Zum Hauptinhalt springen

Ohne gemeinsamen Plan kein Friede

Von Klaus Huhold

Analysen

Russland unterstützt Assad, die USA wollen ihn weiter stürzen. Eine Analyse.


Hinweis: Der Inhalt dieser Seite wurde vor 9 Jahren in der Wiener Zeitung veröffentlicht. Hier geht's zu unseren neuen Inhalten.

Moskau/Damaskus/Wien. Ob es eine vertane Chance war, lässt sich heute nur noch schwer sagen. Auf jeden Fall war es eine Fehleinschätzung. Russland habe bereits 2012 einen Friedensplan für Syrien vorgeschlagen, der auch den Rücktritt von Machthaber Bashar al-Assad vorgesehen hat, berichtete nun laut der britischen Zeitung "The Guardian" der frühere finnische Präsident und Friedensnobelpreisträger Martti Ahtisaari. Doch der Vorschlag wurde von den USA, Großbritannien und Frankreich ignoriert - weil sie offenbar meinten, dass der Sturz von Assad ohnehin nur noch eine Frage von Wochen sei.

Drei Jahre später verteidigt sich Assad noch immer verbissen in seinem Amt, hat der Bürgerkrieg mehr als 200.000 Tote gefordert, sind elf Millionen Menschen innerhalb und außerhalb Syriens auf der Flucht, ist der Islamische Staat erstarkt, der laut Unesco die Kulturstätten in Syrien mittlerweile "im industriellen Maßstab" plündert. "Wir hätten das verhindern sollen", sagte laut "Guardian" Ahtisaari, der vor drei Jahren an den Syrien-Verhandlungen beteiligt war. "Denn das ist ein selbstgeschaffenes Desaster, dieser Flüchtlingsstrom in unsere Länder in Europa."

Westliche Diplomaten räumen zwar ein, dass man sich tatsächlich verkalkuliert hätte, was den Sturz Assad betrifft. Gleichzeitig betonen sie aber, dass es keine Garantie dafür gab, dass Russland den Vorschlag damals ernst gemeint hatte. Zudem ließe sich heute nicht mehr sagen, ob der Plan tatsächlich die Massaker in Syrien verhindert hätte.

Russland unterstütztRegime militärisch

Jedenfalls sind Assad und seine politische Zukunft bis heute der Zankapfel in der Syrien-Krise. Russland sieht in Assad weiterhin einen Verbündeten und beharrt darauf, dass nur mit ihm eine effektive Bekämpfung des Islamischen Staates (IS) möglich sei. Zudem scheint Moskau seine militärische Unterstützung für das Assad-Regime zuletzt massiv verstärkt zu haben. Satellitenbilder und Berichte von Geheimdiensten legen nahe, dass Russland Syrien mit Luftabwehrsystemen ausstattet, Ausbildner in Syrien stationiert hat, die Flugbasis Latakia ausbaut und dort auch Panzer in Stellung bringt. Ebenso wie Russland unterstützt auch der Iran das Assad-Regime militärisch.

Auf der anderen Seite stehen die USA, die jegliche Kooperation mit Assad ablehnen. Sie verweisen auf Kriegsverbrechen des Assad-Regimes, das auch für systematische Folter bekannt ist. Zudem war die Außenpolitik Assads immer wieder gegen US-Interessen gerichtet. Die USA wollen beides: Assad stürzen und den IS besiegen, gegen den eine von den USA geschmiedete Allianz Luftangriffe fliegt. Einflussreiche Assad-Gegner sind auch die US-Verbündeten Türkei und Saudi-Arabien, wobei Diplomaten vor allem den Saudis vorwerfen, radikale dschihadistische Gruppen zu unterstützen. In Europa bröckelt die Anti-Assad-Front, aber nur ein wenig: In Deutschland war schon die Rede davon, dass man mit Assad-Vertretern reden müsse, während etwa Paris weiterhin strikt dagegen ist.

Unter diesen Vorzeichen ist der Vorstoß Russlands, das über die UNO eine breit angelegte Anti-Terror-Allianz gegen den IS bilden will, zum Scheitern verurteilt. Und nicht nur das: Solange die internationalen Akteure an derart verschiedenen Strängen in der Syrien-Krise ziehen, werden Krieg und Flucht weitergehen. Gerade die Hoffnung darauf, dass der Krieg doch noch ein Ende finden könnte, hat laut Beobachtern viele Syrer noch in ihrem Land gehalten - etwa Angehörige der städtischen Mittelschicht, die in Damaskus oder Aleppo Geschäfte besessen haben. Diese Hoffnung ist gestorben, Sie befinden sich nun in den Nachbarländern oder haben sich auf den Weg nach Europa gemacht.

Es ist auch überhaupt nicht in Sicht, dass eine Partei die Oberhand gewinnen könnte: Das Assad-Regime versucht, seine Kerngebiete im Westen des Landes an der Mittelmeerküste zu halten. Im Norden haben über weite Teile kurdische Kämpfer das Sagen. Der IS und andere Dschihadisten-Milizen haben große Regionen erobert, und auch gemäßigte Rebellen mischen mit. Der Frontverlauf ist unübersichtlich, wer gestern verbündet war, kann sich heute schon bekämpfen. Und die internationalen Akteure unterstützen die verschiedensten Bürgerkriegsparteien.

Fraglich, welche Strategiedie richtige ist

Ein Dilemma ist aber auch, dass kaum abzuschätzen ist, welche Strategie die richtige ist. So warnt etwa der Nahost-Forscher Emile Hokayem vom Internationalen Institut für Strategische Studien laut der Nachrichtenagentur dpa vor einem Bündnis mit Assad. Denn das könnte weitere sunnitische Muslime - Assad ist Alawit - in die Hände des IS treiben.

Joshua Landis, einer der führenden Syrien-Experten in den USA, wiederum meint, dass man Assad im Kampf gegen den IS einbeziehen müsse. Russland setzte auf Assad, weil er als Einziger dem IS eine Armee entgegensetze, sagte Landis gegenüber "Zeit online". Assad sei ein "fürchterlicher Krimineller", doch seien noch immer viele Syrer, etwa was Wasser oder Elektrizität betrifft, auf Assad angewiesen. "Wer die Flüchtlingsbewegung nach Europa stoppen will, kann Assad nicht zerstören", sagt Landis.