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Zisterzienserabt Vinzenz Wohlwend: Die Kirche muss Priesterehen und Zölibat thematisieren.
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Wien/Bregenz. Der Papst hat nach jüngsten Missbrauchsvorwürfen von Nonnen gegen Priester für Ende Februar zu einer Missbrauchskonferenz geladen. Wie sieht die Situation in Österreich aus? "Das Schweige- und Vertuschungskartell ist aufgebrochen worden. Heute ist das Bewusstsein dafür größer geworden, das muss man stärken, durch Prävention, Prävention, Prävention." Das sagt Herwig Hösele, Sprecher der Opferschutzanwaltschaft, an die sich Menschen, die im Kindes- oder Jugendalter Opfer von Missbrauch oder Gewalt durch Vertreter und Einrichtungen der katholischen Kirche in Österreich geworden sind, wenden können. Die Anwaltschaft wurde im April 2010 nach Missbrauchsvorwürfen gegen Patres und Priester eingerichtet, seither haben rund 2000 Betroffene finanzielle und bei Bedarf auch therapeutische Hilfe erhalten. "Natürlich wird die Dunkelziffer viel, viel höher sein, weil viele Leute sich nicht gemeldet haben, auch weil sie inzwischen verstorben sind", meint Herwig Hösele zur "Wiener Zeitung".
Erste Missbrauchsdebatte
Christoph Kardinal Schönborn sieht allerdings Strukturen und Systeme in der Kirche, die Missbrauch begünstigten: "Der Priester ist sakral, ist unberührbar, der ist Herr Pfarrer. Wenn dieses Priesterbild vorherrscht, ist natürlich Autoritarismus die ständige Gefahr", sagte Schönborn in einer Dokumentation des Bayerischen Rundfunks. Schönborn selbst wurde 1995 Wiener Erzbischof nach dem Rücktritt seines Vorgängers Hans Hermann Kardinal Groer aufgrund von Missbrauchsvorwürfen. Dieser Fall hat die österreichische Kirche in dieser Frage erstmals erschüttert.
2010 folgte eine weitere Welle. Damals meldeten sich nach Missbrauchsvorwürfen in anderen Staaten auch in Österreich ehemalige Missbrauchsopfer von katholischen Heimen. Die Zisterzienserabtei Wettingen-Mehrerau in Bregenz war davon ebenfalls betroffen. Zwei Fälle waren gerichtsanhängig. Vinzenz Wohlwend, als Abt der Abtei Mehrerau Mitglied der Bischofskonferenz, sagt zur "Wiener Zeitung", dass dieses Thema nach wie vor belastend für das Kloster sei. "Ich bin aber froh, dass wir den Weg offen gegangen sind." Der Abt ist erst seit Jänner 2019 im Amt, er hat aber bereits 2010 am Ehrenkodex, den sich das Kloster nach den Missbrauchsvorwürfen gab, mitgewirkt. In diesem Kodex sind Verhaltensregeln fixiert, die den Umgang mit den Schülern - die Mehrerau ist eine Klosterschule - klar festlegen. "Dieser Kodex greift. Das ist beruhigend."
Zur aktuellen Debatte sagt Abt Vinzenz, heute müsse sich die Kirche wieder fragen, was ihr Auftrag ist. Nach den Jahrhunderten einer privilegierten Situation der Kirche sehe sie sich jetzt in einem riesigen gesellschaftlichen Umbruch, wo die Autonomie des eigenständigen Denkens Gott sei Dank allgemein geworden sei. Da müsse sich die katholische Kirche fragen: "Was ist unsere Botschaft und wie bringen wir sie heute in einem christlichen Europa postchristlicher Zeit wieder zu Gehör? Und wer sind meine Mitarbeiter und in welchem Lebensentwurf stehen die?" Man werde hier nicht gleich eine Lösung finden. Aber Die Kirche dürfe sich nicht mehr sträuben, Fragen zu stellen, die an oberster Stelle nicht gerne gehört werden. Abt Vinzenz verwies etwa auf die Beendigung der Debatte zum Frauenpriestertum durch Papst Johannes Paul II.
"Fragen zu den Themen Zölibat und Frauenpriestertum müssen heute wieder neu gestellt werden." Denn viele der Glaubensbotschafter der Kirche seien heute schon Frauen - nicht nur Ordensfrauen oder Pastoralassistentinnen, sondern auch aktive Frauen in den Kirchen und Schulen. Und die Kirche müsse sich - schon angesichts des Priestermangels - fragen, wie sie die Eucharistie wieder zu den Menschen bringen könne. "Ich sage nicht, dass das Frauenpriestertum die Lösung ist, den Priestermangel zu beheben, aber damit könnte das Problem entschärft werden. Die katholische Kirche wird über kurz oder lang ohne Frauen keine Antwort finden."
Arme Kirche
Recht habe Papst Franziskus, wenn er sage, die Kirche müsse wieder eine arme Kirche werden. Im Hinblick auf die Diözese Klagenfurt müsse man daran erinnern, dass die Kirche behutsam damit umgehen müsse, was ihr von Menschen für Menschen gegeben worden sei. Besonders schlimm sei es, wenn nicht miteinander, sondern übereinander geredet werde. "Ich wünsche mir eine Gesprächskultur", sagt der Abt.