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"Oft dem Zeitgeist etwas voraus"

Von Matthias Nagl

Politik
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Die Grüne Landessprecherin Astrid Rössler.
© Erika Mayer

Listenerste Astrid Rössler sieht Partei auch in Finanzfragen als Avantgarde.


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"Wiener Zeitung": Der Salzburger Finanzskandal ist im Bundesland das Hauptthema in den vergangenen Monaten und Grund für die vorgezogenen Landtagswahlen. Die Umfragen sagen den Grünen deutliche Gewinne voraus. Hätte Ihnen etwas Besseres als dieser Skandal passieren können?Astrid Rössler: Ich sehe es als Chance, dass wir unsere seriöse Arbeit und Kompetenz unter Beweis stellen konnten. Es ist aber auch für die anderen Parteien eine Chance zu beweisen, was Landtagsarbeit heißt, und was Krisenbewältigung heißt. Wie weit sind alle vier Fraktionen bereit, sich an der Aufklärung zu beteiligen, wenn etwas schiefgeht.

Das ist nun sozusagen Spekulation. Aber hätte es diesen Skandal nicht gegeben, glauben Sie, würden die Grünen in den Umfragen ähnlich liegen?

Ich sage selbstbewusst ja. Weil ich in den letzten Jahren an der Stimmung gesehen habe, dass der Veränderungsbedarf und die Unzufriedenheit mit dem System von Rot-Schwarz in den letzten Jahren zugenommen hat. Es gibt vieles, wo ich gröbere Versäumnisse sehe, weil der Verwaltungsapparat und viele grundsätzliche Strukturen einfach nicht mehr so funktionieren.

Was sind da die Hauptkritikpunkte?

Ein grässliches Versagen was die Energiewende betrifft. Wir haben ein Energieleitbild aus dem Jahr 1997, also aus dem letzten Jahrtausend. Das zweite ist: Es gibt keinerlei Lösung im Bezug auf Raumordnung und Verkehrspolitik im Salzburger Zentralraum.

Der Untersuchungs-Ausschuss zum Finanzskandal wurde gerade erst abgeschlossen, es gibt alle paar Wochen einen neuen Bericht von unterschiedlichen Seiten. Kommt man aktuell überhaupt mit anderen Themen als dem Finanzskandal durch?

Es ist schon berechtigt den Fokus jetzt auf den Finanzskandal und die Kontrolldefizite zu richten. Ohne eine massive Reform im Bereich Kontrolle und Transparenz werden auch die Inhalte nicht vorankommen.

Wo muss man da ansetzen?

Die Führungsebene in den wesentlichen Abteilungen, die in den vergangenen zehn, zwanzig Jahren zum allergrößten Teil nach Parteizugehörigkeit besetzt wurden, wird sicher zu diskutieren sein. Wenn die Farben passen, gibt es keine professionelle Kultur der Kontrolle, sondern man verlässt sich auf die Loyalität.

Sie sind im Wahlkampf unterwegs. Können die Salzburger das Wort Finanzskandal eigentlich noch hören?

Es kommt jetzt die Zeit, wo man allmählich über Lösungen diskutieren muss. Es stellt sich auch die Frage, wie ist jetzt wirklich die Finanzlage des Landes? Da sehen wir ja auch noch nicht in allen wichtigen Punkten klar.

Ihr Kollege Cyriak Schwaighofer hat schon 2006 in einer Aussendung vor den negativen Folgen von Spekulationsgeschäften gewarnt. Das hat offensichtlich überhaupt nichts genutzt. Ist das nicht frustrierend?

Ich sehe das positiv. Wir beanspruchen für uns als Grüne, dass wir oft dem Zeitgeist etwas voraus sind und daher vielleicht auch ein bisschen früher auf Probleme hinweisen. In diesem Fall waren die Bedenken wie sich zeigt vollkommen berechtigt. Das gute daran ist, jetzt ist der Leidensdruck so groß, dass man auch bei den anderen Parteien Veränderungsbereitschaft sieht. Die Meinung hat sich gewandelt.

Ist die Zeit auch reif für eine grüne Regierungsbeteiligung?

Aus meiner Sicht ja. Die Grünen sind lange genug im Landtag, um die Erfahrung beweisen zu können.

Es ist gut möglich, dass die Mehrheitsverhältnisse eine Dreier-Koalition erfordern. Ist eine solche Variante für Sie auch vorstellbar?

Ich will nichts ausschließen. Es wird natürlich mehr erforderlich sein als nur die Mehrheitsverhältnisse. Wirklich entscheidend ist, ob die Parteien, die sich für eine  Regierung anbieten, auch bereit sind, die notwendige grundlegende Systemveränderung zu starten.

Gibt es auch inhaltliche Koalitionsbedingungen?

Ja, zum Beispiel das Großprojekt der 380-kV-Leitung. Da ist eine Freileitung für mich keine Option. Da würden wir in den Verhandlungen für eine Verkabelung massiv Druck ausüben. Auch sonst haben wir gerade im Umwelt- und Energiebereich eine klare Positionierung, was sich ändern müsste.

Der Schuldenabbau wird für die nächste Regierung eine wesentliche Rolle spielen. Haben Sie auch Ideen, wo man einsparen könnte?

Ja, man wird vielleicht den Voranschlag neu denken müssen und mit einem Nullbudget starten. Das wäre mutig. Nicht das alte fortführen und zu sagen, 'wir müssen überall acht Prozent einsparen'. Sondern den Spieß umzudrehen und zu sagen, 'fangen wir mit Null an, und diskutieren wir über das, was wir jetzt wirklich brauchen'. Dann wird man sehr schnell die Prioritäten offenlegen müssen.

Sie sind nach wie vor in einer Bürgerinitiative gegen den Salzburger Flughafen, den zweitgrößten Österreichs, aktiv. Braucht Salzburg diesen Flughafen?

Ich glaube schon, dass es Sinn macht, diesen Flughafen zu haben. Mit Berücksichtigung der speziellen Lage im Stadtgebiet und dass daher ein weiterer Ausbau mit diesen Rahmenbedingungen für mich nicht denkbar ist.

In Salzburg ist die Tourismuswirtschaft sehr wichtig, gerade im Gebirge. Dort wird das vielleicht ein bisschen anders gesehen. Dort ist der Flughafen als Zubringer ein wichtiger Faktor.

Es gibt natürlich immer verschiedene Aspekte. Zum Einen gab es sehr erfolgreiche Skizüge aus nördlichen Ländern. Da wäre glaube ich ein sehr großes Potenzial. An den Spitzentagen des Flughafens bleiben nur 40 bis 50 Prozent der Gäste im Bundesland Salzburg. Der Rest geht nach Tirol, Oberösterreich und in die Steiermark. Wir sind inzwischen Hauptzubringer für Tirol, weil Innsbruck eine Deckelung für Spitzentage hat.
Außerdem glaube ich, dass die Bedürfnisse der Gäste inzwischen anders sind. Der strikte, sture Samstagwechsel ist überhaupt nicht im Interesse. Die einen stehen auf den Zubringern im Stau, die anderen haben den überdimensionalen Verkehr am Flughafen, die Hotellerie hat den kompletten Wechsel an einem Tag. Da könnte man ohne weiteres über mehr Verteilung und Flexibilität diskutieren.

Zur Person
Astrid Rössler (53) ist Spitzenkandidatin der Salzburger Grünen. Die Juristin sitzt seit 2009 im Landtag und ist seit 2011 auch Landessprecherin. Rössler ist selbständige Beraterin und Mediatorin und arbeitete davor in der Salzburger Landesumweltanwaltschaft. Sie engagiert sich auch im Anrainerschutzverband des Salzburger Flughafens.