Die Wirtschafts- und Finanzkrise wurde zu einer Euro- und schließlich vor allem zu einer Schuldenkrise einzelner Euro-Mitglieder wie Griechenland, Irland und wohl auch Portugal. | Die immer wieder aufflackernden politischen Extremsituationen haben dabei die Kräfteverhältnisse in der Union aufgedeckt: Erste Erkenntnis ist, dass es ohne Deutschland nicht geht. Nicht-Euro-Länder betrachten die Konzentrationsversuche der Entscheidungsmacht unter den Ländern mit Gemeinschaftswährung jedoch mit Sorge. Ihnen kommt es entgegen, dass die EU-Kommission wieder Aufwind erhalten dürfte, nachdem sich Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso lange von EU-Ratspräsident Herman van Rompuy die Show stehlen lassen musste - diesem wird Nähe zum deutsch-französischen "Direktorium" nachgesagt.
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Anschaulich zeigte der EU-Gipfel am Freitag die Kräfteverhältnisse: Bundeskanzlerin Angela Merkel hat zum zweiten Mal binnen weniger Monate ein deutsches Partikularinteresse auf höchster Ebene durchgesetzt. Vorigen Herbst war es die "begrenzte" Änderung des Lissabonner Vertrags im Gegenzug für die Beteiligung an einem dauerhaften Euro-Rettungsschirm ab 2013. Merkel brauchte dies zur Beschwichtigung des Bundesverfassungsgerichtshofs in Karlsruhe. Jetzt verständigten sich die Staats- und Regierungschefs der Eurozone auf einen "Pakt für den Euro", wie der "Wettbewerbspakt" am Ende heißen soll. Lanciert hatte Merkel ihn Ende Jänner, um ein Gegengewicht für die Ausweitung deutscher Garantien für die Euro-Rettungsschirme zu schaffen. "Wenn wir zahlen, müssen die anderen reformieren", schien das Credo.
Doch diesmal scheiterte sie im ersten Anlauf mit der Taktik, ihren Willen mit Hilfe Frankreichs allen anderen überzustülpen. So trafen Merkel und der französische Präsident Nicolas Sarkozy mit dem Wettbewerbspakt auf erbitterten Widerstand. Ein zweites Mal wollten sich die restlichen EU-Chefs das Vorgehen offensichtlich nicht bieten lassen. Nicht-Euro-Länder fühlten sich ausgeschlossen; vor allem der polnische Premier Donald Tusk urgierte die Einbindung seines Landes.
Erst nach mühevoller Kleinarbeit der beiden Präsidenten Van Rompuy und Barroso konnte eine für alle akzeptable Form des Pakts gefunden werden. Nicht-
Euro-Länder dürfen künftig mitmachen, wenn sie wollen. Die Kommission erhält eine wichtige Rolle bei der Überwachung der wirtschaftspolitischen Fortschritte der Euro-Länder. Vor allem kleinere Staaten hätten sich von einer rein zwischenstaatlichen Lösung unter deutsch-französischer Leitung überfahren gefühlt, hieß es. So scheinen Barroso und die Kommission nach ihren Statistenrollen bei der Krisenbewältigung im Vorjahr wieder im Spiel zu sein. Das könnte als politisches Bindemittel gegen das drohende Auseinanderdriften der Eurozone unter deutsch-französischer Führung und den anderen zehn EU-Ländern wirken.