Es ist der letzte Versuch, Donald Trump als Präsidentschaftskandidaten der Republikaner noch zu verhindern: Um eine Kampfabstimmung am Parteitag zu erzwingen, sprechen sich seine Konkurrenten Ted Cruz und John Kasich ab sofort ab.
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Washington D.C. Lange Erklärungen für seine Positionen überlässt er traditionell seinen Untergebenen; wenn Donald Trump etwas seiner Meinung nach Wichtiges zu verkünden hat, fasst er sich traditionell kurz. Genauer: Seine Botschaften umfassen in der Regel nie mehr als 140 Zeichen. Soviel passt maximal in einen Tweet. Diesem bewährten Muster folgend ließ der Immobilien-Magnat am späten Sonntagabend New Yorker Ortszeit als erstes seine 7,75 Millionen Twitter-Follower wissen, was er von dem aktuellen Winkelzug seiner Konkurrenten im Rennen um die Nominierung der Republikanischen Partei zum Präsidentschaftskandidaten hält: "Wow. Ted, der Lügner und Kasich haben soeben bekannt gegeben, dass sie konspirieren, um meine Nominierung zu verhindern. EIN AKT DER VERZWEIFLUNG!"
Bis seine Sicht der Dinge auch noch bis in den allerletzten virtuellen und analogen Winkel der amerikanischen Medienwelt durchgedrungen war, dauerte es keine paar Minuten. Auch wenn Trump das Erheben von Mücken zu Elefantenstatus von jeher zur Kunstform erhoben hat: Diesmal war die öffentliche Aufregung über seine Reaktion ausnahmsweise gerechtfertigt.
Einer für beide
Tatsächlich stellt das, was die zwei anderen noch im Rennen befindlichen Kandidaten der Republikaner zuvor mitteilen ließen, eine kleine Sensation dar. Weil weder Ted Cruz (543 Delegiertenstimmen) noch John Kasich (148) nach den für Trump enorm erfolgreich verlaufenen Vorwahlen in New York State - wo der Milliardär vergangene Woche rund 60 Prozent Stimmenanteil erreichte - nunmehr auch rein mathematisch keine Chance mehr darauf haben, die für die Nominierung benötigte Delegiertenanzahl von 1237 zu erreichen, sprechen sie ihren Wahlkampf ab sofort ganz offen ab.
Das Ziel: Trump, der aktuell bei 844 Delegiertenstimmen hält, ebenfalls unter dieser Marke zu halten und damit die Voraussetzungen für eine Kampfabstimmung am sommerlichen Parteitag in Cleveland zu schaffen. In der politischen Wirklichkeit der Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 2016 findet das konkret so seinen Ausdruck: Weil Cruz in noch ausstehenden Vorwahl-Bewerben in Bundesstaaten wie, zum Beispiel, Oregon und New Mexico laut den Umfragen keine Chance auf den Sieg hat, überlässt er dort ab sofort das Feld zur Gänze Kasich und ruft seine Leute dort auf, nicht für ihn, sondern für den Gouverneur von Ohio zu stimmen. Vice versa stellt Kasich mit sofortiger Wirkung den Wahlkampf in all jenen Bundesstaaten ein, in denen er laut dem Urteil der Meinungsforscher klar hinter dem Senator von Texas liegt - allen voran in Indiana, das 57 Delegierte zu vergeben hat und wo am 3. Mai gewählt wird.
Die Absprache stellt gleichzeitig einen letzten Versuch seiner Konkurrenten, Trumps Nominierung noch während des Vorwahl-Prozesses zu verhindern wie auch einen Sieg des republikanischen Parteiestablishments zu sichern, dar. Angeführt von Reince Priebus, dem Vorsitzenden des Führungsgremiums des - formal an und für sich zur Neutralität verpflichteten - Republican National Council (RNC) sowie zahlreichen Partei-Sponsoren übten dessen Mitglieder in den vergangenen Wochen mal mehr, mal weniger offen, aber beständig intensiv Druck auf Cruz und Kasich aus, endlich eine Einheitsfront gegen Trump zu bilden. Inwieweit die neue Strategie greift, wird sich heute wahrscheinlich noch nicht zeigen, wenn die Wähler in Connecticut, Maryland, Delaware, Pennsylvania und Rhode Island ihre Stimmen abgeben.
Als Schlüssel gilt nach heutigem Stand der Dinge Indiana. Aber selbst wenn es Cruz dort trotz der nunmehrigen Schützenhilfe durch Kasich nicht gelingt, auf Platz eins zu landen, ist für die nunmehr vereinten Anti-Trump-Kräfte noch lange nicht aller Tage Abend.
Späte Entscheidung
Wirklich entscheiden könnte sich der Ausgang des mit Abstand spannendsten Rennens der jüngeren Parteigeschichte aller Voraussicht nach erst im Westen, in Kalifornien. Der mit Abstand größte aller US-Bundesstaaten vergibt am 7. Juni satte 172 Delegiertenstimmen - das sind mehr als alle anderen zusammen, die an diesem Tag ebenfalls Vorwahlen abhalten, namentlich New Mexico, Montana, New Jersey und South Dakota. Sollte Cruz‘ und Kasichs Plan aufgehen, hätte das eventuell auch weitreichende Konsequenzen für die Geschehnisse am Parteitag in Cleveland, der von 18. bis 21. Juli stattfindet.
Sollten die beiden ihren Pakt über die Vorwahlperiode hinaus erweitern - sprich Cruz als Präsidentschaftskandidat, Kasich als Vize - wäre Trump de facto isoliert; und weil die überwältigende Mehrheit der Delegierten zum Parteitag in ihrem Abstimmungsverhalten ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr an den Wählerwillen gebunden ist, gälte ihre Wahl in diesem Fall praktisch als fix. Nachdem sich dessen niemand mehr bewusst ist als Trump und seine Leute, werden sie entsprechend in den kommenden Wochen und Monaten alles auf eine Karte setzen: klare Siege an der Wahlurne. Einen Vorgeschmack auf das zu Erwartende gab Trump, natürlich, noch Sonntag nacht per Twitter: "Ted der Lügner und Kasich sind mathematisch tot und total erledigt. Die Geldgeber und die Lobbies, die sie in der Hand haben, sind unglücklich mit ihnen. Traurig!"