Die Covid-19-Öffnungsverordnung ist wenige Tage alt und schon zweimal novelliert. Eine kritische Analyse der Schwerpunkte.
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Nun ist sie also da, die lang ersehnte Öffnung, und das mit einer ganz neuen Verordnung, der Covid-19-Öffnungsverordnung; erst wenige Tage alt und bereits zweimal novelliert. Das atemberaubende, legistische Anpassungstempo bei diesen Verordnungen scheint beibehalten zu werden. Ob da alle mitkommen? Hier sollen einige Schwerpunkte aufgezeigt werden, bei denen sich (nach wie vor) Unklarheiten ergeben.
Gutzuheißen sind dabei die Allgemeinen Bestimmungen in § 1: (FFP 2)-Maskenpflicht, Präventionskonzept und Covid-19-Beauftragter werden nun generell für alle Bereiche geregelt, was ständige Wiederholungen vermeidet. Der Wermutstropfen dabei ist: § 1 Abs. 3 "vergisst" beim Präventionskonzept nun die unbedingt voranzugehende Risikoanalyse (ISO 31000:2018), ohne die die verlangte wissenschaftliche Grundlage nicht gegeben ist. Die verlangte Schulung der Mitarbeiter beziehungsweise Geschäftsinhaber sollte sich nicht auf hygienische Aspekte beschränken, sondern alle Bereiche des Präventionskonzepts umfassen.
Im Übrigen enthält die Verordnung die altbekannten Mankos: Keine Generalklausel - daher viele Lücken zwischen den einzelnen Tatbeständen, zum Beispiel betreffend Räume, die keine "Betriebsstätten" sind. Keine Begriffsdefinitionen ("Betriebsstätten", "Zusammenkünfte", keine Erklärung, wie die zwei Meter Abstand konkret zu messen sind).
Keine klare Abgrenzung der geregelten Bereiche respektive Regelungen bei Aufeinandertreffen/Überschneidung dieser Bereiche (Kunden/Freizeit/Kulturbereiche, Gastronomie/Beherbergung, Zusammenkünfte, Jugendarbeit).
10 oder 20 Quadratmeter?
Unklarheiten bestehen auch bei der 20/10 Quadratmeter-Regelung in den Kundenbereichen, bei Freizeitbetrieben, Kultureinrichtungen und Messen, hinsichtlich der Frage: Wie wird gemessen? § 5 Abs. 3 lautet: Der Betreiber hat sicherzustellen, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 20 m2 zur Verfügung stehen; § 5 Abs. 4 indes: Der Betreiber von Betriebsstätten gemäß Abs. 3 hat sicherzustellen, dass sich maximal so viele Kunden gleichzeitig im Kundenbereich aufhalten, dass pro Kunde 10 m2 zur Verfügung stehen.
Kundenbereiche sind wohl nur jene Flächen, die von Kunden betreten werden dürfen, also etwa nicht Regalflächen. In Wahrheit wird auch nicht darauf geachtet werden, dass sich auf der relevanten Fläche nur jeweils ein Kunde befindet, sondern wird zusätzlich zur arithmetischen Berechnung der höchstzulässigen Kundenzahl der Zwei-Meter-Abstand releviert werden.
Eine weitere Unklarheit bleibt bei Märkten. Die Verordnung enthält einerseits eine Regelung über Markthallen und sagt aus, dass für Märkte im Freien zwei Meter Abstand und Maskenpflicht gelten. Nicht geregelt sind die Art der Märkte und normale Indoor-Märkte. Im Zweifel wird jeder Markt als Handelstätigkeit gelten und daher § 5 (Kundenbereiche) unterliegen.
Hinsichtlich der Regelung der Gastgewerbe (§ 6) besteht unverändert das Auslegungsproblem, dass die Verordnung von "allen Betriebsarten der Gastgewerbe" spricht. Das lässt die Frage offen, ob außerhalb dieser Betriebsarten nach Gewerberecht und daher außerhalb der Regeln des § 6 ausgeschenkt werden darf, etwa im landwirtschaftlichen Nebenbetrieb (Buschenschank).
Eine ständig kolportierte Limitierung der Personenzahl pro Tisch findet sich auch in dieser Verordnung nicht, wohl aber eine Limitierung der einzulassenden Gruppengröße (vier Personen innen/außen zehn).
Die Sinnhaftigkeit der Regelungen über Freizeitbetriebe (§ 9) am Beispiel Tanzschulen darf hinterfragt werden. Der Kernleistungsbereich (Kurse in Gesellschaftstanz und anderen Tänzen, auch Jugend/Kinderkurse, Anstandslehre, Perfektionen unter Aufsicht) ist der Freizeitbetrieb, also grundsätzlich: 20 m2 pro Kunde, was 40 m2 pro Tanzpaar mit zwei Meter Abstand bedeutet. Die Unterschreitung der zwei Meter, also der Paartanz, ist nur durch gemeinsam im Haushalt lebende Kunden und mit Maske erlaubt. Kurse in der Tanzschule gelten daher nicht als Zusammenkünfte.
Tanzschule als Sportstätte
Nur beim Unterricht im sportlichen Bereich (zum Beispiel Rock’n’Roll-Akrobatik oder Turniertanz/Tanzsport) darf sinngemäß § 8 Abs. 6 Z 2 angewendet werden: Unterschreitung der zwei Meter bei Ausübung von Sportarten, bei deren Ausübung es zu Körperkontakt kommt und für kurzfristige sportarttypische Unterschreitungen des Mindestabstands, wobei bei der Sportausübung keine Maskenpflicht besteht. Bei Kursen für Kinder und Jugendliche gelten keine weiteren Ausnahmen, aber Achtung! Kindertanzunterricht ist nicht Jugendarbeit nach § 14. In Einzelfällen könnte eine Tanzschule zu einer Sportstätte (§ 8) werden beziehungsweise dort eine Zusammenkunft im Spitzensport (§ 15) stattfinden. Die Maskenpflicht generell könnte aus pädagogischen Gründen entfallen.
Für den angestellten Tanzlehrer beziehungsweise -instruktor gilt § 10 (Arbeitsorte), das heißt: Ist er getestet, genesen oder geimpft (drei G), benötigt er keine Maske und muss zwei Meter Abstand einhalten; ohne drei G muss er - ebenfalls bei zwei Meter Abstand - eine Maske tragen. Auch für den Unternehmer, also Tanzmeister, gelten zwei Meter Abstand und Maskenpflicht.
Bleibt zu hoffen, dass sich da jeder auskennt. Bereits kursierende "Auslegungen" dazu lassen zumindest aus juristischer Sicht Schlimmes befürchten.
Der Verordnungsgeber verwendet nunmehr, offensichtlich aufgrund heftiger Kritik an dem zuvor verwendeten diffusen und nicht rechtskonsistenten Veranstaltungsbegriff, nur mehr den Terminus "Zusammenkünfte" (§ 13), freilich ohne diesen zu definieren. Wenigstens belästigen uns jetzt nicht mehr Begräbnisse und Ausflugsfahrten im Autobus als Events.
Kein Kongressparagraf mehr
Die Messen haben es wieder geschafft, einen eigenen Paragraf zum "Hochfahren" (§ 16) zu bekommen, den Kongressen blieb dies verwehrt; wohl enthielt der Entwurf zur Verordnung auch einen Kongressparagraf, doch war dieser in der endgültigen Verordnung wieder verschwunden.
Eine weitere Zweifelsfrage wirft § 17 Abs. 8 Z 1 auf, wonach in Betriebsstätten und an bestimmten Orten, an denen es zu einem Aufenthalt überwiegend im Freien kommt und aufgrund dieser Verordnung gegenüber Personen, die nicht im gemeinsamen Haushalt leben, ein Abstand von mindestens zwei Meter einzuhalten ist, die Registrierungspflicht nicht gilt. Man denke an Gastgärten oder Gastronomiebetriebe, die überhaupt nur einen Freibereich draußen haben. Laut Wirtschaftskammer gilt das nicht für die Gastronomie. Man fragt sich, mit welcher Begründung? Viele Wirte sind massivst verunsichert.
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