Ältere, ärmere und bildungsfernere Gruppen ringen um digitalen Anschluss.
Wien. Österreich macht auf dem Weg zur Informationsgesellschaft Fortschritte: Immer mehr Haushalte haben einen Zugang zu Computer und Internet, immer aktiver werden die Nutzer im Netz. Doch die Segnungen und Flüche, die das Internet bereithält, bleiben einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung immer noch vorenthalten: Jeder Fünfte ist im Jahr 2012 Offliner, verwendet das Internet also nicht. Besonders betroffen: ältere, einkommensschwache und bildungsferne Gesellschaftsschichten. Das Schließen dieser digitalen Kluft, wird daher nicht nur gesellschaftspolitisch, sondern auch demokratiepolitisch zu einer immer wichtigeren Herausforderung.
"Es gibt eine große Gruppe von Menschen, die nicht online ist", konstatierte Sozialminister Rudolf Hundstorfer bei der vom Bundeskanzleramt organisierten Expertenkonferenz "Alle ins Netz". Da dem Zugang und den Fähigkeiten im Umgang mit dem Internet längst große Relevanz in sämtlichen sozialpolitischen Bereichen vom Arbeitsmarkt über den Konsumentenschutz bis hin zur Seniorenpolitik zukommt, gelte es, neben den bereits gesetzten Maßnahmen" noch einiges zu tun", zeigt sich Hundstorfer überzeugt.
Tatsächlich ist Österreich in den vergangenen zehn Jahren eine rasante Entwicklung hin zur Informationsgesellschaft gelungen. Laut jüngsten Daten der Statistik Austria verfügen 79 Prozent der österreichischen Haushalte über einen Internetzugang – eine Verdoppelung gegenüber jenen 34 Prozent, die im Jahr 2003 ermittelt wurden. Ähnlich ist es um die tatsächliche Internetnutzung bestellt: 80 Prozent der Personen im Alter von 16 bis 74 Jahren steigen inzwischen regelmäßig ins Netz ein, 2002 waren es noch 37 Prozent. Lag der Anteil der Personen, die 2003 im Internet einkauften, ferner noch bei 11 Prozent, hat dieser Wert im Jahr 2012 bereits 49 Prozent erreicht.
Eine Entwicklung, die sich auch im internationalen Vergleich sehen lassen kann – zugleich aber längst nicht alle Österreicher erreicht hat. "Die Computer- und Internetnutzung ist in den letzten 10 Jahren sehr stark angestiegen, sie ist aber nach wie vor eine Generationenfrage, hielt Konrad Pesendorfer, Generaldirektor der Statistik Austria, im Rahmen der Expertenkonferenz fest. Und präzisierte: "Junge haben sehr intensiv mit dem neuen Medium zu tun, Seniorinnen hingegen finden noch Hürden bei der Nutzung vor." So nutzen nur 61 Prozent der Männern ab 55 Jahren das Internet, bei den Frauen der gleichen Altersgruppe beträgt der Wert überhaupt nur 42 Prozent. Daneben ist auch weiterhin eine größere Zurückhaltung bei einkommensschwächeren und bildungsfernen Bevölkerungsgruppen zu beobachten. So haben 46 Prozent der einkommensschwächsten Haushalte keinen Internetzugang, während dieser Wert beim einkommensstärksten Viertel der Bevölkerung nur 5 Prozent beträgt.
Die Gründe für eine Zurückhaltung oder gar digitale Absenz sind unterschiedlicher Natur. Zweifellos gibt es eine Gruppe von Internet-Verweigerern, die aus einer bewussten Entscheidung heraus mit dem Internet nichts zu tun haben wollen. Häufiger aber hat die Zurückhaltung mit Hemmschwellen zu tun, die durch das Gefühl fehlender Kenntnisse im Umgang mit dem Netz aufgebaut werden - statistisch gehäuft übrigens bei Personen mit geringerer Bildung. So weist die "Offliner-Studie" des Instituts für Strategieanalysen nach einer Umfrage die Selbsteinschätzung "Kenne mich mit dem Internet zu wenig aus" als häufigstes Motiv für die Nichtnutzung des Internets aus –dicht gefolgt von "kenne mich technisch zu wenig aus", wie Peter Filzmaier, Politologe und Geschäftsführer des Instituts, berichtet.
Warum aber sollte man Offliner überhaupt ins Netz holen, wenn sie es bisher auch ohne schafften? Für Medienstaatssekretär Josef Ostermayer ist das nicht zuletzt eine politische Frage. "Wir diskutieren auch über die Nutzung des Internets für die direkte Demokratie und den Zugang zu elektronischen Abstimmungsverfahren", sagt er. Der Ausschluss rund eines Fünftels der Bevölkerung bei derartigen Verfahren ist demnach allein schon aus demokratiepolitischen Erwägungen nicht hinnehmbar.
Die Notwendigkeit, der Gesamtbevölkerung Kompetenz mit den neuen Medien zu vermitteln, ergibt sich aber auch aus der Situation am Arbeitsmarkt, der von Arbeitnehmern immer stärker digitale Fähigkeiten verlangt. Gerade angesichts der hohen Altersarbeitslosigkeit könnte es demnach ein Gebot der Stunde sein, auf diese Fähigkeiten zu setzen.
Diese Tatsachen und Notwendigkeiten ausreichend zu vermitteln, ist gleichzeitig unerlässlich. Filzmaier nimmt dazu Politik und Öffentlichkeit in die Pflicht: "Man muss die Motivation, den Nutzwert, schaffen und vermitteln. Nur wenn ich motiviert bin, bin ich auch bereit, Kompetenzen zu erwerben." Das wiederum bedürfe entsprechender Ressourcen - und nicht zuletzt eines offenen Ohrs für die Offliner, wie Filzmaier betont: "Man muss Verständnis für die Gruppe der Offliner entwickeln - was gar nicht so leicht ist, weil wir in der digitalen Welt viel Selbstverständichkeiten voraussetzen." Eine positive davon sollte sein, dass alle am digitalen Fortschritt teilnehmen könnten.