Brüssel - Nach der von Washington durchgesetzten Beendigung der Perejil-Krise zwischen Spanien und Marokko blieb den Europäern nichts anderes übrig, als den USA ihren "Dank" abzustatten. Nur durch die amerikanische Diplomatie konnte eine Verständigung über den winzigen Ziegen-Felsen herbeigeführt werden - kein Ruhmesblatt für die EU.
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Der spanische Staatssekretär Ramon de Miguel gab in Brüssel auch unumwunden zu, dass sein Land eine "andere Vorgangsweise vorgezogen" hätte. Spanien hätte es "nicht notwendig, auf die Vereinigten Staaten zurückzugreifen." Die Einschaltung Washingtons sei vielmehr "von der anderen Seite (Marokko) gewünscht" worden.
"Die USA waren in der Lage, Marokko die von ihm geforderten Sicherheitszusagen für die Rückkehr zum Status quo zu geben, und wir haben mit ihnen kooperiert", erklärte de Miguel. Zugleich versicherte er, dass das Verhalten Frankreichs während der Krise keine negativen Auswirkungen auf die europäische "Gemeinschaftssolidarität" haben werde. Die Franzosen hatten nach der spanischen Militärintervention auf der Insel ihr Veto gegen eine Erklärung der dänischen Ratspräsidentschaft eingelegt, in der die Union ihre uneingeschränkte Unterstützung für Madrid bekunden sollte.
Frankreichs Außenminister Dominique de Villepin lobte in Brüssel die diplomatischen Bemühungen Washingtons, die "sehr wesentlich zu einer Lösung beigetragen" hätten. Sein dänischer Kollege Per Stieg Möller als amtierender EU-Ratspräsident beschränkte sich dagegen auf die lapidare Aussage: "Mit Befriedigung nehmen wir zur Kenntnis, dass sich die Situation wieder normalisiert." Der EU-Außenpolitik-Beauftragte Javier Solana meinte, es sei "normal, dass Marokko sich an einen Drittstaat gewandt" habe. "Aber das heißt nicht, dass Europa keine Rolle gespielt hätte."
Das erste Gespräch zwischen Spanien und Marokko nach dem Ende des Inselstreits hat die weit reichenden Differenzen zwischen den beiden Ländern offenbart. Spanien weigerte sich bei dem Treffen von Außenministerin Ana Palacio mit ihrem marokkanische Kollegen Mohammed Benaissa am Montag in Rabat, auch über andere Themen als die Insel Perejil (Leila) zu sprechen. Rabat wollte auch über den Status von Ceuta und Melilla verhandeln. Spanien weigerte sich zudem kategorisch, über die Westsahara-Frage zu sprechen. Marokko, das die Westsahara besetzt hält, verübelt der ehemaligen Kolonialmacht das Festhalten am Prinzip eines Selbstbestimmungs-Referendums. Madrid hatte die jüngsten US-amerikanischen Pläne für eine Autonomie der Westsahara innerhalb Marokkos erfolgreich durchkreuzt. Im Weltsicherheitsrat hatten sich von den fünf ständigen Mitgliedern mit Vetorecht nur Russland und China gegen den US-Vorschlag ausgesprochen. Die große Mehrheit der nichtständigen Mitglieder lehnte aber wie Spanien die Umwandlung der Westsahara in eine "autonome" Provinz Marokkos ab.