Konferenzteilnahme des Iran und der syrischen Opposition weiterhin offen.
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Teheran/Wien. Acht Tage vor dem geplanten Termin am 22. Jänner nimmt das Gerangel rund um die Syrien-Friedenskonferenz an Heftigkeit zu. Zwei Knackpunkte gefährden den Erfolg des Treffens im Schweizer Montreux, bevor es überhaupt angefangen hat, und bereiten dem internationalen Syrien-Sondergesandten Lakhdar Brahimi Kopfzerbrechen: Erstens geht es um die Frage, ob die syrische Opposition überhaupt teilnimmt. Dazu traf am vergangenen Wochenende die Gruppe der "Freunde Syriens" in Paris zusammen. Von einem Durchbruch blieb man aber weit entfernt. So begnügte man sich bei dem Vorbereitungstreffen mit politischem Manierismus. An die an die syrische Oppositionerging von den elf Staaten der Appell, die Konferenz nicht zu boykottieren. Die Opposition hielt sich eine Teilnahme aber weiterhin offen und will darüber erst am kommenden Wochenende endgültig entscheiden.
Betont optimistisch gab sich US-Außenminister John Kerry in der französischen Hauptstadt. Er habe mit dem Chef der Nationalen Koalition, Ahmad Jarba, dazu ein "sehr konstruktives Treffen" gehabt und gehe davon aus, dass die Opposition teilnehme, so der US-Chefdiplomat gegenüber Journalisten. Mit seinem russischen Kollegen Sergej Lawrow, der am Montag in Paris dazustieß, herrschte Einigkeit darüber, dass es in Syrien begrenzte Kampfpausen geben soll. "Örtliche" Waffenruhen seien anfangs etwa für die Wirtschaftsmetropole Aleppo denkbar. Beide Minister sprachen sich zudem dafür aus, dass die Anhänger und Gegner des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad noch vor der Friedenskonferenz Gefangene austauschen und humanitäre Korridore für Hilfslieferungen einrichten sollten.
Uneinigkeit herrschte derweil beim zweiten großen Fragezeichen, der umstrittenen Teilnahme des Iran. Nach einer zunächst halbherzig ausgestreckten Hand ruderten die USA zuletzt wieder zurück - trotz massiver Bedenken der UNO, Russlands, einigen europäischen Staaten und Brahimis. Kerry hatte Teheran signalisiert, es könne teilnehmen, müsse dafür aber das Ziel einer Übergangsregierung akzeptieren. Die Perser quittierten den US-Vorstoß als "Pseudo-Einladung unter unserer Würde" und forderten eine Teilnahme "ohne Vorbedingungen". Mit dem Ergebnis, dass die Islamische Republik nun nicht auf der Liste von 30 Staaten steht, an die in der vergangenen Woche UN-Generalsekretär Ban Ki-moon Einladungen verschickt hat. Das strikte Nein der USA zu einer formellen Teilnahme Teherans konterkariert Washingtons jüngste Appeasement-Politik gegenüber Teheran. Denn fast zeitgleich mit den Bemühungen um die Syrien-Konferenz lobte die US-Spitze den jüngsten Erfolg bei den Nachverhandlungen zum Atomabkommen zwischen dem Westen und dem Iran, das nun am 20. Jänner in Kraft treten kann.
Die iranische Führung gibt sich in Anbetracht der amerikanischen Syrien-Politik selbstbewusst. Präsident Hassan Rohani hat bereits in einem Telefonat mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin davor gewarnt, dass die angedachte Konferenz ohne die Teilnahme der Perser "zum Scheitern verurteilt sein wird". Putin teilt die Überzeugung, dass "ohne den Iran gar nichts geht". Noch ist das letzte Wort in der Angelegenheit nicht gesprochen.
Teheran geht inzwischen in die Offensive. Außenminister Mohammad Javad Zarif wird in den kommenden Tagen nach Syrien reisen. Mit im Gepäck hat er die uneingeschränkte Unterstützungsgarantie für Damaskus, die dem syrischen Regime sehr zugute kommt. Denn während der seit März 2011 andauernde Konflikt zwischen dem Regime und den Rebellengruppen beziehungsweise die Selbstzerfleischung der Rebellengruppen untereinander voranschreitet, sitzt Assad dank Teheran viel fester im Sattel als noch vor einem Jahr. Wie bereits damals ergingen auch heuer wieder pünktlich zu Jahresbeginn neue iranische Milliardenkredite und technisches Know-how (Abhörgeräte, Telefonkoppelungssysteme usw.) an Damaskus sowie an die verbündete Hisbollah im Libanon.
Milliardenkredite aus Teheran für Damaskus
Kernpunkt des Syrien-Hilfspakets ist ein bereits im Sommer beschlossener Milliardenkredit für Ölprodukte. Der Iran räumt Damaskus eine langfristige Kreditlinie im Volumen von 3,6 Milliarden Dollar (2,7 Milliarden Euro) ein, die für den Kauf von Erdölprodukten genutzt werden kann. Beobachter sprechen von weit umfangreicheren Geldtransfers zwischen den beiden Staaten. Auch die proiranische Schiitenmiliz Hisbollah kommt bezüglich Geld- und Waffenlieferungen nicht zu kurz. Wie die "Wiener Zeitung" aus Hisbollah-Kreisen erfuhr, sind bereits einige der angesprochenen Hilfen eingetroffen. Die iranische Führung dementiert die Lieferungen zwar offiziell, doch hinter vorgehaltener Hand rühmt sich so manch ein Freitagsprediger mit der Unterstützung für Assad und den Hisbollah-Chef, Scheich Hassan Nasrallah. Dass Zarif ausgerechnet jetzt nach Syrien reist, ist ein klares Signal an Washington: Der Iran ist stolz darauf, dass er der einzige Staat ist, mit dem die syrischen Streitkräfte gemeinsame Stabstreffen abhalten. Hinzu kommen Truppenübungen, ein bilaterales Aufrüsten, das Modernisieren der Armee und Schützenhilfe im "Kampf gegen innere und äußere Feinde". Die iranische Bevölkerung, die unter den schmerzlichen Wirtschaftssanktionen im Zusammenhang mit dem Atomstreit leidet, hat nur begrenztes Verständnis für die Hilfen an Syrien. Auch wenn sich die beiden "Bruderstaaten" nun noch mehr miteinander verbunden fühlen, ist die Hilfe aus Teheran nicht ganz uneigennützig. Denn nach der Entspannung wittert Teheran wieder die Chance, die regionale Vormachtstellung auszubauen und den Hauptrivalen in der Region, Saudi-Arabien, in Schach zu halten.