Immer mehr Inseraten-Konstruktionen kommen ans Licht, SPÖ und ÖVP werfen sich gegenseitig Unsauberkeit vor.
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Es ist paradox. Die in Österreich gängige Praxis der Inseratenvergabe öffentlicher Stellen und Unternehmen hat im Lauf der Jahre einerseits mehr mediale Beachtung erhalten, andererseits wurde dennoch immer fleißiger inseriert, vor allem von Regierungsseite. Unter SPÖ-Kanzler Werner Faymann waren es monatlich 1,2 Millionen Euro. Damals erhielt diese Praxis auch erstmals große Öffentlichkeit, da gegen Faymann auch wegen einer mutmaßlich illegalen Inseraten-Konstruktion ermittelt wurde.
Unter Nachfolger Christian Kern stiegen die monatlichen Ausgaben dann trotzdem auf 1,8 Millionen Euro. In der türkis-blauen Periode unter Kanzler Sebastian Kurz setzte sich der Trend fort, da waren es 2,1 Millionen Euro pro Monat, in der aktuellen Regierungsperiode flossen bisher pro Monat 4 Millionen Euro. Dass Kurz nicht mehr Kanzler ist, hat ursächlich auch mit einer Affäre zu tun, in der öffentliche Inserate eine maßgebliche Rolle spielen. Gegen seinen Vorgänger Faymann waren die Ermittlungen eingestellt worden.
Inserate vom Boden- bis zum Neusiedlersee
Seit Wochen laufen nun Konferenzen zu "medienpolitischen Herausforderungen" unter der Leitung der zuständigen Ministerin Susanne Raab (ÖVP). Dabei geht es auch um eine Reform der Einschaltungen der öffentlichen Hand. So wie bisher soll es künftig nicht mehr sein, das scheint Konsens - zumindest nach außen hin. Denn öffentliche Inserate sind wichtig, sie übersteigen die Presseförderung um ein Vielfaches. 225 Millionen hat die öffentliche Hand im Vorjahr für Werbung in Medien ausgegeben, ein Drittel davon die Bundesregierung.
Während im Bund über eine Reform nachgedacht wird, hat sich das Scheinwerferlicht auf die Ebene der Länder gerichtet. Den Anfang machte Vorarlberg, wo eine Zeitschrift des Wirtschaftsbundes, einer ÖVP-Teilorganisation, bei der Akquise von Inseraten besonders umtriebig war. Dieser Fall hat auch eine steuerrechtliche Prüfung zur Folge, und es geht auch um mögliche Parteienfinanzierung.
Es ist wenig verwunderlich, dass dieser Fall nicht der einzige blieb. Beim unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat (UPTS) ging eine Anzeige wegen einer Inseratenkonstruktion in Niederösterreich ein, SPÖ, FPÖ, Grüne und Neos schalteten zudem den Landesrechnungshof ein, damit dieser prüft, ob das Parteiengesetz hier umgangen wird. Wenige Tage später leuchtete das Scheinwerferlicht wohl nicht ganz zufällig ins rote Linz und noch rötere Burgenland. Auch die "Wiener Zeitung" erhielt - anonym - eine Sonderausgabe der "Burgenländischen Freiheit" geschickt, in der sich etliche Inserate von Landesunternehmen fanden.
Jeder Fall liegt ein wenig anders. Bei der Publikation aus dem Burgenland anlässlich des 100-Jahr-Jubiläums finden sich Inserate auf lediglich 10 von 88 Seiten, das ist deutlich weniger als in Vorarlberg. Die Erklärung des Herausgebers - eines SPÖ-nahen Vereins -, dass die Inserate zur Deckung der Produktionskosten dienen, scheint hier plausibel. Der Verein hat die Digitalisierung der zwischen 1922 und 2007 erschienenen SPÖ-Zeitung organisiert. Dafür gab es auch öffentliche Förderungen. Aus diesem Archiv wurde die einmalige Sondernummer erstellt. Allerdings ist auch der aktuelle Landeshauptmann Hans Peter Doskozil zwölf Mal abgebildet, das ist doch eine Auffälligkeit.
Neos finden weitere Inserate in ÖAAB-Zeitung
Dass Inseratenmodelle zur Finanzierung verwendet werden, wisse man aus der Forschung, sagt der Politikwissenschafter Jakob-Moritz Eberl von der Uni Wien. "Man kann aber auch mehrere Ziele verfolgen", meint er, ein Beispiel sei Parteienwerbung. Die Grenzen sind fließend.
Die Neos fanden nun auch in einer Zeitschrift des Arbeitnehmerbundes ÖAAB ("Freiheit") etliche Inserate von öffentlichen Unternehmen und auch der Arbeiterkammer Tirol, die allerdings ohnehin eine eigene Zeitung herausgibt. "Stück für Stück kommt ans Licht, wie ÖVP und SPÖ mittels Inseraten oder Umgehungskonstruktionen öffentliches Geld an ,befreundete’ Medien oder Parteizeitungen weiterschleusen", schreibt Neos-Abgeordneter Gerald Loacker in einer parlamentarischen Anfrage.
Die Gesetze zur Parteienfinanzierung, zudem auch das Medientransparenzgesetz, haben den gesetzlichen Spielraum verändert. "Die Parteien werden aber immer länger brauchen, sich anzupassen", sagt Eberl. Gleichzeitig verändere sich aber auch die Bindung an die Wählerinnen und Wähler, dazu kommt, dass immer wieder neue Parteien entstehen. Das stellt eine potenzielle Bedrohung dar.
Auf lange Sicht demokratiegefährdend
Dass sich derzeit speziell SPÖ und ÖVP gegenseitig lang gelebter Praktiken zeihen, sei "kurzfristig gedacht", sagt die Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Uni Graz. Es reduziere zwar die Gefahr, dass sich Wähler umorientieren, wenn andere Parteien auch nicht als anders wahrgenommen werden, "für die Stabilität des Systems ist es aber gefährlich, wenn sich Wählerinnen und Wähler ganz abwenden", sagt Praprotnik. Bei den französischen Präsidentschaftswahlen offenbarte sich dies deutlich. Kandidaten mit akzentuierten bis extremen Positionen erhielten im ersten Durchgang die Mehrheit der Stimmen.
Mit Kolleginnen des Austrian Democracy Lab erstellt Praprotnik den Demokratieradar, der nach der Ibiza-Affäre 2017 noch "überraschende Stabilität" zeigte. Zuletzt gab es einen deutlicher Dämpfer. "Das wird mit Corona-Müdigkeit, aber auch mit den Chats zu tun haben", sagt Praprotnik.
Der Drang, Dinge zu ändern, scheint dennoch nicht sehr ausgeprägt. Das Informationsfreiheitsgesetz hat sich irgendwo auf dem Weg der Gesetzgebung verirrt, geplante Nachschärfungen im Korruptionsrecht sind noch offen. Und das sind nur zwei Beispiele. Der Druck via Wahlergebnisse ist bisher aber auch nur bedingt existent. Bei der Nationalratswahl 2019 war Transparenz und saubere Politik in den Wahlmotiven nicht bestimmend. Trotz der Wahlursache: Ibiza.