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"Öffentliches Sprechen muss man genauso lernen wie das Autofahren"

Von Petra Medek

Wirtschaft
Das Auditorium füllt sich langsam, gleich kann es losgehen: Wer einen Vortrag hält, muss mit seinen Redeängsten umgehen lernen. Foto: Fotolia

Angst und Verspannung führen zu Fehlern. | Sich das Publikum in Unterwäsche vorzustellen, ist nicht empfehlenswert. | "Wiener Zeitung": Zu Ihnen kommen Menschen in Trainings, die Redeschwierigkeiten haben. Was nennen die Menschen als wichtigstes Hindernis? | Stefan Schimmel: Am deutlichsten sieht man bei den Erstgesprächen, dass dies Ängste sind.


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Die rhetorische Fähigkeit verbessert sich vor allem dann, wenn man lernt, mit der Angst umzugehen. Oft ist die Angst jedoch nicht im Vordergrund präsent, sondern steht hinter den vordergründig genannten Rede-Problemen. Ich vergleiche das gerne mit dem Autofahren. Wenn man das erste Mal fährt, hat man Ängste. Doch irgendwann kommt man an einen Punkt, wo man Routine gewinnt, und genau diesen Zustand gibt es beim öffentlich Sprechen auch. Es wird oft unterschätzt, dass dies gelernt werden muss wie eben das Autofahren. Da braucht es eine gewisse Zeit der Überwindung.

Und was sind aus Ihrer Sicht die wirklichen Gründe dafür, dass Reden schlecht sind?

Wenn der Redner verspannt. Man spricht in diesem Zusammenhang von Gefühlsansteckung: Wenn ein Mensch auf der Bühne verspannt, dann verspannt auch das Publikum. Das kann über Erfolg oder Misserfolg eine Rede entscheiden. Ein und derselbe Mensch ist ein ganz anderer, wenn er Angst hat.

Dahinter gibt natürlich auch noch Faktoren wie die Dramaturgie oder das Wording, an denen ein Vortrag ebenso scheitern kann. Nur angstfrei zu sein, wäre keine Erfolgsgarantie.

Stefan Schimmel. Foto: privat

Sie sprechen in Ihrem Buch von einer vorherrschenden "Null-Fehler-Kultur". Warum verzeihen wir als Publikum dem Redner seine Fehler nicht?

Ich kann nur vermuten, dass das mit wirtschaftlichem Druck zusammenhängt. Wir müssen nun mal Dinge verkaufe; dabei lautet die Devise: Nur keine Fehler machen - und das erzeugt Druck und Angst.

Ich kann nur allen Chefs empfehlen, zwar hohe Leistung von ihren Mitarbeitern als Redner zu verlangen, im Vorfeld eines Vortrages jedoch zu versuchen, Druck rauszunehmen und dem Vortragenden Vertrauen zu signalisieren. Auf keinen Fall sollte man vorher Forderungen aufstellen, viel besser ist qualifiziertes Feedback nach der Rede.

Mitunter wird man gebeten, für einen Vortragenden kurzfristig einzuspringen. Sie raten in Ihrem Buch jedoch davon ab, dies zu tun, wenn man zu wenig Vorbereitungszeit hat. Gibt es einen "Notfallsplan"?

Wichtig ist, dass man sich klarmacht: Man wird dann eben nicht dieselbe Leistung wie sonst immer bringen können. Man darf also nicht die gleichen Anforderungen an sich stellen.

Ich rate auch davon ab, sich zu entschuldigen, das bringt nichts. Stattdessen sollte man sich Hilfsmittel suchen. So würde ich im Fall einer sehr spontanen Vertretung überlegen, den Vortrag vom Blatt abzulesen. Das ist zwar grundsätzlich ein No-no, kann aber auch sehr effektiv sein, wenn man es aktiv macht, also mitdenkt beim Lesen. Wer ein wenig Vorbereitungszeit hat, kann sich Moderationskarten machen.

Nur wer Sinn findet in dem Gesagten, wirkt authentisch, schreiben Sie. Merkt man wirklich, wenn der Redner sich emotional nicht identifizieren kann?

Ja. Meist kann das Publikum zwar nicht benennen, was nicht stimmt - aber es bleibt einfach ein unangenehmes Bauchgefühl. Man findet den Vortrag vielleicht trocken oder langweilig.

Sachwissen allein macht aber auch noch keinen guten Redner - oft wirken ausgewiesene Experten langatmig und fad. Andererseits gibt es sogenannte Verbalisierungstalente, die von der Materie nicht viel Ahnung haben müssen, um zu reden. Wer hat bessere Karten beim Publikum?

Leider die Letzteren. Gute Verbalisierung aus dem Stand ist wirklich ein seltenes Talent. Für all jene, die dies nicht haben, gilt: Sachkompetenz muss der erste Aspekt sein, der zweite ist der persönliche, ehrliche Zugriff auf das Thema.

Viele Menschen glauben, das ist eine künstliche Situation, also müssen sie sich künstlich geben. Doch das ist verkehrt: Dadurch schmeißen sie wichtige Ressourcen hin, die ihnen zu einem guten Auftritt verhelfen würden. Man soll sich überlegen: Was ist meine persönliche Überzeugung, zu der ich stehen kann? Darauf kann man einen Vortrag aufbauen.

Hilft der alte Trick, sich bei Unsicherheit das Publikum in Unterwäsche vorzustellen?

Ich weiß es nicht, ich mache das nie und würde es auch niemandem empfehlen. Das verringert den Respekt - vor der Situation und vor dem Publikum.

Buchtipp: Stefan Schimmel: Ihr Auftritt bitte. Goldegg Verlag, Wien 2010.