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Die Regierung präsentierte einen Lockerungs-Plan, dessen Umsetzung noch unsicher ist, aber dennoch naheliegend.
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Am 4. Dezember des Vorjahres sperrten in Irland die Pubs und Cafés auf. Die 7-Tages-Inzidenz lag damals unter 50, jenem Zielwert, den Österreichs Regierung im Jänner mit dem Lockdown erreichen wollte, dann aber verfehlte. Vorarlberg kam immerhin nahe heran und liegt nach wie vor nicht weit davon entfernt. Deshalb dürfen dort in zwei Wochen, am 15. März, Kulturstätten und Lokale öffnen, und zwar auch deren Innenbereiche.
In Irland passierte nach der Öffnung zunächst nicht viel, zumindest nichts, was sich in Infektionszahlen ablesen ließ. Die Inkubationszeit liegt aber bei etwa fünf Tagen, bis Tests ausgewertet werden, vergeht auch Zeit. Bis Weihnachten hatte sich die Inzidenz dann verdoppelt- nicht schlimm, aber dennoch Grund genug für die irische Regierung, alle Pubs und Restaurants wieder zu schließen. Es war eine weise Entscheidung, die dennoch zu spät kam. Denn in den zwei Wochen danach verzehnfachten sich die Infektionszahlen und lagen deutlich über dem Rekordwert, den Österreich im November registrierte.
Als Vorschau auf das, was nach dem 15. März in Vorarlberg passieren wird, taugt das Beispiel Irland nicht, als Mahnung aber sehr wohl. Denn noch dürften die neuen, infektiöseren Varianten in Vorarlberg nicht so verbreitet sein wie im Osten des Landes. Sie werden sich aber ausbreiten. Deshalb haben Epidemiologen und Virologinnen am Montag bei den Verhandlungen zwischen Regierung und Landeshauptleuten vor Öffnungsschritten gewarnt.
Herausgekommen sind dann in Wahrheit auch gar keine Schritte, sondern eher ein Anlaufnehmen. Denn vorerst ändern sich die Maßnahmen nirgendwo, ab 15. März dann in Vorarlberg in etlichen Bereichen, wobei die genauen Rahmenbedingungen, etwa bei den Zutrittstests, noch ausgearbeitet werden müssen. So könnten auch Selbsttests unter gewissen Umständen, wenn es gelingt, Missbrauch auszuschließen, für den Besuch im Lokal ausreichen.
Im restlichen Österreich wird Mitte März nur der Kinder- und Jugendsport ermöglicht, der über Monate Pause hatte. Welche Auswirkungen diese Unterbrechung langfristig haben wird, ob vielleicht, wie es einige Sportverbände befürchten, viele hoffnungsvolle Karrieren durch die Corona-Pandemie beendet wurden, wird frühestens der Herbst weisen.
Epidemiologe Gartlehner hält Ankündigung für "symbolisch"
Die nächsten Lockerungen sind dann erst für 27. März avisiert mit der Öffnung von Schanigärten. Das war primär ein Wunsch der Landeshauptleute, vor allem jener im Osten. Der 27. März sei ein Ziel, sagte Bundeskanzler Sebastian Kurz, eine Garantie für diesen Öffnungsschritt gab die Regierung allerdings nicht ab.
Der Epidemiologe Gerald Gartlehner interpretiert die Ankündigung auch als "symbolische", wie er sagt. Es lasse sich nicht seriös sagen, wie die Fallzahlen Ende März aussehen werden. Würde man aber die derzeitige effektive Reproduktionszahl von 1,1 fortschreiben, würden sich "die Infektionszahlen so in den nächsten drei Wochen verdoppeln", so Gartlehner. Nachsatz: "Ob dann mit noch höheren Zahlen als jetzt geöffnet wird, wage ich zu bezweifeln."
Bis auf den Jugendsport und die Schanigärten bleiben alle übrigen derzeit noch geschlossenen Bereiche auch bis weit nach Ostern zu. Inwieweit für die Mitte bis Ende April geplanten weiteren Öffnungen Vorarlberg als Pilotregion dienen kann, hängt auch von der weiteren Verbreitung der infektiöseren Virusvarianten ab. Im April könnte dann auch der erwartete (oder nur erhoffte?) Saisonalitätseffekt wirksam werden, der es für das Virus schwieriger macht, sich zu verbreiten. "Es würde mich sehr wundern, wenn es diesen Effekt nicht gäbe", sagt der Simulationsforscher Nikolas Popper.
Dass sich die Öffnung von Gast- und Schanigärten sehr negativ im Infektionsgeschehen niederschlägt, ist aber nicht fix. In den Bewegungsdaten sind markante Anstiege der Mobilität in Parks zu beobachten. Das war auch das Argument der Landeshauptleute: Die Menschen würden sich draußen treffen, aber unreguliert, eventuell ungetestet. In den Schanigärten dürfte man nur mit einem negativen Testergebnis. Wien will auch Flächen zur Verfügung stellen, die von Gastronomen ohne Schanigarten betrieben werden können.
Wenn dort Freunde und Kollegen zusammenkommen, verbleiben sie weitgehend in ihren Kontaktnetzwerken - ein wichtiger Punkt. Viele, die sich jetzt mit Bekannten für Spaziergänge verabreden, werden sich ab Ende März, sollte es zu den Öffnungen kommen, im Gastgarten treffen. Im Freien können bei längeren Kontakten zwar auch Ansteckungen passieren, die Gefahr ist aber geringer. In Innenräumen überlappen sich die Kontaktnetzwerke zwangsläufig, da sich infektiöse Aerosole in schlecht belüfteten Lokalen verteilen und zu Ansteckungen drei Tische weiter führen können. Durch Tests hofft die Politik auf weitere Sicherheit und das Erwischen unentdeckt Infizierter.
Damit dieser Faktor allerdings auch wirklich greift, muss das Contact Tracing besser und schneller funktionieren, wie Popper sagt. "Die Isolierung muss innerhalb von 24 Stunden erfolgen, sonst bringt es nichts", sagt der Forscher. Derzeit wird nach einem positiven Antigentest aber erst mit PCR nachgeprüft, ob es sich nicht um ein falsch positives Resultat handelt. Bei etwa einem Viertel der positiven Schnelltests in der Schule war das auch der Fall. Wenn das Contact Tracing aber erst ein oder zwei Tage später beginnt, ist es nicht mehr wirksam.