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ÖGB unter FPÖ-Dauerbeschuss

Von Martyna Czarnowska

Politik

Ein Ende der aktuellen Debatte rund um den ÖGB ist nicht in Sicht. Hatte zuletzt Bundespräsident Thomas Klestil zu mehr Sachlichkeit in der Diskussion aufgerufen, wiederholte Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer gestern die Vorwürfe der FPÖ gegen die derzeitige Gewerkschaftsspitze.


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Eine starke Arbeitnehmervertretung sei wünschenswert. Es war kein Gewerkschafter, der dies gestern betonte sondern die FPÖ-Bundesparteiobfrau und Vizekanzlerin Susanne Riess-Passer. In den ORF-"Sommergesprächen" stellte sie klar, dass es keineswegs ihr Bestreben sei, die Gewerkschaften abzuschaffen. Weniger zugetan ist Riess-Passer allerdings den Personen an deren Spitze.

Denn während die Kleinen die Arbeit machen, kassieren die Großen nur, brachte die Vizekanzlerin vor. Es handle sich um Systemfehler, die seit Jahrzehnten aufgebaut werden. Und dabei sollte die Gewerkschaft von "Leuten geführt werden, die ein Gefühl für Anstand und natürliche Bescheidenheit" haben.

Für eine ÖGB-Reform hält die FPÖ einige Rezepte parat, die Riess-Passer mit den Schlagworten umriss: Transparenz, Offenlegung der Bezüge oder mehr Mitsprache für die Mitglieder. Weiters plädierte sie für Überparteilichkeit und verwies auf den deutschen Gewerkschaftsbund: Dort dürften Vorstandsmitglieder keinen Sitz im Bundestag einnehmen.

Eine "totale Strukturreform" des ÖGB wünscht sich auch ÖAAB-Vorsitzender Werner Fasslabend. Ein neues Wahlrecht sei Voraussetzung für das Überleben der Sozialpartnerschaft, erklärte er gegenüber der "Presse". Denn das Entsendungssystem sichere eine übermächtige Dominanz der SPÖ im ÖGB-Präsidium.

Wenig anfangen kann mit den Vorschlägen erwartungsgemäß der Gewerkschaftsbund, der mit klaren Worten auf die Kritik der Vizekanzlerin reagierte. "FPÖ-Vorsitzende Riess-Passer sollte besser vor der eigenen Tür kehren, bevor sie andere mit Unwahrheiten und Halbwahrheiten durch den Dreck zieht", hieß es gestern in einer Aussendung. Mehr Sorge als um den ÖGB sei um den politischen Stil der FPÖ angebracht.

Als "schlimme Diffamierung aller engagierten Arbeitnehmer" bezeichnete der Vorsitzende der Gewerkschaft Druck, Journalismus, Papier, Franz Bittner, einige Aussagen Riess-Passers. Daher begrüßte er die offene Kritik von Bundespräsident Thomas Klestil, der zu mehr Sachlichkeit in der Diskussion gemahnt hatte. Er bedauere aber, dass diese Wortmeldung von den Freiheitlichen nicht ernst genommen werde. "Klare Worte" hätte sie sich schon früher vom Bundespräsidenten erwartet, hatte Vizekanzlerin Riess-Passer nämlich festgestellt.