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OGH gegen Formalismen

Von Stephanie Dirnbacher

Wirtschaft

Weicht das Höchstgericht das Schriftformgebot auf? | Arbeitsrechtsexperte äußert "rechtsstaatliche Bedenken". | Wien. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hätte sich in einem Erkenntnis "über das Gesetz hinweggesetzt". Mit dieser scharfen Kritik greift Arbeitsrechtsexperte Franz Heidinger von der Kanzlei Alix Frank Rechtsanwälte eine aktuelle Entscheidung des Höchstgerichts an.


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In dem Fall ging es um die Zulässigkeit der Kündigung einer Mitarbeiterin, die sich in Elternteilzeit befunden hatte. Grundsätzlich besteht hier nämlich Kündigungsschutz. Der Arbeitgeber hatte aber darauf verwiesen, dass die Elternteilzeit zwar besprochen, aber nicht fristgerecht - spätestens drei Monate vor dem beabsichtigten Beginn der Elternteilzeit - schriftlich festgelegt worden war, wie es im Gesetz vorgeschrieben sei.

Der OGH sah die mangelnde Schriftform jedoch als unbedenklich an - die Elternteilzeit und der damit verbundene Kündigungsschutz bestünde trotzdem. Heidinger sieht die Entscheidung "sehr kritisch" und äußert "rechtsstaatliche Bedenken". Schließlich ist im Gesetz ausdrücklich vorgesehen, dass die Dienstnehmerin dem Dienstgeber die Teilzeitbeschäftigung einschließlich deren Dauer, Ausmaß und Lage "schriftlich bekannt zu geben" hat.

Heidinger befürchtet nun, dass das Schriftlichkeitsgebot durch den OGH auch in anderen Bereichen aufgeweicht werden könnte. Diesem Bedenken tritt OGH-Vizepräsident Ronald Rohrer im Gespräch mit der "Wiener Zeitung" entschieden entgegen. Ist die Schriftform als Wirksamkeitsvoraussetzung für eine Handlung - wie etwa für die Lehrlingskündigung - vorgesehen, sei daran nicht zu rütteln, so Rohrer.

Bei der Elternteilzeit würde die schriftliche Bekanntgabe jedoch nur der Beweissicherung der Eckpunkte der Teilzeitbeschäftigung dienen. In dem konkreten Fall seien sich Arbeitnehmerin und Chef im Hinblick auf die Elternteilzeit ohnehin einig gewesen und hätten diese sogar praktiziert. Würde man den Kündigungsschutz nur deshalb verneinen, weil keine fristgerechte schriftliche Bekanntgabe erfolgt war, "wäre es ein sinnentleerter Formalismus". Der Senat hätte solch einen förmlichen Standpunkt zugunsten einer "lebensnahen" Entscheidung abgelehnt.