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ÖGB-interner Streit über Gesamtschule

Von Brigitte Pechar

Politik

Aufhorchen ließ gestern die Vorsitzende der AHS-Lehrergewerkschaft, Eva Scholik: Die Einführung der Gesamtschule sei durch die PISA-Studie nicht begründbar. Österreich habe ein bewährtes und durchlässiges Schulsystem. Sie widerspricht damit offen einem ÖGB-Beschluss, der klar für die Einführung einer Gesamtschule plädiert. Im ÖGB wird denn auch Scholiks Vorpreschen in dieser Frage als "Privatmeinung" abgetan.


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Seit der Veröffentlichung der Ergebnisse der PISA-Studie wird von manchen Bildungspolitikern und Experten die Einführung der Gesamtschule gefordert. Tatsächlich gebe es jedoch keinen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Ländern mit Gesamtschule und den Ländern mit einem differenzierten Schulwesen bei den Durchschnittsergebnissen, argumentiert Scholik.

Sie verweist auf die Durchlässigkeit des österreichischen Schulsystems, das auch einen wichtigen Beitrag zur niedrigen Jugendarbeitslosigkeit leiste. "Es erscheint daher wenig sinnvoll, die Gesamtschule einzuführen und damit die Allgemeinbildende Höhere Schule abzuschaffen."

"Noch dazu, wo gerade die AHS bei der PISA-Studie die besten Ergebnisse in Österreich erzielen konnte", weist Scholik Veränderungen in der AHS von sich. Reformen müssten schwerpunktmäßig dort ansetzen, wo massive Leistungsdefizite erkennbar seien, nämlich bei den Grundtechniken Rechnen, Schreiben und sinnerfassendes Lesen.

Anderer Meinung ist in dieser Frage allerdings der ÖGB. Die Aussagen Scholiks zur Gesamtschule seien "deren Privatmeinung. Die ÖGB-Beschlusslage ist eine andere", betont Alexander Pischl, Leiter des Referats für Berufsbildung im ÖGB gegenüber der "Wiener Zeitung". Schon beim Bundeskongress 1999 sei eine gemeinsame Mittelstufe beschlossen worden. Das Bekenntnis zu einer Gesamtschule, zu ganztägigen Schulformen und Förderunterricht mit Rechtsanspruch, um dem Nachhilfewesen Abhilfe zu schaffen, werde daher auch von ÖGB-Präsident Fritz Verzetnitsch vertreten. Warum gerade die AHS-Lehrergewerkschaft gegen eine Gesamtschule ist, kann sich Pischl nicht erklären.

Breiter Konsens besteht dagegen darin, dass die bestmögliche Ausbildung für Lehrerinnen und Lehrer eine der Grundlagen für ein erfolgreiches Bildungswesen ist. Wie die Lehrerausbildung bei einer Änderung der Schulformen aussehen wird, hänge von der neuen Schulorganisation ab, erklärt Pischl. Allerdings fehlten dafür noch die Vorschläge von Bildungsministerin Elisabeth Gehrer.

Die AHS-Lehrergewerkschaft baut aber auch hier schon vor: "Die Lehrberechtigung für Allgemeinbildende Höhere Schulen muss weiterhin durch ein Universitätsstudium erworben werden", gibt Scholik die Richtung vor. Ihrer Meinung nach könne ein wissenschaftliches Fachstudium keinesfalls durch ein modulares Kurzstudium von zwei Jahren ersetzt werden. Sie hält auch nichts von der Meinung, dass die pädagogische Ausbildung an den Unis nicht ausreichend wäre.