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ÖH-Wahl und keiner geht hin?

Von Martin Tschiderer

Politik

Bei der Wahl zum "Studierendenparlament" kämpfen die Fraktionen gegen eine pandemiebedingt womöglich besonders niedrige Wahlbeteiligung - und gegen Imageprobleme nach einer gesprengten Koalition.


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Ein "Superwahljahr" ist 2021 nicht gerade. Ganz im Gegensatz zu den vergangenen Jahren ist es heuer abseits der Oberösterreich-Wahl im September ziemlich ruhig an den Urnen. Der einzige bundesweite Wahlgang wird heuer einer sein, der im Zweijahrestakt für traditionell eher mäßige Aufmerksamkeit sorgt: die Wahl zur Österreichischen HochschülerInnenschaft (ÖH) von 18. bis 20. Mai.

Mäßig ist die Aufmerksamkeit dafür nicht nur in der Gesamtbevölkerung. Auch die Studierenden selbst scheinen sich - trotz außerhalb der Pandemie stets hoher Dichte an Wahlplakaten und Flyer-Verteilern in Uni-Vierteln - nicht übermäßig für ihre politische Vertretung zu interessieren. Vor zwei Jahren lag die Wahlbeteiligung bei gerade 25,8 Prozent. Im Pandemiejahr 2021, in dem die Hörsäle leer sind, weil Studenten und Studentinnen seit einem Jahr weitgehend im "Distance Learning" verharren, ist die Sorge vor einer noch deutlich niedrigeren Beteiligung groß.

Um trotz der widrigen Umstände möglichst viele der rund 345.000 Wahlberechtigten an Universitäten, Fachhochschulen (FH), Pädagogischen Hochschulen (PH) und Privatuniversitäten zum Wählen zu motivieren, setzt man in der ÖH auf die Briefwahl. Bei der vergangenen Wahl 2019 langten rund 8.000 der etwa 90.000 abgegebenen Stimmen per Wahlkarte ein. Heuer ließ die ÖH vorerst einmal 30.000 Stück drucken. Und Interesse daran scheint durchaus vorhanden - bereits vor der letzten Aprilwoche waren laut Bildungsministerium 6.300 Wahlkartenanträge eingegangen. Bis zum 11. Mai können Studierende einen solchen noch stellen.

Einen Haken hat das Wählen per Briefwahl allerdings auch: Aus der Ferne können nur die ÖH-Bundesvertretung und die jeweilige Hochschulvertretung gewählt werden. Wer auch über die Vertreterinnen und Vertreter seines Studiengangs mitbestimmen will, muss dies trotz Pandemie vor Ort an der Hochschule tun. Dafür nötig ist eine FFP2-Maske - und ein möglichst selbst mitgebrachter Kugelschreiber.

Bundesweit antreten werden heuer acht Listen - genau jene, die bereits jetzt im 55-köpfigen "Studierendenparlament" sitzen: die ÖVP-nahe Aktionsgemeinschaft (AG), die Grünen und Alternativen StudentInnen (Gras), der Verband Sozialistischer StudentInnen (VSStÖ), die Jungen Liberalen Studierenden (Junos), die Fachschaftslisten (FLÖ), die zwei konkurrierenden Kommunistischen StudentInnenverbände (KSV-KJÖ bzw. KSV-LiLi) und der Ring Freiheitlicher Studenten (RFS).

Die Ausgangslage nach der vergangenen Wahl ist vertraut: Ganz im Gegensatz zum Nationalrat gibt es im "Studierendenparlament" seit vielen Jahren linke Mehrheiten. Stimmstärkste Partei ist allerdings durchgehend seit 2013 die AG. Zu dieser Konstellation kommt es nicht zuletzt, weil sich den - unter Studierenden traditionell üppigeren - Kuchen links der Mitte gleich fünf Fraktionen aufteilen müssen, während die AG rechts der Mitte praktisch allein auf weiter Flur ist: Der FPÖ-nahe RFS kann im studentischen Milieu bei Weitem nicht an die Werte seiner "Mutterpartei" bei Nationalratswahlen anschließen und lag bei den vergangenen ÖH-Wahlen meist um die zwei Prozent.

Zerstrittenheit nach halber Funktionsperiode

2019 wurde die AG mit 26,9 Prozent stimmstärkste Kraft, gefolgt von Gras mit 22,7, VSStÖ mit 22,4, Junos mit 10,3 und FLÖ mit 9,8 Prozent. Etwas abgeschlagen dahinter platzierten sich KSV-LiLi (2,5 Prozent), KSV-KJÖ (2,1), RFS (2,0) und die Juxliste "No Maam", die mit 1,4 Prozent ein Mandat in der Bundesvertretung verpasste und heuer weder antritt noch von einer anderen Spaß-Fraktion beerbt wird.

So bekannt die Kräfteverhältnisse, so ungewöhnlich war heuer die Ausgangslage im Wahlkampf. Und das nicht nur wegen Corona selbst: Die nach der Wahl 2019 gebildete und mit solider Mehrheit (31 von 55 Mandaten) ausgestattete linke Koalition aus Gras, VSStÖ und FLÖ zerstritt sich nach rund einem Jahr - und inmitten der Pandemie - so heftig, dass man weder zusammen weiterarbeiten noch sich auf eine neue gemeinsame Kandidatur für den ÖH-Vorsitz einigen konnte. Die Schuld daran schieben sich die drei Fraktionen wechselseitig zu. Mit relativer Mehrheit zur neuen ÖH-Vorsitzenden gewählt wurde danach Sabine Hanger von der AG. Als Minderheitsexekutive war die AG fortan für Beschlüsse auf "fliegende Mehrheiten" mit anderen Fraktionen angewiesen.

Und Hanger tritt bei der Wahl ab 18. Mai auch als AG-Spitzenkandidatin an. Inhaltlich setzt die 26-jährige Jus-Studentin etwa auf das Thema Digitalisierung. So soll an Hochschulen abseits von Corona neben Präsenz- auch Online-Lehre angeboten werden, an den FHs sollen die Anwesenheitspflichten grundsätzlich herabgesetzt werden. Arbeiten sollen zudem nicht aufgrund fehlender Formvoraussetzungen - etwa, weil sie nicht gegendert sind - schlechter bewertet werden dürfen, geht es nach der amtierenden ÖH-Vorsitzenden, ihres Zeichens Tochter des ÖVP-Nationalratsabgeordneten Andreas Hanger.

Spitzenkandidatin der Gras ist die 21-jährige Politikwissenschaftsstudentin und gebürtige Berlinerin Keya Baier - seit 2019 Vorsitzende der ÖH Salzburg. Zu den Kernanliegen ihrer Fraktion gehören ein Grundstipendium von 850 Euro im Monat für alle Studierenden, die Abschaffung von Studiengebühren und Zugangsbeschränkungen sowie klimaneutrale Unis.

Auch der VSStÖ und Spitzenkandidatin Sara Velic, ebenfalls 21 Jahre alt und Studentin der Politikwissenschaft, treten für die Abschaffung von Gebühren und Beschränkungen im Studium sowie für den Ausbau von Beihilfen ein. Studierende sollten zwischen Online-, Präsenz- und hybridem Studium wählen können - und jedes Semester entscheiden können, ob sie Voll- oder Teilzeit studieren respektive pausieren.

Genderfragen und Antifaschismus

Die Fachschaftslisten schicken die 23-jährige Gabriele Urban, Studentin der Technischen Chemie, ins Rennen. Als einzige parteiunabhängige Fraktion setzen sich die FLÖ für einheitliche Standards an allen Hochschulen, überarbeitete Beihilfen und bezahlte Praktika, etwa für Lehramtsstudenten oder in medizinischen Studien, ein.

Die Junos mit der 22-jährigen Jus- und VWL-Studentin Sophie Wotschke an der Spitze treten indes als einzige Fraktion für nachgelagerte Studiengebühren - die die im späteren Berufsleben nachträglich zu bezahlen wären - ein. Auch sie wollen eine Wahlmöglichkeit zwischen Online- und Präsenzlehre.

Wie üblich schwer zu unterscheiden sind die Forderungen der beiden kommunistischen Listen. Der KSV-KJÖ mit der 23-jährigen VWL-Studentin Elena Ellmeier an der Spitze spricht sich etwa gegen ÖH-Postenschacher und "Schikanen" der Regierung aus; der KSV-LiLi mit Spitzenkandidatin Jessica Gasior, 26 und Studentin der Internationalen Entwicklung, gegen das Prekariat, dafür für Feminismus und Antifaschismus.

RFS-Spitzenkandidat Matthias Kornek, 23 und Politikwissenschaftsstudent, ist vor allem für eine Abschaffung der ÖH-Pflichtmitgliedschaft, gegen "Corona-Testzwang" - und gegen verpflichtendes Gendern.