Dass die streitbare Ursula Stenzel geht, könnte die ÖVP den 1. Bezirk kosten. Eine politische Bilanz.
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Wien. Ursula Stenzel, Bezirksvorsteherin der Inneren Stadt, wird 2015 nicht mehr für die ÖVP antreten - die "Wiener Zeitung" hat berichtet. Stattdessen wurde der 40 Jahre alte Bezirksparteichef Markus Figl zum Spitzenkandidaten gekürt. Ob das bedeutet, dass sich Stenzel aus der Politik zurückzieht, ist aber noch nicht bestätigt - die Bezirkschefin war am Mittwoch nicht erreichbar.
Würde Stenzel nämlich mit einer eigenen Liste antreten, könnte die ÖVP den 1. Bezirk verlieren. Es handelt sich zwar um den kleinsten Bezirk mit der geringsten Bevölkerungszahl, und doch ist er Wiens prestigeträchtigster Herzeigebezirk. Aber selbst bei einem völligen Rückzug Stenzels aus der Politik räumen viele dem Neuen nicht allzu viele Chancen ein, zumal sein Background der eines braven Beamten ist und weniger der eines beharrlichen und mitunter auch (im Sinne der Sache) lästigen Volksvertreters.
Stenzel selbst hat immer gerne für Aufruhr gesorgt, was zwar oft Kopfschütteln verursacht hat, ihr aber gleichzeitig enorme Medienpräsenz garantierte. Ihr Wechsel vom Europaparlament nach Wien im Jahr 2005 wurde von Grünen noch als "Wahlkampf-Gag" bezeichnet und von der SPÖ als Führungsschwäche des damaligen ÖVP-Klubobmanns Johannes Hahn bewertet. Doch dann verwandelte sie mit dem besten Bezirksergebnis der ÖVP die zuvor wackelnde Innere Stadt zurück in eine schwarze Hochburg.
Die ehemalige ORF-Moderatorin kippte mit einer Stadtteilbefragung die geplante Tiefgarage am Neuen Markt, sie ging gegen den "Veranstaltungswildwuchs" und dem "Gegröle einer jugendlichen Subkultur" im Bereich des Stephansdoms vor, indem sie eine "Zone der Besinnlichkeit" ausrief. Sie forderte ein Nachtfahrverbot in der City sowie die Abschaffung des Bustourismus - "die paar Meter vom Schwedenplatz zum Stephansplatz können die auch zu Fuß gehen" - und legte sich so auch mit der Wirtschaftskammer an. Stenzel hat auch neue Schanigartenrichtlinien erstellt, obwohl das gar nicht in ihrem Zuständigkeitsbereich lag. Zurückrudern musste sie lediglich in Sachen City-Maut, als nicht nur SPÖ, FPÖ und Arbö gegen sich hatte, sondern auch die eigene Partei. Das Thema legte sie schließlich mit den Worten "ich bin nicht für die City-Maut, ich bin gegen Tabuthemen" ad acta. In Sachen Garage am Neuen Markt schaffte sie es sogar, dass Bürgermeister Michael Häupl ankündigte, mit Stenzel nur noch vor Zeugen sprechen zu wollen. Denn von dem vereinbarten Mediationsverfahren nach der Befragung wollte sie plötzlich nichts mehr gewusst haben. Selbst in der eigenen Partei hatte sie viele Kritiker gegen sich.
"Feudalherrin"
Trotzdem war bei der Nationalratswahl 2006 die ÖVP im Stenzel-Bezirk am erfolgreichsten: In der Inneren Stadt hielten sich die Verluste für die Volkspartei mit 4,99 Prozentpunkten in Grenzen, was Stenzel natürlich in ihrer Arbeit bestärkte - oftmals sehr zum Leidwesen der SPÖ: Der damalige Parteisekretär Harry Kopietz bezeichnete Stenzel als "Feudalherrin", deren Entgleisungen kein Ende nehmen würden - nachdem sie seinen Politikstil mit jenem des russischen Präsidenten Wladimir Putin verglichen hatte.
Vor allem dem damaligen Verkehrsstadtrat Rudolf Schicker kostete Stenzel viele Nerven. Nicht nur, dass er sich in der Frage der Garage am Neuen Markt nicht wirklich durchsetzen konnte, auch bei der Neugestaltung der Innenstadt-Fußgängerzonen musste er sich gegenüber der resoluten Bezirkschefin geschlagen geben - sie bekam ihre präferierten Maiglöckchenlampen, obwohl aus dem eigens durchgeführten Wettbewerb ein moderneres Lampenmodell hervorgegangen war.
Es gab Streits um den an sich für alle Bezirke geltenden Finanzierungsschlüssel, wenn es um Baumaßnahmen geht. Geldforderungen aus dem 1. Bezirk zur Sanierung fiakergeschädigter Straßen führten im Jahr 2007 sogar zu einem Feldversuch mit Gummihufen. Stenzel forderte ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum, Gratis-Öffis in der Innenstadt und stieg selbst bei der Wien-Wahl 2010 vergleichsweise gut aus. Sie musste zwar einen Verlust von 5,37 Prozentpunkten hinnehmen, blieb mit 37,95 Prozent aber klar an der Spitze, während die ÖVP überall verlor. Danach wurde sie sogar "Baumaktivistin", als für den Ausbau des Ringradweges einige Bäume gefällt werden mussten. Das führte dann so weit, dass Stenzel zum Schutz der Bäume eine Wintersperre des "Luxus-Radweges" um den Ring einforderte. Auch die jüngsten Forderungen nach einer Demo-freien Zone am Ring und am Stephansplatz sowie die Befragung über eine Fußgängerzone in der Bäckerstraße sicherte Stenzel Schlagzeilen. Mit dieser Mischung aus Beharrlichkeit und medialer Präsenz hielt sich die Politikerin gut im Sattel - Eigenschaften, die man Markus Figl derzeit nicht nachsagen kann.
"Er hat genug Zeit bis zur Wahl, um sich bekannt zu machen und sich zu positionieren", heißt es dazu aus der Wiener ÖVP. Unter anderem will Figl - wie Stenzel - den Donaukanal zur "Kleinen Donau" machen. "Schwedenplatz und Morzinplatz müssen sich öffnen und die Barriere Franz-Josefs-Kai überwinden", ist auf seiner Homepage zu lesen. Weiters will er Erdgeschoßzonen beleben und den Bewohnern mehr Mitbestimmung einräumen - wobei "bürgerliche Werte" seine Lebenseinstellung sind. Figl ist derzeit Kabinettsmitarbeiter von Finanzminister Hans Jörg Schelling und Großneffe des früheren Bundeskanzlers Leopold Figl.
"Von ihr ausgegangen"
Dass Stenzel mit einer eigenen Liste antreten wird, glaubt man in der Partei jedenfalls nicht. "Stenzel ist 69 Jahre alt und hat sicherlich noch andere Pläne für ihr Leben." Dass sie nicht mehr antreten will, sei von ihr ausgegangen, wird betont. "Jetzt erfolgt ein Generationenwechsel." Bei anderen Parteien ist man kritischer: "Ohne Uschi wird’s die ÖVP schwer haben im Ersten."