So sehr uns Corona in Atem hält - die Umwelt braucht ebenfalls unsere volle Aufmerksamkeit.
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Covid-19 bestimmt derzeit das politische Tagesgeschäft und die mediale Berichterstattung. Ebenfalls sehr wichtige Themen wie der Umweltschutz geraten dabei zu kurz oder sind dem Bürger zu wenig präsent. Österreich hat diverse Umweltverträge ratifiziert, darunter das Kyoto-Protokoll sowie - als Nachfolger für die Zeit ab 2021 - das Pariser Klimaabkommen. Bis vor dem EU-Beitritt hatte Österreich im Umwelt und Klimaschutz eine Vorreiterrolle inne - danach galten statt der Toronto-Ziele die schwächeren EU-Stabilisierungsziele. Österreich emittierte 1996 um 15 Prozent mehr Treibhausgase, als es die Toronto-Ziele vorsahen.
2002 wurden in Österreich aufgrund einer EU-Richtlinie das Ökostromgesetz beschlossen und Energie aus Kohle höher besteuert. Im Jahr 2005 erreichte die Treibhausgasproduktion in Österreich ihren Höhepunkt und wurde eine Abweichung von den Toronto-Zielen um 47 Prozent verzeichnet. Es kam zur "Effort Sharing"-Verordnung; dem Emissionshandel. Den EU-Mitgliedstaaten wurden ihrem BIP entsprechend Einsparungsverpflichtungen auferlegt. Erreicht ein Land seine Ziele nicht, muss es einem anderen dessen Einsparung abkaufen.
Auf EU-Ebene wurde nun eine Senkung der CO2-Emissionen um 55 Prozent bis 2030 beschlossen (ursprünglich war ein Minus von 40 Prozent geplant), dies als Zwischenziel. Bei dessen Nichterreichung muss Österreich Zertifikate in Milliardenhöhe kaufen. In weiterer Folge strebt Österreich bis 2040 Klimaneutralität an. Die Treibhausgasemissionen sollen so weit wie möglich reduziert, verbleibende Emissionen gespeichert oder kompensiert werden.
Um dieses Ziel zu erreichen, wäre laut dem Grazer Wegener Center ab sofort eine Reduktion der Emissionen um rund 5 Prozent jährlich des derzeitigen Volumens erforderlich. Dafür seien allerdings 4 Milliarden Euro pro Jahr erforderlich: 1 Milliarde Euro jährlich an öffentlichen Zuschüssen für das 1-2-3-Ticket, 2 Milliarden Euro für den Ausbau der Infrastruktur und 1 Milliarde Euro für die Wohnbauförderung. Österreichs Budget sieht aber für Klimamaßnahmen weniger als 1 Milliarde Euro vor, nämlich 680,6 Millionen Euro.
Informationen fehlen
Bisher fehlen dem Bürger konkrete Informationen, wie diese sehr wichtigen CO2-Reduktionsziele im Ausmaß von 55 Prozent und die Klimaneutralität in Österreich genau zur Umsetzung gelangen sollen. Wichtig wäre der Stopp von klimaschädlichen Finanzierungen. Die Veröffentlichung einer vollständigen Liste der klimaschädlichen Subventionen und Förderungen steht, trotz Urgenzen von Umwelt-NGOs, jedoch noch aus. Im Regierungsprogramm ist zwar eine Sanierungsrate angeführt, jedoch mangelt es laut Experten an der Erörterung, was unter einer Sanierung genau zu verstehen ist. Laut Statistik Austria (Stand Jänner 2020) heizen fast 40 Prozent der heimischen Haushalte mit fossilen Energieträgern: Mehr als 900.0000 Haushalte haben eine Gasheizung, in 600.0000 Häusern und Wohnungen kommt noch Heizöl zum Einsatz. Derzeit werden rund acht Milliarden Kubikmeter jährlich in Österreich verbraucht. Hiervon fallen rund drei Milliarden Kubikmeter für die Industrie an. Alternativen zu Erdöl und Erdgas sind Holz, Strom und Nah- beziehungsweise Fernwärme oder sogenanntes grünes Gas.
Uneinig scheinen sich die Experten, inwieweit die Energienachfrage mit grünem Gas abgedeckt werden kann. Während das Energieinstitut der Johannes Kepler Universität (2017) das Potenzial für grünes Gas bis 2050 zur Deckung der aktuellen Nachfrage bei gerade einmal einem Viertel ortet, setzt das Forschungszentrum BEST (Bioenergy and Sustainable Technologies GmbH) dies im Jahr 2019 bis 2050 mit der Hälfte, also vier Milliarden Kubikmeter an. Eine Holzheizung wird sich wohl im städtischen Bereich in einem Mehrparteienhaus nicht umsetzen lassen, zudem kommen auch moderne Holzöfen nicht ganz ohne Feinstaub aus. In größeren Städten ist meist ein Anschluss an ein Fernwärmenetz vorhanden, allerdings haben die Kapazitäten eine Grenze.
Herausforderung Altbestand
Herausfordernd und kostenintensiv wird beim Energietransformationsprozess der Altbestand sein. Denn mit einer Umstellung auf ein erneuerbares Heizungssystem wird wohl meist eine umfassende Gebäudesanierung einhergehen müssen. Hierfür werden weitere steuerliche Anreize und Erleichterungen erforderlich sein und werden bei Eigentumswohnungen die Rücklagenbeträge verbindlich geregelt werden müssen. Viele Eigenheimbewohner verfügen nur über ein geringes Budget und werden für diese Umstellung auf finanzielle staatliche Unterstützung angewiesen sein.
Seit 1. Jänner 2020 dürfen in Österreich keine Ölheizungen mehr in Neubauten installiert werden. Zumindest im Neubau sollen ab 2025 auch keine Gaskessel und Gasanschlüsse mehr erlaubt sein. Derzeit stammt der in Österreich produzierte Strom zu rund 75 Prozent aus erneuerbaren Quellen. Bis 2030 soll der Anteil auf 100 Prozent gesteigert werden. Die Regelung der Energiestrategie soll im Erneuerbaren- Ausbau-Gesetz (EAG) erfolgen. Dessen Inkrafttreten war für den 1. Jänner 2021 vorgesehen. Bereits im Begutachtungsverfahren kam es jedoch zu einer Vielzahl von Verbesserungsvorschlägen und verzögerten Fragen aus Brüssel den Gesetzwerdungsprozess. Die Förderung erneuerbarer Energien sei aber, so das Umweltministerium, durch Mittel aus dem Konjunkturpaket und dem bestehenden Ökostromgesetz dennoch gesichert.
Neue Regelungen im Verkehr
Covid-19 brachte einerseits eine Entlastung der Umwelt mit sich, so verzeichnete die Asfinag beim Pkw-Verkehr ein Minus von 20 Prozent. Bei den Lkw kam es allerdings nur zu einer Reduktion um 6 Prozent. Auch war der Rückgang im ersten Lockdown im Frühling 2020 deutlich höher als bei jenem im Herbst. Anderseits kam es zu einem 80-prozentigen Rückgang des Gewerbemülls, zugenommen hat jedoch im Zusammenhang mit erhöhtem Aufkommen bei Online-Bestellungen und Essenslieferungen der Hausmüll um rund 15 bis 20 Prozent. Generell ist das Müllaufkommen in Österreich enorm. Die Österreicher sind mit durchschnittlich 570 Kilo Müll pro Kopf und Jahr fast negative Europameister (Platz fünf unter den 28 EU Staaten).
Im Kfz-Bereich hat sich schon etwas getan: Bei jedem von Oktober bis Jahresende 2020 erstzugelassenen Pkw zahlt man nun für jedes Kilowatt über 65 Kilowatt und für jedes Gramm CO2 über 115 Gramm 8,64 Euro pro Jahr (wobei mindestens 5 Kilowatt an Leistung und 5 Gramm CO2 anzusetzen sind). Die Erhöhung der Normverbrauchsabgabe (NoVA) verteuert künftig große Autos. NoVa-pflichtig sind nun alle Fahrzeuge zur Personen- und Güterbeförderung bis 3,5 Tonnen. Befreit von der NoVA sind als umweltfreundlich geltende Fahrzeuge wie E-Autos oder wasserstoffbetriebene Vehikel.
Vergünstigungen gibt es für die Nutzung von Bahn und Rad. Ab 1. Juli 2021 sind alle vom Arbeitgeber bezahlten Öffi-Tickets mit Ausnahme von Einzelfahrscheinen und Tageskarten steuerfrei; bisher galt dies nur für Strecken- oder Netzkarten für den Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte. Und durch die Nutzung des Fahrrads für den Weg zur Arbeit geht die Pendlerpauschale nicht verloren. Zudem ist das 1-2-3-Ticket in Planung.
Kampf gegen Müll
Es ist aber ein komplettes Umdenken nötig: weg vom Massenkonsum unter Ausnutzung von Mensch, Tier und von Umweltressourcen hin zum bewussten verantwortungsvollen Konsum. Im Online-Handel, der insbesondere seit Covid-19 stete Zuwächse verzeichnet, sollte verpflichtend auf umweltfreundliche Verpackung und klimaneutralen Versand geachtet werden. Außerdem wird hier viel Retourware unbesehen verschrottet, da die Entsorgung mitunter günstiger kommt, als die Ware auf ihre Funktionsfähigkeit zu überprüfen und nochmals zu verpacken. Besonders viel Retourware gibt es im Modebereich. Hier sollte es eine gesetzliche Beschränkung von Retourwaren geben und bereits bei der Herstellung auf die Recyclingfähigkeit der Materialien geachtet werden müssen.
Frankreich zum Beispiel hat 2020 ein umfassendes Müllgesetz erlassen: Ab 2022 dürfen unverkäufliche Textilien und Hygieneartikeln nicht mehr vernichtet werden, sondern müssen gespendet oder recycelt werden. In einer "Verursacher-Klausel" werden Unternehmen verpflichtet, die Entsorgung der von ihnen verursachten Abfälle zu finanzieren. Zudem werden Kassenzettel für kleine Summe abgeschafft, außer der Kunde besteht darauf. Auch sieht das französische Gesetz ein neues Label für die Reparierbarkeit elektronischer Geräte wie Waschmaschinen, Fernseher und Handys vor. Schnellrestaurants müssen spätestens ab 2023 wiederverwendbare Verpackungen und Besteck einsetzen. Derartiges sollte auch in Österreich beschlossen werden. Der Österreicher gibt pro Jahr und Kopf 1.270 Euro für Mode aus. Gleichzeitig landen laut einer Studie des niederländischen Unternehmens Labfresh pro Kopf und Jahr 7 Kilo Mode im Müll. Damit liegt Österreich in dieser Erhebung auf Platz drei unter den fünfzehn größten Textilabfallverursachern in der EU. Viele Menschen lassen sich wohl mehr aus Zeitvertreib als aus echtem Bedarf regelmäßig Packerln nach Hause schicken, um diese dann wieder zu retournieren.
Regionalität fördern
Gerade in Covid-Zeiten wurde die Regionalität von Lebensmitteln sehr gepriesen. Beim Einkaufen, auch in Betrieben mit österreichischen Inhabern, im heimischen Reformhandel wird jedoch schnell klar, dass nur ein eher kleiner Bruchteil der dort erhältlichen Lebensmittelwaren aus dem Inland stammt. Ein Großteil stammt aus Deutschland, vieles auch aus dem Nicht-EU-Ausland. Auf Nachfrage erhält man seitens der Presseabteilung einer Reformhauskette hierzu zur Antwort, die Einkaufspolitik sei der Mitgliedschaft im Reformhausverband mit Sitz in Deutschland geschuldet.
Günstigere Preise ausländischer Ware dürften der Grund dafür sein, dass österreichische Ware im Lebensmittelsektor der inländischen Reformhäuser weniger anzutreffen ist. Der Transport der ausländischen Ware belastet aber natürlich die CO2-Bilanz. Dies bedarf ebenfalls einer Evaluierung und allenfalls einer verbindlichen Vorgabe im Sinne der Stärkung der Regionalität. Viren, aber auch Umweltkatastrophen machen an den Grenzen nicht halt. Umwelt, Klima, Natur und Tiere gehen uns alle an. Egal wo auf der Welt.