Sparen bei der Verwaltung statt neuer Schulden. | Osteuropa: Risiken bei Immobilien und Privatkrediten. | Österreich werde Kyoto-Ziele erreichen. | "Wiener Zeitung": Sie finanzieren als Spezialbank die öffentliche Hand. Muss man da Keynesianer sein - also fürs Schuldenmachen, wenn die Konjunktur schwächelt?
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Reinhard Platzer: So würde ich das nicht sagen. Es steht außer Frage, dass die öffentliche Hand in ihrem Investitionsverhalten wesentlichen Einfluss auf die Konjunktur hat. Nur reden wir nicht einer Schuldenpolitik das Wort. Ich möchte Kunden mit guter Bonität haben und nicht, dass sich Gemeinden über beide Ohren verschulden und Kredite nicht mehr zurückzahlen können.
Wo sehen Sie in Österreich denn Investitionsbedarf?
Die Investitionen sind bei uns zu niedrig: Die öffentliche Hand investiert 1,2 Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), im westeuropäischen Schnitt sind es 1,8 bis 1,9 Prozent. Das sollte aber nicht komplett über neue Schulden aufgeholt, sondern bei den Verwaltungskosten eingespart werden. Investitionen, etwa in Wasserversorgung oder E-Werke, haben nämlich den Vorteil, dass Einnahmen zurückfließen.
Man könnte viel bei Glasfasernetzen investieren. In der Energieversorgung wurde ein Jahrzehnt lang nichts Wesentliches gebaut - die Leitungsnetze wurden nicht verbessert. Und im Medizinbereich ist viel zu tun, Stichwort Schwerpunktspitäler.
Gerade im Gesundheitsbereich mangelt es nicht an Finanzierungsbedarf. Das Fass scheint aber eines ohne Boden.
Zukunftsforscher Leo Nefiodow hält den Gesundheitsbereich für das Wachstumssegment der nächsten 20 bis 30 Jahre - auch bei der Beschäftigung. Derzeit fließen in Österreich 8 bis 10 Prozent des BIP in die Gesundheit. Nefiodow schätzt, dass es in 15 Jahren über 20 Prozent sein werden. Kein Staat kann es sich leisten, das rein öffentlich zu finanzieren.
Deshalb muss durch Public-Private-Partnerships (PPP) mehr privates Geld in diesen Bereich fließen. Das sollte nicht Teil einer ideologischen Debatte sein.
Wo sehen Sie die Grenzen von PPP, also der Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatinvestoren?
Ich bin gegen eine Schwarz-Weiß-Sicht. Die Vorteile der Privaten, nämlich mehr Effizienz in der Durchführung, sollten mit jenen der öffentlichen Hand verbunden werden - der besseren Kreditbonität.
Privat finanzierte Projekte müssen nämlich sehr hohe Risikoaufschläge bezahlen, womit ein Teil des Effizienzvorteils verlorengeht.
Wie betrifft die Finanzkrise die Kommunalkredit?
Gerade jetzt, wo Liquidität knapp wird, steigt unser Refinanzierungsvorteil. Unsere Kosten sind zwar auch gestiegen, die der großen Mitbewerber wie Investmentbanken aber noch viel mehr. Das verbessert unsere Wettbewerbsposition. Bei großen Projekten in Osteuropa gibt es jetzt deutlich weniger Mitbewerber.
Auf welche Strategie setzen Sie in den Ostländern?
Wir sind mit Dexia-Kom in sieben CEE-Ländern vertreten. Rumänien, Slowakei und Bulgarien sind die dynamischsten Märkte - dort gibt es Rieseninvestitionen in Eisenbahnen, Straßen, Wasser oder Energie.
Sie hatten Pläne, eine Tochter in Kroatien zu gründen. Wie ist der aktuelle Stand?
Die Dexia-Kommunalkredit Adriatic ist vor drei Wochen eröffnet worden. Wir haben heuer schon von Wien aus großvolumige Finanzierungen von 300 bis 400 Mio. Euro abgeschlossen - etwa die kroatische Autobahn, die von Zagreb bis Rijeka führt und jene, die um die Halbinsel Istrien herumführt. Zudem haben wir in Zagreb die Wasser-, Abwasser- und Verkehrsbetriebe finanziert.
Wir setzen von dort aus auch Projekte in Belgrad um oder bei der serbischen Eisenbahn - mit einer Garantie der Republik Serbien. Als erster internationaler Darlehensgeber finanzieren wir Vorhaben in Montenegro. Mazedonien schauen wir uns an, Bosnien ist noch zu früh.
Wovon hängt der richtige Zeitpunkt für den Einstieg ab?
Von der Bonität. Ob Staaten in der Lage sind, die Kredite zurückzuzahlen.
Sie waren im Interessentenkreis um die slowakische Istrobanka, die von der Bawag dann an die belgische KBC verkauft wurde. Sind Akquisitionen noch ein Thema?
Wir schauen uns das eine oder andere Institut an. Public-Finance-Spezialbanken findet man in Osteuropa nicht. Es gibt nur staatliche Umwelt- und Wasserwirtschaftsfonds, die etwa die Hälfte der Verschuldung der Gemeinden in ihren Büchern haben. Wenn die endabgerechneten Darlehen verkauft oder die Fonds privat gemanagt werden sollen, interessiert uns das sehr.
Wann wird das soweit sein?
Wenn der Euro eingeführt wird und die Maastricht-Kriterien erfüllt werden müssen, stellt sich die Frage: Will ein Staat die Verschuldung und das Defizit künstlich aufblähen, indem er sich innerhalb der öffentlichen Hand selbst Kredite gibt?
Wenn die Bonität der Gemeinden ausreicht, um selber Mittel zu bekommen, ist es nicht mehr sinnvoll, dass der Staat die Gemeinden finanziert. In der Slowakei ist das Anfang 2009 der Fall, in anderen Ländern später - vielleicht 2012 oder 2013.
Universalbanken interessieren uns nur, wenn sie einen besonderen Fokus auf öffentliche Finanzierung haben. Die Istrobanka hat uns interessiert, weil wir in der Slowakei selbst eine Universalbank haben, die im Privatkundengeschäft recht klein ist. Da hätte es Sinn gemacht, ein Institut dazuzunehmen.
Wo sehen Sie in Osteuropa die Risiken?
Das Risiko, dass die Realwirtschaft durch die Finanzkrise getroffen wird, gibt es auch in Osteuropa. Bei Wachstumsraten zwischen 6 und 10 Prozent ist ein Rückgang von 1 bis 2 Prozent aber nicht so tragisch. Wo etwas passieren könnte, ist bei Immobilien. Die Preise in Bukarest sind zum Beispiel schon deutlich höher als in Wien - das ist nicht ganz nachvollziehbar.
Es könnte auch passieren, dass die Kreditrückzahlungen stocken, wenn die Einkommen der privaten Haushalte nicht mehr so stark wachsen. In Österreich sind die Spareinlagen der Privaten doppelt so hoch wie die Kredite. In den USA ist es umgekehrt - doppelt so viele Kredite wie Einlagen. In Rumänien sind die Schulden hingegen vier Mal so hoch, da wird sehr viel auf Pump gekauft.
Bei der öffentlichen Hand sehe ich aber wenig Probleme: In Rumänien liegt die Gesamtverschuldung bei 20% des BIP, das Defizit ist praktisch null. Wir würden eher eine abnehmende Investitionsneigung spüren. Allerdings gehen allein 160 Mrd. Euro von der Europäischen Kommission für Investitionen nach Osteuropa.
Wie sehen Sie die jüngste Zinsanhebung der EZB?
Eher kritisch. Es ist zwar richtig, die Zinsen anzuheben, wenn die Inflation steigt. Die Gründe dafür sind derzeit aber primär die Energiekosten und nicht höhere Lohnabschlüsse. Die waren relativ moderat.
... wobei die nächsten wohl kräftiger ausfallen werden ...
Das mag eine Motivation sein, die Zinsen anzuheben, um dem etwas vorzubeugen. Ich glaube aber, dass man dem Wachstum Aufmerksamkeit schenken muss: Damit sind wir in Österreich und Westeuropa nicht so gesegnet.
Was genau ist die Rolle der Kommunalkredit beim Handel mit CO2-Zertifikaten zur Kompensation der Emissionen?
Wir sind der Agent der Republik Österreich: Es wird politisch entschieden, was gewollt ist - wir sind der verlängerte Arm und übernehmen die Abwicklung.
Bekümmert es Sie, dass Österreich am Kyoto-Ziel vorbeisteuert?
Ich glaube, dass Österreich die Ziele erreichen wird.
...wonach es im Moment aber nicht ausschaut.. .
Das sehe ich anders. Viele Reduktionsmaßnahmen scheinen noch gar nicht auf, weil sie für die Periode 2008 bis 2012 gesetzt wurden. Klar ist: Man will keine Strafe zahlen. Somit stellt sich die Frage, wie viel Reduktion schafft man im Inland - wo wir das Ziel wohl tatsächlich nicht erreichen. Den Rest muss man im Ausland zukaufen. Wenn es ein zusätzliches Ankaufsbudget gibt, dann werden die CO2-Ziele erreicht werden.
Die Industrie kritisiert, dass die Einsparziele nicht die bereits zuvor hohen Standards der Anlagen in Österreich berücksichtigen.
Genau das ist der Grund, warum es Sinn macht, außerhalb von Österreich Zertifikate zuzukaufen. Wenn ein Stinker in Russland oder Bulgarien zugesperrt wird, reduziert das auch den Ausstoß. Das Konzept ist richtig, deshalb ist der Zukauf von CO2-Zertifikaten auch nicht abzulehnen.
Ist es auch fair?
Was ist fair? Deutschland hat im Osten alle möglichen unprofitablen Industrieanlagen zugesperrt, die tun sich relativ leicht. Dieser Sondereffekt ist in Österreich nicht gegeben. Auch das ist nicht gerecht.
Das Unternehmen
Die Kommunalkredit Austria**liegt mit knapp 33 Mrd. Euro Bilanzsumme (2007) auf Platz zehn der österreichischen Geldinstitute. Sie ist auf Public Finance spezialisiert - die Finanzierung von Investitionen der öffentlichen Hand. Die Schwerpunkte sind Infrastruktur, Gesundheit, sozialer Wohnbau und Bildung.
Seit 2005 hält die Volksbank die Mehrheit (50,78 Prozent) an der Kommunalkredit, deren einstige Mutter Investkredit damals ebenso zu einer Volksbanken-Tochter wurde. 49 Prozent hält die französische Dexia; dem Österreichischen Gemeindebund gehören 0,22 Prozent.
Seit März 2005 gibt es die Ostbankentochter Dexia Kommunalkredit (Dexia-Kom), die bis 2015 Public Finance-Marktführer im CEE-Raum sein will. An ihr hat Dexia die Mehrheit (50,84 Prozent), der Rest gehört der Wiener Kommunalkredit. Dexia-Kom ist bisher in sieben Staaten Osteuropas tätig: Polen, Slowakei, Tschechien, Bulgarien, Rumänien, Ungarn und seit kurzem Kroatien.
Die Gründung der Kommunalkredit geht auf eine Initiative der beiden damaligen Staatssekretäre Bruno Kreisky und Hermann Widhalm im Jahr 1958 zurück. Im Oktober feiert die Bank ihr 50-jähriges Bestehen.