Die Spannung zwischen Gewerkschaft und Regierung rund um die gestrige Debatte der 58. ASVG-Novelle im Sozialausschuss und der damit verbundenen Neuordnung des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger wächst. Vor allem die Unvereinbarkeitsregelung wird von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite gleichermaßen abgelehnt. Bundeskanzler Wolfgang Schüssel will die ÖAAB-Fraktion nun auf Parteilinie bringen.
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Kanzler Schüssel ging gestern nach dem ÖVP-Bundesparteivorstand von einer geschlossenen Zustimmung der ÖVP-Abgeordneten aus. Die Abstimmung im Nationalrat ist für 6. Juli geplant. Der Kanzler betonte, dass eine Parität zwischen Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite auf Ggrund des Beitragsaufkommens berechtigt sei. In Anspielung auf Hauptverbandspräsident Hans Sallmutter sagte der Kanzler, er finde es"nicht klug", wenn der Obmann einer Trägerorganisation im Verwaltungsrat vertreten sei.
"In Österreich gibt´s Meinungsfreiheit und es ist selbstverständlich zulässig" kommentierte der Bundeskanzler den einstimmigen Beschluss des ÖGB beim gestrigen ÖGB-Bundesvorstand, am 5. Juli eine Protestdemonstration gegen die "geplante Zerschlagung der Selbstverwaltung der Sozialversicherungsträger durch die Bundesregierung" durchzuführen. Der Beschluss ist auch mit den Stimmen der ÖVP- und des FPÖ-Vertreters gefasst worden.
Die Stimmung im ÖGB-Vorstand sei "sehr scharf" gewesen, berichtete Präsident Fritz Verzetnitsch. Er schloss auch Streiks nicht aus: Man müsse deutlich machen "bis hierher und nicht weiter". Enttäuscht ist man im ÖGB auch darüber, dass die Wirtschaftskammer das gemeinsame Konzept zur Sozialversicherung verlassen hat. Metaller-Chef Rudolf Nürnberger sieht eine "ernste Situation" darin, wenn sich die Wirtschaftskammer (WKÖ) nicht an Vereinbarungen halte.
GÖD-Vorsitzender Fritz Neugebauer sieht in der Reform eine "Anlassgesetzgebung". Es wisse jedermann, was in den vergangenen Monaten diskutiert worden sei - "der Kollege Sallmutter". Für ihn ist auch noch nicht sicher, dass die Abgeordneten des ÖAAB der Reform ihre Zustimmung geben.
WKÖ-Präsident Christoph Leitl und Generalsekretär Reinhold Mitterlehner versuchten dem ÖGB entgegen zu kommen und sprachen sich dafür aus, die Besetzung der Arbeitnehmer-Kurie im Verhältnis 4 SPÖ, 1 ÖVP, 1 FPÖ zu gestalten. Die AK-Wahlen müssten adäquat berücksichtigt werden. ÖAAB-Generalsekretär Walter Tancsits ist aber dagegen. Im Ausschuss soll ein Verhältnis 3:2:1 beschlossen werden.
Mit den Unvereinbarkeitsbestimmungen (siehe Kasten rechts) wäre keiner der derzeit 30 Funktionäre des Hauptverbandes mehr im künftigen Verwaltungsrat vertreten. Das bedeutet, neben Präsident Hans Sallmutter (S) hätten auch die beiden Vizepräsidenten Helmut Oberchristl (S) und Manfred Gründler (V) keine "Zutrittsberechtigung" für den Verwaltungsrat. Dieser soll aus 12 Personen bestehen. Wobei je sechs von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite entsendet werden. Das Präsidentenamt soll jährlich zwischen den beiden Kurien rotieren. Neu ist, dass die drei stimmenstärksten Fraktionen zumindest mit einem Mitglied vertreten sein müssen, dadurch käme die FPÖ zum Zug. Damit wird auch das Ergebnis der AK-Wahl (57,5 Prozent FSG, 26,2 Prozent ÖAAB und 9,7 Freiheitliche Arbeitnehmer) als Basis für die Besetzung nur noch teilweise relevant. Im derzeitigen Verbandsvorstand gibt es 10 Mitglieder, sechs der SPÖ und vier der ÖVP. Die FPÖ ist nicht vertreten.