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Ohne Heer geht’s kaum

Von Karl Ettinger

Politik

Fast 2.000 Soldaten sind allein bei Tests und Nachverfolgung in Einsatz. Die "Unverzichtbarkeit" weckt auch Mahner.


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Eine lange Autoschlange staute sich vor dem Gelände der alten Werft im niederösterreichischen Korneuburg. In zehn Teststraßen machten unmittelbar vor Weihnachten 2020 tausende Personen einen kostenlosen Corona-Test, um etwa Verwandte in Pflegeheimen besuchen zu können. "Auf gar keinen Fall" wäre das ohne das Bundesheer bewerkstelligt worden, erinnert sich der Korneuburger Bürgermeister Christian Gepp (ÖVP) im Gespräch mit der "Wiener Zeitung". Die Aktion wurde relativ kurzfristig aus dem Boden gestampft. In sechs Städten in Niederösterreich waren in den Teststationen rund 250 Soldaten und zivile Heeresbedienstete aktiv. Knapp 40.000 Personen wurden an nur zwei Tagen untersucht.

Es war nicht der einzige Großeinsatz in Niederösterreich. Schon vor Beginn des Schuljahres 2020/21 wurde für Lehrer im Weinviertel, die sich freiwillig einem Corona-Test zum Unterrichtsbeginn im September unterziehen lassen wollten, ein Testzentrum eingerichtet. "Das hätten wir in der Dimension nicht zustande gebracht", erzählt der Korneuburger Stadtchef. Der Zeitfaktor spielte eine besondere Rolle: "Das hat damals in drei Tagen stehen müssen."

Mehr als ein Jahr nach dem ersten Lockdown Mitte März 2020 sind Heeresangehörige noch immer eine wesentliche Stütze mit Assistenz- und Unterstützungsleistungen für die Gesundheitsbehörden, Länder und Gemeinden. Allein rund 500 Soldaten sind derzeit nach wie vor als Helfer bei Corona-Tests in fünf Bundesländern im Einsatz. Weitere rund 1.400 Soldaten und Heeresangehörige sind für andere Assistenzeinsätze im Zusammenhang mit Corona-Maßnahmen abkommandiert. Ein großer Teil davon ist mit der Nachverfolgung von Kontaktpersonen beschäftigt, wenn bei jemandem eine Corona-Infizierung festgestellt worden ist. Dazu kommen Soldaten zur Unterstützung der Exekutive in Bezirken und Regionen mit Ausreisetestpflicht.

Von Massentests bis Pflegeheim

Entsprechend fällt die Einsatzbilanz von Verteidigungsminister Klaudia Tanner (ÖVP) für 2020 aus. Im Durchschnitt waren demnach 509 Soldaten in den zehn Monaten von März bis Dezember 2020 mit in Summe 223.801 Personentagen im Assistenzeinsatz für die Gesundheitsbehörden in den Bundesländern tätig. Darunter fallen Tätigkeiten von der Unterstützung bei den Gesundheitskontrollen an den Grenzen, der Kontaktnachverfolgung, dem Lagern von Vorrat von Schutzausrüstungen bis hin zu den Corona-Massentests der Bevölkerung. Der Höchstwert an einem Tag wurde dabei am 5. Dezember des vergangenen Jahres verzeichnet: Da waren bei den Massentests immerhin 5.800 Soldaten eingesetzt.

In diese Dezembertage fiel auch ein Einsatz, der zwar weniger Mannstärke erforderte, bei dem aber auch das Bundesheer gleichsam Retter in letzter Not war. Nach einen Corona-Cluster in einem Pflegeheim im steirischen St. Lorenzen im Mürztal (Bezirk Bruck-Mürzzuschlag) übernahm ein Dutzend Militärärzte und Diplomkrankenpfleger des Heeres die Betreuung von etwas mehr als 30 noch verbliebenen Pflegeheimbewohnern. Denn auch drei Viertel des Pflegepersonals in der Unterkunft waren mit dem Coronavirus infiziert. In den ersten Tagen mussten zur Desinfektion in dem Heim auch Soldaten der ABC-Abwehrtruppe ausrücken, um die weitere Nutzung sicherzustellen.

Entlastung der Polizeikräfte

Zu den Einsätzen für die Gesundheitsbehörden kamen sicherheitspolizeiliche Assistenzeinsätze des Militärs, die ebenfalls im Zusammenhang mit Corona standen. Zur Entlastung der Polizei wurde die Überwachung von Objekten, vor allem Botschaften, in Wien übernommen. Im Schnitt waren in den zehn Monaten des Vorjahres 340 Soldaten mit 104.545 Personentagen eingesetzt.

Neben Katastropheneinsätzen und dem Assistenzeinsatz an Österreichs Südostgrenze im Burgenland, der Steiermark und Kärnten, um illegale Migration einzudämmen, schnellte coronabedingt im Vorjahr vor allem die Zahl der Unterstützungsleistungen nach oben. Dabei springt das Bundesheer für Dritte ein, weil sonst niemand kurzfristig mit entsprechenden Kapazitäten helfen kann. Die Heeresbilanz weist dabei für das Vorjahr 472 Unterstützungsleistungen für die Pandemiebekämpfung aus. 15.075 Soldaten haben dabei knapp 179.000 Arbeitsstunden geleistet. Mit den weiteren Unterstützungsleistungen brachte man es auf 658 Einsätze und rund 246.000 Arbeitsstunden.

Damit hat sich die Einsatzzahl gegenüber 312 im Jahr 2019 mehr als verdoppelt, die Zahl der Einsatzstunden coronabedingt mehr als verfünffacht. Wobei die Einsätze billig sind: 4,54 Millionen Euro wurden in Rechnung gestellt. Soldaten waren bei der Verteilung von Desinfektionsmitteln für die Schulen ebenso unterwegs wie in Postzentren in Wien und Niederösterreich, nachdem dort reihenweise Mitarbeiter nach Corona-Infektionen ausgefallen waren. Gleich beim ersten Lockdown im März waren zwei Wochen lang 753 Soldaten und Zivilbedienstete des Heeres in Zentrallagern von Lebensmittelketten im Einsatz, um die Auslieferung an die Supermärkte sicherzustellen.

Lobesworte und warnende Stimmen

Für die Verteidigungsministerin hat sich das Heer während der Pandemie "unverzichtbar gemacht". Das Austria Institut für Europa- und Sicherheitspolitik urteilt in einer Studie, das Heer habe sich in der Pandemie als "kompetente Stütze" erwiesen. Das habe es nicht nur erlaubt, das staatliche Krisenmanagement rasch "hochzufahren", es sei "ein entscheidender Faktor für die Funktionsfähigkeit von Staat und Gesellschaft während eines Ausnahmezustandes" gewesen. Hingewiesen wird auf den Imagegewinn bei der Bevölkerung. So haben im Dezember bei einer Online-Umfrage von gut 15.000 Testpersonen 99 Prozent die Organisation durch das Heeres als sehr gut oder gut beurteilt.

Die andere Seite der Medaille ist, dass es im Bundesheer zunehmend warnende Stimmen gibt. Diese betonen, dass das Abstellen von rund 4.000 Mann - Auslandseinsätze und Assistenzeinsätze an der Grenze mitgerechnet - auf Dauer auf Kosten der Ausbildung gehen werde. Deswegen ist auch bereits der Ruf laut geworden, sich nach und nach von den Corona-Tests zurückzuziehen. Die Bundesländer müssten sich nach anderen Alternativen umschauen.