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Ohne Öl-Gelder und Hilfskräfte läuft libysche Wirtschaft auf Sparflamme

Von Claudia Peintner

Wirtschaft

Libyen ist abermals wirtschaftlich isoliert. | Wüstenstaat war attraktiv für Betriebe. | Wien. Die großen Häfen im Wüstenstaat Libyen sind gesperrt. Allein an der Anlegestelle in Tripolis wartet man auf Lieferungen. Vergebens. Internationale Firmen bleiben mit ihren Container-Schiffen aus. Das Risiko ist zu groß. "Waren kommen nur mehr im Kofferraum über den Landweg von Ägypten oder Tunesien", berichtet David Bachmann, seit drei Jahren Handelsdelegierter in Tripolis.


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Müsli, Batterien, Kopfpolster - noch sei alles im Land erhältlich. Die Preise sind allerdings um zehn bis zwanzig Prozent gestiegen. Bis Juni könnte das Land mit vollen Lagern Engpässe durchtauchen, schätzt Bachmann. Bereits Engpässe gibt es bei Mitarbeitern: Über zwei Millionen ägyptische Hilfskräfte sind aus dem Land geflüchtet. "Ohne ausländische Techniker, Ölarbeiter oder Krankenschwestern ist die libysche Wirtschaft nicht überlebensfähig", sagt der Wirtschaftsdelegierte. Jene Mitarbeiter, die noch vor Ort sind, gehen zwar täglich in die Arbeit - allerdings würden sie nur zwei Stunden dort bleiben, und das hauptsächlich, um Kaffee zu trinken.

Euro vom Schwarzmarkt

Das Internet funktioniert im Land genauso eingeschränkt wie der Bankenverkehr: Einen offiziellen Devisenhandel gibt es nicht mehr. Der Euro ist nur mehr am Schwarzmarkt für rund 3,3 Dinar erhältlich.

Inwieweit das Geld auch für den Machthaber Muammar Gaddafi knapp wird, ist aus Sicht von Bachmann ungewiss. So wird zwar spekuliert, dass er über ausreichend Geld- und Goldreserven verfügt. Gleichzeitig weitete die EU am Mittwoch jedoch ihre Sanktionen auf die staatliche Ölgesellschaft (National Oil Corporation/NOC) und ihre Tochterunternehmen aus. Libyen, wo etwa die Hälfte der gesamten afrikanischen Ölreserven lagern, hängt laut Experten aber ganz von den Erlösen aus Ölexporten ab.

Für die internationalen Unternehmen bedeutet der Bürgerkrieg in Libyen indes hohe Auftragsverluste. Die Summe aller offenen Projekte im Land beträgt laut Bachmann rund 120 Milliarden Euro. Aus Österreich seien Aufträge von rund 2 Milliarden Euro in der Warteschleife. Prominentestes Beispiel: Der Baukonzern Porr erhielt im Vorjahr den Zuschlag für den Bau des Nationalstadions in Tripolis - die Arbeiten in der Krisenregion sind nun eingestellt.

Die Alpenrepublik ist in Libyen mit circa 25 Niederlassungen präsent. Neben zahlreichen Baufirmen sind auch der Spitalausstatter Vamed oder der Wasseraufbereiter VA Tech Wabag vor Ort. In den letzten Jahren wuchs Libyen zum größten Handelspartner Österreichs in Afrika. Die heimischen Ausfuhren stiegen 2010 um 13 Prozent. Gefragt waren vor allem Maschinen und pharmazeutische Produkte.

Wirtschaft nach Gaddafi

Der Reiz, im Wüstenstaat zu investieren, ist für Betriebe groß: Im ölreichen Land, das kaum über eine eigene Industrie oder Landwirtschaftsproduktion verfügt, hat sich in den vergangenen Jahren ein großer Nachholbedarf aufgestaut.

Der Hintergrund: Das Verhältnis Libyens zum Westen war jahrelang durch seine Verstrickungen in den Terrorismus belastet. Der "Schurkenstaat" war wirtschaftlich durch Sanktionen isoliert. Die Handelsbeziehungen kamen erst wieder in Fahrt, als Gaddafi politische Eingeständnisse machte. So erklärte er sich 2003 für den Lockerbie-Anschlag verantwortlich und ließ 2007 die gefangenen bulgarischen Krankenschwestern frei.

Nach dem Bürgerkrieg wäre ein neuerlicher Wandel möglich: "Wenn sich eine echte Marktwirtschaft durchsetzt, könnte das Land einen Verlust von zwei Jahren Wirtschaftswachstum verkraften", sagt Bachmann. Der aktuelle "Turbokapitalismus" gepaart mit überbordender Bürokratie habe die Entwicklung bisher unnötig gehemmt.