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Europa könnte bei der Digitalisierung der Energiewirtschaft eine führende Rolle spielen.
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Wien. Bei der Entwicklung im Bereich der erneuerbaren Energien droht Europa ins Hintertreffen zu geraten. "Das Thema Photovoltaik ist von China und Südostasien besetzt, bei der Speichertechnologie sind die USA vorne", sagte Verbund-Generaldirektor Wolfgang Anzengruber am Montag. Am Mittwoch findet in Wien das "World Energy Outlook 2017" der internationalen Energieagenturen statt, und die UN-Klimakonferenz in Bonn neigt sich diese Woche ihrem Ende zu. Solarpanele kämen bereits fast ausschließlich aus China, das bewusst die strategische Entscheidung für Solarpanele und Elektromobilität getroffen und sich somit eine Vorreiterrolle gesichert habe, so Anzengruber. Allein bei der Digitalisierung der Energieversorgung habe Europa noch eine Chance, vorne mitzuspielen.
"Wo wir heute noch vorne sind, das ist die Versorgungsqualität, da ist Europa sicher Spitze in der Welt." Im Bereich der Energieeffizienz und Integration der verschiedenen Systeme könnte Europa eine führende Rolle spielen, "da ist das Feld noch offen, da können wir jetzt auch reingehen. Digitalisierung wäre so eine Chance, in diese Integration reinzukommen", sagte Anzengruber, "denn eines, was wir sehr gut können, ist: Wir können Energiesysteme gut managen."
Treibhausgas-Emissionen steigen weltweit wieder an
Das wird auch in Zukunft eine immer bedeutendere Rolle spielen. Die Treibhausgas-Emissionen steigen in Österreich seit 2013 kontinuierlich an. Hauptverantwortlich dafür sind der Energiebereich, ein höherer Heizbedarf sowie der Verkehr. Der Anteil der erneuerbaren Energien ist zwar ebenfalls leicht gestiegen - setzt sich der Trend bei den Treibhausgas-Emissionen fort, wird Österreich aber dennoch die 2020-Klimaziele verfehlen: 2005 hat die EU festgelegt, dass alle Mitgliedstaaten ihre Treibhausgas-Emissionen bis 2020 um 15 bis 30 Prozent gegenüber 1990 reduzieren sollen.
EU-weit sind diese heute zwar um 24 Prozent niedriger als 1990, global betrachtet steigen sie jedoch 2017 nach dreijähriger Stagnation voraussichtlich wieder an, berichteten Experten in der Studie "Globales Kohlenstoff Budget". Das sei vor allem China geschuldet.
Strom könnte ein Weg aus der Misere sein. Er wird zu 80 Prozent CO2-frei, also mithilfe von erneuerbaren Energien, produziert und macht heute 20 Prozent des energetischen Endverbrauchs aus. Im Vorjahr wurde laut dem Vorsitzenden des Verbund-Aufsichtsrats, Gerhard Roiss, global erstmals mehr in Strom investiert als in Öl und Gas.
2030 könnte der Stromanteil am energetischen Endverbrauch bei bis zu 33 Prozent liegen, Elektrizität müsse zum Hauptenergieträger des 21. Jahrhunderts avancieren, heißt es vom Branchenverband Oesterreichs Energie - allein, es fehlen die Speicher für die erneuerbaren Energien. Zum Ausgleich längerfristiger (etwa saisonaler) Schwankungen müssen nach wie vor zusätzlich Gas- oder Kohlekraftwerke eingesetzt werden.
Es gehe um die "Dunkelflaute", sagte Anzengruber. "Um die Balance zwischen Angebot und Nachfrage herstellen zu können, brauchen wir Speicher." Diese seien das "Missing Link" für den Durchbruch der erneuerbaren Energien.
Mit den Pumpspeichern alleine werde man jedenfalls nicht auskommen, sondern auch andere Energiespeicher brauchen, so Anzengruber. Dabei gehe es vor allem um Batteriespeicher. Zahlreiche Geschäftsmodelle sind bereits um dieses Thema entstanden. "Da ist viel passiert in den letzten Jahren. Die Lithium-Ionen-Batterie wird allmählich wettbewerbsfähig, aber den Durchbruch erreichen Sie mit Lithium-Ionen nicht", ergänzte Roiss. Man werde Speicher "nicht nur im Auto, sondern auch im Keller" brauchen. Zuletzt gab die EVN-Tochter Netz NÖ GmbH bekannt, eine Großbatterie mit einer Leistung von 2,5 Megawatt und einer Kapazität von 2,2 Megawattstunden einsetzen zu wollen. Dabei würden die gleichen Lithium-Ionen-Batterien wie in Elektroautos zum Einsatz kommen, hieß es in einer Aussendung. Während aber Solar und Wind nahe an der Marktreife seien, ist man bei den Batterien laut Roiss noch weiter davon entfernt.
"Die Speicherkapazitäten werden der Gamechanger der nächsten Jahre und Jahrzehnte sein", sagte Anzengruber. Man erlebe dort derzeit eine enorme Kostendegression. "Etwas Ähnliches wie wir es in der Mikroelektronik bei den Speicherchips gesehen haben: Die Leistungen und Speicherkapazitäten verdoppeln sich, die Preise halbieren sich."
"Energiepolitik ist Infrastrukturpolitik"
Beim Thema Mobilität dürfte der Trend zum Elektroauto nicht mehr zu stoppen sein, sind sich die Energiemanager einig. Wasserstoff könnte wegen der höheren Energiedichte vielleicht bei Lkw oder im Schiffsverkehr eine Rolle spielen, aber bei Pkw hätten die Elektrofahrzeuge klar die Nase vorn. Das liege auch daran, dass sich der riesige Markt China entschieden habe, auf Elektromobilität zu setzen "und nicht dort, wo andere schon seit Jahrzehnten forschen", sagte Roiss.
Zu diesem Thema hat am Montag auch das Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) die Herausforderungen an die zukünftige österreichische Klima- und Energiepolitik skizziert. "Energiepolitik ist Infrastrukturpolitik", lautete dabei das Credo des Wifo-Experten Stefan Schleicher. Denn die Emissionsproblematik könne langfristig nicht durch Erneuerbare allein gesteuert werden.