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ÖGB hinkt bei 32-Stunden-Woche hinter Babler her

Von Karl Ettinger

Politik

Gewerkschaftskongress berät über Arbeitszeit und fordert 2.000 Euro Mindestlohn.


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So forsch wie der neue SPÖ-Bundesparteichef Andreas Babler geht es der Gewerkschaftsbund (ÖGB) bei der Verkürzung der Arbeitszeit nicht an. Während sich Babler für eine 32-Stunden-Woche ausgesprochen hat und damit Alarmrufe auf Wirtschaftsseite ausgelöst hat, tritt der ÖGB zwar auch für eine Arbeitszeitverkürzung ein, lässt sich beim Ausmaß aber Spielraum. Jedenfalls findet sich im 150 Seiten umfassenden Programm, das der ÖGB bei seinem dreitägigen Bundeskongress ab Dienstag beschließen wird, lediglich die Forderung nach einer weiteren Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohnausgleich. Präsident Wolfgang Katzian, der sich der Wiederwahl stellt, wollte am Samstag im ORF-Radio dennoch keinen Widerspruch sehen.

Die rote Gewerkschaftsfraktion (FSG) unter ihrem scheidenden Vorsitzenden Rainer Wimmer war stets ein Rückhalt für die inzwischen abgelöste SPÖ-Parteichefin Pamela Rendi-Wagner. ÖGB-Chef Katzian ist zwar von der Linie des neuen SPÖ-Chefs Babler angetan. Schließlich liegt der Niederösterreicher mit der Forderung nach einer "Millionärssteuer" und der Wiedereinführung der 2008 abgeschafften Erbschaftssteuer für Erbschaften ab einer Million Euro ganz auf Linie des ÖGB. Katzian kommt aus der größten Teilgewerkgewerkschaft, jener der Privatangestellten (GPA), die seit Jahren eine der treibenden Kräfte auch im ÖGB für eine Erbschaftssteuer ist und auch bereits konkrete Modelle erstellt hat.

Für den Gewerkschaftsbund ist klar, dass es nach der Arbeitszeitreduktion im Jahr 1975 längst wieder Zeit für eine weitere Verkürzung ist. Allerdings kommt dabei auch die Rolle des ÖGB und seines Präsidenten als Sozialpartner ins Spiel, der dabei oft eigene Wünsche mit Anliegen der Wirtschaft und Industrie abwägt. Was die Debatte um die Arbeitszeit betrifft, kommt noch hinzu: Gerade die GPA, die jetzt von Barbara Teiber geführt wird, hat sich schon vor Jahren für die Vier-Tage-Woche stark gemacht, da manchen Beschäftigten eine Vier-Tage-Woche mit einem längeren Wochenende wichtiger als eine Verkürzung der Arbeitszeit ist.

Statt bisher 1.700 nun 2.000 Euro Mindestlohn

Dafür macht der Gewerkschaftsbund jetzt verstärkt Druck für eine weitere Anhebung des Mindestlohnes, allerdings auf kollektivvertraglicher Ebene und nicht gesetzlich, wie etwa von Burgenlands Landeshauptmann Hans Peter Doskozil gefordert. Die ÖGB-Forderung nach 2.000 Euro brutto Mindestlohn wurde bereits im Vorjahr erhoben, erlangt aber angesichts der Rekordteuerung eine zusätzliche Brisanz.

Derzeit ist noch die Forderung des ÖGB nach einem Mindestlohn von 1.700 Euro brutto im Monat gültig. Aber die Produktionsgewerkschaft (Pro-ge), die ehemalige Metallergewerkschaft, hat das Ziel mit knapp mehr als 2.000 Euro bereits mit der Lohnrunde im Vorjahr erreicht. Dafür gibt es zwei Gründe: In der Metallbranche wird grundsätzlich mehr bezahlt, außerdem ist diese Teilgewerkschaft auch rasch mit Kampfmaßnahmen bei der Hand, wenn die Arbeitgebervertreter Lohnforderungen nicht erfüllen.

Katzian hat die Lohnrunde, die üblicherweise von der Pro-ge im September eröffnet wird, zuletzt befeuert. Grund für eine Zurückhaltung bei der Lohnrunde sieht er keinen, während das auch von Ökonomen verlangt wurde, um die in Österreich im EU-Vergleich höhere Inflation nicht weiter anzuheizen. Die Pro-ge hat seit der Vorwoche mit Reinhold Binder einen neuen Vorsitzenden.

Mehr Stellenwert für Klimaschutz

Der Gewerkschaftsbund macht sich außerdem dafür stark, die von ÖVP und FPÖ beschlossene und seit 2020 voll in Kraft befindliche Reform der Sozialversicherung de facto rückgängig zu machen. Konkret wird verlangt, dass die Arbeitnehmer in der Sozialversicherung, wie es bei den früheren Gebietskrankenkassen der Fall war, wieder das Sagen haben. Die türkis-blaue Reform hat hingegen den Arbeitgebervertretern auch in der Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) für die Arbeitnehmer eine entscheidende Rolle gesichert.

Auffallend ist, dass dem Klimaschutz im ÖGB-Forderungsprogramm deutlich mehr Gewicht als in der Vergangenheit verliehen wird. Das zeigt sich allein daran, dass dieses im Programm weit vorangestellt wurde. Dem ÖGB geht es speziell darum, dass die Beschäftigten nicht vom Ausbau der Klima- und Umweltschutzmaßnahmen überrollt werden, sondern dass ein sozial "gerechter" Umstellungsprozess erfolgt, die Gewährleistung eines "leistbaren und verteilungsgerechten Übergangs" stehe deshalb im Vordergrund. Die individuelle wirtschaftliche Leistungsfähigkeit müsse berücksichtigt werden. Dazu sei vor allem auch ein Ausbau der Rolle des Staates in der Daseinsvorsorge, etwa auch im Energiebereich notwendig.

Für das Gesundheitssystem werden "ausreichende personelle und finanzielle Ressourcen" verlangt. Personalengpässe vor allem in den Spitälern haben zuletzt mehrfach zu Protesten und Alarmrufen von betroffenen Ärzten sowie Pflegekräften geführt.

Im Programm findet sich auch die Forderung nach einer Anhebung des Arbeitslosengeldes von einer Nettoersatzrate von bisher 55 Prozent auf 70 Prozent. Die Koalition konnte sich im Vorjahr nicht auf ein Maßnahmenpaket für den Arbeitsmarkt und das Arbeitslosengeld einigen. Die Gewerkschafter machen angesichts der hohen Teuerungsrate Druck, weil das Arbeitslosengeld im Gegensatz etwa zu staatlichen Sozialleistungen wie dem Pflegegeld nicht automatisch erhöht wird.

Zum Auftakt des ÖGB-Kongreses tagen am Dienstag die Fraktionen getrennt. Sowohl bei den roten Gewerkschaftern (FSG) als auch bei den schwarzen Christgewerkschaftern (FCG) kommt es zu personellen Veränderungen: Neuer FSG-Chef wird Bauholz-Chef Josef Muchitsch. In der FCG wird ÖVP-Nationalratsabgeordnete Romana Deckenbacher, wie in der Vorwoche berichtet, Norbert Schnedl nachfolgen und auch ÖGB-Vizepräsidentin werden.