Auftragsvergabe und versucht, auch kleinere Unternehmen zu motivieren.
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Keine Gnade bei Fehlern
Das Problem, mit dem der Rechtsanwalt immer wieder konfrontiert wird: Viele Klein- und Mittelunternehmen (KMU) nehmen die Vorschriften nicht so ernst, wie sie sollten. Da unterschreiben oft nicht die richtigen Organe, oder es wird vergessen, die erforderlichen Nachweise beizulegen. Viele Unternehmen würden glauben, dass sie diese Schlampereien noch ausbessern und etwa Dokumente nach Fristablauf nachbringen können. Doch das Vergaberecht kennt keine Gnade. Wer die formalen Kriterien nicht bis ins Detail erfüllt, wird ausgeschieden. "Ein bisserl teilnehmen gibt es nicht", warnt Breitenfeld. Auch verspätete Angebote sind laut dem Rechtsanwalt chancenlos.
Andreas Nemec, Geschäftsführer der Bundesbeschaffungsgesellschaft (BBG), kann ein Lied davon singen. "Obwohl wir uns um leicht verständliche Ausschreibungsunterlagen bemühen, müssen wir regelmäßig wirtschaftlich gute Angebote ausscheiden, weil sie nicht den formalen Kriterien entsprechen", bedauert er.
Die BBG ist so wie alle anderen öffentlichen Auftraggeber an das Vergaberecht gebunden. Wer sich nicht an die Vorschriften hält, muss mit einer Kontrolle durch das Bundesvergabeamt oder eine andere Rechtsschutzbehörde rechnen, wenn sich ein benachteiligter Mitbewerber beschwert. Schlimmstenfalls kann dann die Zuschlagserteilung widerrufen werden. Auf die Kulanz des Auftraggebers sollte man also nicht hoffen, warnt Breitenfeld.
Dabei ist sich der Rechtsanwalt durchaus bewusst, wie schwierig es gerade für kleinere Unternehmen ist, sich bei der öffentlichen Auftragsvergabe zu beweisen. Anders als Große hätten diese keine Rechtsabteilungen im Rücken. Sogar jenen Rechtsabteilungen passieren "dumme Fehler", so Breitenfeld. Sein Kollege Ralf Pock pflichtet ihm bei. "Das vergaberechtliche Wissen auf Auftragnehmerseite ist sehr gering - egal ob großes oder kleines Unternehmen", erzählt Rechtsanwalt Ralf Pock der "Wiener Zeitung".
Er hält eine Rechtsberatung für unerlässlich. "Man sollte immer einen spezialisierten Juristen beiziehen, der die Ausschreibung screent", meint er. Damit können Fehler in der Ausschreibung aufgedeckt und angefochten werden. Passiert das nicht, dann werden die Vorgaben des Auftraggebers bindend, auch wenn sie falsch sind.
Trotz der Hürden, mit denen kleine Unternehmen kämpfen müssen, rät Breitenfeld KMU, sich um öffentliche Aufträge zu bemühen - und zwar im Unterschwellenbereich. Darunter fallen Liefer- und Dienstaufträge mit einem Volumen von weniger als 211.000 Euro. Bei Bauaufträgen endet der Unterschwellenbereich bei 5.278.000 Euro. "In dem Bereich sind die Formalitäten lockerer", versichert Breitenfeld. Ein weiterer Tipp des Rechtsanwalts: Bietergemeinschaften. Wer sich zusammenschließt, könne viel eher die Voraussetzungen für die Zuschlagserteilung erfüllen. Das ist etwa hilfreich, wenn einem Unternehmen die nötigen Referenzen fehlen.
Rahmenvereinbarungen
Nemec legt kleineren Unternehmen ans Herz, vor allem jede Ausschreibung einer Rahmenvereinbarung im Detail anzuschauen. Damit kann das KMU in einen Lieferantenpool kommen, hätte aber noch keine Lieferverpflichtung. Erst wenn es sich beim erneuten Wettbewerb für einen konkreten Bedarf noch einmal bewirbt, wird es verpflichtet. "Das kommt KMU extrem entgegen", meint Nemec.
Bei der Bundesbeschaffungsgesellschaft kommen fast drei Viertel der Vertragspartner aus dem KMU-Bereich. "Wir liegen damit besser als die meisten anderen größeren Auftraggeber", so Nemec.
Auftraggebern empfiehlt er zu prüfen, ob eine Ausschreibung nicht in kleinere inhaltliche oder regionale Teillose geteilt werden kann. Das würde den KMU die Teilnahme erleichtern.